"Das hatte nichts mit irgendeiner Form des politischen Widerstandes zu tun"
Seite 4: Molotow-Cocktail oder Feuerwerkskörper?
Auf den meisten Dächern im Schulterblatt, der "Hauptstraße" des Schanzenviertels, seien Personen ausgemacht worden. "Es gab in der Straße nur wenige Dächer, auf denen niemand war." Aufgrund der Verkleidungs-Spielchen sei nicht zu erkennen gewesen, ob es um Randalierer handele, um Schaulustige oder um Anwohnende, die sich vielleicht aus Angst aufs Hausdach gerettet hätten. Die Polizeibeamtinnen und -beamten seien mit Feuerwerkskörpern und Eisenstangen beworfen worden.
Schließlich hätten noch "unsere eigenen Augen", also verdeckte Ermittler, darum gebeten, aus dem Viertel abgezogen zu werden, da sie sich nicht mehr sicher gefühlt hätten. Leider gab es niemanden, der nachfragte, wie viele dieser "unsere Augen" denn zu dem Zeitpunkt im Einsatz gewesen seien, was deren Auftrag war, und ob diese möglicherweise die Geschehnisse selbst in die Hand genommen haben. Es ist bekannt, dass im Umfeld der "Roten Flora" eine Reihe von verdeckten Ermittlerinnen eingesetzt waren, die es nicht dabei beließen, Informationen zu beschaffen, sondern die aktiv die Politik einzelner Gruppe mitgestalteten.
Einen - oder vielleicht auch mehrere - Molotow-Cocktail haben die Randalierer auf dem Dach des ersten Hauses gegen die Uniformierten einsetzen wollen. Davon sei er aufgrund der Auswertung der Bilder aus einem Hubschrauber ausgegangen. Inzwischen ist sehr wahrscheinlich, dass es sich bei dem Gegenstand auf den Aufnahmen aus dem Hubschrauber nicht um einen Molotow-Cocktail, sondern um Feuerwerkskörper gehandelt hat. Auch hier niemand, die oder der anhand von bislang bekannten Fakten die Darstellung zumindest mal anzweifelte.
Diese Ausgangslage: "ca. 1.500 gewaltbereite Personen", die mal schwarz gekleidet und vermummt war, mal nicht, Depots mit schwarzer Kleidung, die ausfindig gemacht worden waren, die sich durch äußerste Brutalität auszeichnete, offenbar zu allem entschlossene Gewalttäter auf dem Dach zumindest des ersten Hauses in der Straße, "Verletzungen bis zum Tod" seien "von diesem Klientel in Kauf genommen" worden, Hilferufe beim Notruf der Polizei aus den Wohnungen im Schanzenviertel, die nicht befriedet werden konnten, weil die Polizei sich in dieser Formation nicht hinein traute, "Kolleginnen und Kollegen am Rande der Erschöpfung", all das zusammengenommen mit den sichergestellten Dingen wie Feuerwerkskörpern, Zwillen mit Metallkugeln, Drahtseilen, etc., die Zerstörungswut, die die Polizei den ganzen Tag in Atem gehalten hatten, brachten Großmann dazu, sich mit Dudde in Verbindung zu setzen, und um Unterstützung durch das SEK zu bitten.
Die Spezialeinheiten, insgesamt 674 Uniformierte, inklusive einer Einheit der österreichischen "Cobra", waren zum Personenschutz in die Hansestadt gekommen und auf einen solchen Einsatz nicht vorbereitet. Deshalb verzögerte sich die Ankunft der Einheiten.
All das untermauerte den Eindruck, dass der Schutz der Staatsgäste Priorität hatte vor dem der Bürgerinnen und Bürger. Das wollte Meyer so nicht stehen lassen. Auch wenn es im ausgearbeiteten Sicherheitskonzept mit dem Begriff "Priorität" "begleitet" gewesen sei, so sei es doch im Sinne von "Parallelität" gemeint gewesen.
Diese "Parallelität" hatten vor allem die Anwohnenden im Schanzenviertel schon Tage vor dem Gipfel zu spüren bekommen, als Parkverbote erlassen wurden, die Hubschrauber permanent über den Dächern ihrer Wohnungen kreisten, etc. Auch am vergangenen Mittwoch konnte der entstandene Eindruck, dass die Einsatzkräfte erst anrückten, nachdem die Staatsgäste vom Tagungsort in die Elbphilharmonie und anschließend in ihre Hotels geleitet worden waren, nicht korrigiert werden. Dieser Punkt sollte in einem Sonderausschuss besprochen werden.
Großmann und Zorn schilderten übereinstimmend, dass sie an jenem Abend im Schanzenviertel eine Situation vorgefunden hätten, "die nichts mit irgendeiner Form des politischen Widerstandes zu tun" hatte. Insofern sei der Einsatz des SEKs gerechtfertigt gewesen. Leider, leider sei allerdings die Kriminaltechnik noch nicht so weit, dass schlüssige Beweise vorgelegt werden könnten, die diese Einschätzung stützen.