"Das hatte nichts mit irgendeiner Form des politischen Widerstandes zu tun"

Seite 3: "Aktionskonsens" ausgesetzt

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Dass die zuständigen Sicherheitskräfte vor vollendete Tatsachen oder sehr spät informiert wurden, das setzte sich bis in die Gipfelwoche fort. Laut Dudde wurden sie erst in der Woche darüber informiert, dass die Staatsgäste fast alle am Donnerstag, den 6.7.2017 anreisen würden. Das Ergebnis war, dass an dem Nachmittag der Verkehr im gesamten Stadtgebiet zum Erliegen kam. Scholz hatte den Hamburgerinnen und Hamburgern im Vorfeld großspurig versprochen, dass sie gar nicht merken würden, dass der Gipfel stattfindet, und prophezeit, dass alle sich am 9. Juli verwundert die Augen reiben würden, weil schon wieder alles vorbei sei.

Dass das so nicht werden wird, das war bereits am Sonntag vor Gipfelbeginn klar, als die Polizei ein Protestcamp räumen ließ, obwohl ein Gericht dies ausdrücklich erlaubt hatte (Verdächtige Stille im Rathuas). Das ist ein Thema, das in einem Sonderausschuss intensiv zu diskutieren wäre.

Die anwesenden Herren der Einsatzleitung sahen sich in ihrer Annahme bestätigt, dass diese Protestcamps als Rückzugs - und Vernetzungsort genutzt wurden. Weshalb sie das Interesse gehabt hätten, die Übernachtung in diesen Camps zu unterbinden. Diese These wurde untermauert durch einen Bericht über und Fotos von Einsätzen am Freitag, den 7.7.2017. Vermutlich von einem Protestcamp im Altoaner Volkspark ausgehend, habe eine Gruppe von etwa 1.000 Personen eine Schneide der Verwüstung durch Altona gezogen. Etwa 200 Personen wurden festgenommen, und diverses Material, von Feuerwerkskörpern über Feuerlöschern und Drahtseilen bis hin zu Dutzenden Kleidungsstücken in schwarz wurde allein dabei sichergestellt.

Die vielen Kleidungsstücken untermauerten eine Beobachtung, die ebenfalls alle der Referierenden machten. Nämlich, dass die ihnen gegenüber stehenden Protestierenden oder auch Randalierenden nicht voneinander zu unterscheiden gewesen wären. Es gebe Foto- und Videoaufnahmen, die beweisen würden, dass Beteiligte sich "blitzschnell umgezogen" hätten und sich vom vermummten Autonomen in einen friedlichen Demonstranten verwandelt hätten - und umgekehrt.

Das, so schilderte Großmann, sei auch das Problem im Schanzenviertel an jenem besagten Freitagabend gewesen. Wie aus dem Nichts sei plötzlich eine große Anzahl vermummter, dunkel gekleideter Gestalten erschienen, die mit einer Entschlossenheit und Brutalität gegen die Polizeibeamtinnen und -beamten vorgegangen wären, die "auch erfahrene Kolleginnen und Kollegen erschrocken" hätte.

Meyer sprach von einem "Aktionskonsens", der vorausgesetzt worden sei, und demnach Aktionen in der Szene vermittelbar sein müssten, und Sachschäden primär an den Gerätschaften der Polizei oder Polizeidienststellen verursacht würden. Dass dieser "Aktionskonsens" nicht eingehalten wurde, "das war so nicht prognostiziert worden", so Meyer.

Dudde ergänzte, dass die Eskalationen im Schanzenviertel in den vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen seien. "Wir konnten in den letzten zwei Jahren ja sogar das Schanzenfest einigermaßen entspannt feiern." Die Organisatoren der Versammlungen seien größtenteils bekannt gewesen und in der jüngeren Vergangenheit habe die Zusammenarbeit an und für sich geklappt.

Überrascht hätte laut Großmann auch die hohe Bereitschaft derer, die offenbar zum Feiern ins Schanzenviertel gekommen wären, sich "mit den Randalierern" zu solidarisieren. Teilweise sei gar nicht mehr zu unterscheiden gewesen, wer wer sei. Diese Schilderung deckt sich mit der Beschreibung eines Gewerbetreibenden in einem Interview mit der Tageszeitung (taz).