Das plötzliche Verschwinden der Initiative Finanzstandort Deutschland
Die Initiative, die den Finanzstandort Deutschland stärken sollte, spielte eine dubiose Rolle während der Lehman-Pleite
Wieder heftet sich Alexander Dill vom Basel Institute of Commons and Economics an die Spuren großangelegter Täuschungsmanöver in der Wirtschaft. Nach der Pleite der USA und der deutschen Steuerlüge nimmt er sich nun die verschwiegenste Lobbyorganisation der deutschen Finanzwirtschaft vor.
Wer derzeit versucht, die einst ruhmreiche Domain www.finanzstandort.de aufzurufen, landet im Nichts. Das war nicht immer so: Bis vor wenigen Monaten war dies die Webseite der 2003 vom damaligen Bundesbank-Präsidenten Ernst Welteke feierlich eröffneten Initiative Finanzstandort Deutschland.
Domaininhaber war seit 16.12.2005 12.21 Uhr eine äußerst verschwiegene Kommunikationsagentur: die CNC Communications und Network Consulting AG. Diese handelte keineswegs als Dienstleisterin im Auftrag der Initiative, sondern als aktives Mitglied. Weder die Initiative, noch deren Gründer, der ehemalige Staatssekretär und SPD-Abgeordnete Siegmar Mosdorf, der noch immer Partner der CNC-Communications ist, sind je aktiv an die Öffentlichkeit getreten.
Dies ist äußerst ungewöhnlich, sollte doch die Initiative angeblich für den Finanzstandort Deutschland werben, um dem dortigen Mittelstand die offensichtlich unzureichend vorhandenen Kreditmittel zu verabreichen.
Ein verschwiegendes Kommunikationsunternehmen: die CNC Communications
Die CNC-Communication, die als Geschäftszweck angibt, das going public von Unternehmen zu begleiten, hat in den letzten vier Jahren ganze fünf Pressemitteilungen veröffentlicht. Zu ihrer Verbindung mit der Initiative Finanzstandort gibt es keinerlei Äußerung. Auch die Eintragung der CNC als Domaininhaber von finanzstandort.de wurde entfernt. Neuer Domaininhaber ist eine OMSE Software Engineering GmbH, Martin-Luther-Straße 11a in 60316 Frankfurt am Main. Sucht man diese, kommt man über Google zu dieser Seite.
Überraschung: Auch die ominöse OMSE ist verschwunden. Sollten alle Spuren der Initiative Finanzstandort getilgt werden? Und wie kann eine Initiative, deren Sprecher Josef Ackermann heißt, unter deren intern "Sherpas" genannten Spezialisten Bundesbankpräsident Axel Weber und Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen weilten, deren Gründer Mosdorf zeitweise im Aufsichtsrat der Hypo Real Estate saß, einfach verschwinden? Auch Lobbypedia weiß nichts über die Sherpas oder gar dass Lehman Mitglied war.
Deutscher Widerstand gegen Auflagen nach der Finanzkrise
Wir schreiben den 1. Juli 2008, 2 Monate und 14 Tage vor der Insolvenzanmeldung von Lehman Brothers. Aufgrund der alarmierenden Nachrichten aus Amerika hat das Basel Komitee der Bankenaufsicht (BCBS) in einer Erklärung härtere Auflagen für die Eigenkapitalausstattung von Banken beim Handel mit strukturierten Finanzprodukten gefordert.
Die Antwort der deutschen Finanzindustrie fällt negativ aus. "Wir glauben", schreibt sie, "dass die Anforderungen für die Kapitalausstattung für strukturierte Finanzierungen unter Basel II im Großen und Ganzen ausreichen. Außerdem, so fügen die Finanzwirtschaftler hinzu, seien ja die ABS und CDO bereits unter Basel I eingeführt worden und es bestünden erst seit wenigen Monaten Zweifel - zu kurz, um alles in Frage zu stellen. Fazit: Wenn schon höhere Auflagen kämen, dann müsste es dazu eine mehrjährige Umstellungsfrist und "Tests" geben.
Das Besondere an dieser Antwort sind deren Urheber: Die Mitglieder einer Initiative Finanzstandort Deutschland, deren Sprecher Josef Ackermann ist. Sie umfasst nicht nur die führenden Verbände und Institute der deutschen Finanzindustrie, sondern auch das Bundesministerium für Finanzen, vertreten durch Jörg Asmussen, und die Deutsche Bundesbank, vertreten durch ihren neuen Präsidenten Axel Weber himself. Als Sherpas werden die aktiven Vertreter der Initiative bezeichnet, die sich seit 2003 offiziell der Verbesserung der Standortbedingungen für Finanzinvestoren in Deutschland widmet.
Deutschland sollte "Produktionsstandort" von Kapital werden
Bereits in der Eröffnungsrede der Initiative, die der damalige Bundesbankpräsident Ernst Welteke hielt, wurde der Abbau von Hindernissen und Regulierungen gefordert, die angeblich dem Aufblühen Deutschlands als "Produktionsstandort" von Kapital entgegenstünden.
Die Initiative geht auf Siegmar Mosdorf, den glücklosen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium der Schröder-Regierung zurück. Dieser machte sich mit einer CNC-Communication selbständig, deren Mitarbeiterin Sandra Fabian auch ans Telefon ging, wenn man bei der Initiative in Frankfurt anruft. Die CNC wollte ursprünglich PR für Börsengänge machen und gibt an, Repräsentanzen auf der ganzen Welt zu haben. Wie Sandra Fabian erklärte, hat die Initiative keinerlei Rechtsform und zumindest für Bundesbank und Finanzministerium auch keine Beiträge. "Die Finanzmittel", deren Höhe streng geheim ist, "werden von den Geschäftsbanken aufgebracht", erklärte Fabian, an deren CNC das Geld geht.
Die Erklärung vom 1. Juli 2008 weist ein weiteres Mitglied aus: Lehman Brothers. Als assoziiertes Mitglied wie auch die Citibank, Goldman Sachs, die UBS und, führt Lehman seine Beiträge an das ordentliche Mitglied Morgan Stanley ab, die - so Frau Strothmann, die Sprecherin von Morgan Stanley innerhalb der IFD - wiederum die Beiträge an die CNC von Siegmar Mosdorf abführen. Als Lehman-Statthalter in Frankfurt fungierte übrigens der ehemalige Minister und SPD-Politiker Hans Martin Bury.
Der Blick in die Mitgliederliste ist insbesondere seit dem 15. Oktober 2008 aufschlussreich, denn fast alle involvierten Geschäftsbanken wurden Empfänger von Staatshilfen in Deutschland und den USA. Selbst die Bayerische Landesbank fehlte nicht. Am Ende stellten Sherpa Asmussen und sein Chef Steinbrück einige Milliarden Euro für die anderen Sherpas als Notration für die weite Wanderung zum Gipfel der Finanzkrise bereit.
Die Initiative, die ursprünglich Kapital nach Deutschland holen sollte, verkehrte sich in ihr Gegenteil: Die zahlenden Global Player aus New York schwatzten den deutschen Geschäfts- und Landesbanken wertlose Papiere auf oder nutzten sie als willige Vertriebskräfte. Im September 2006 noch jubelten Josef Ackermann und Finanzstaatssekretär Mirow in einer Erklärung der IDF, der Handel mit notleidenden Krediten und Kreditportfolios werde "Bilanzen von problembehafteten Aktiva entlasten", nicht nur das: Die Volkswirtschaft insgesamt gewinne auf diesem Wege mehr Finanzstabilität, weil "die Kreditinstitute ein zusätzliches Werkzeug für ihr Risikomanagement haben".
Im gleichen Jahr forderte Asmussen in der Deutschen Zeitschrift für das Finanzwesen, die deutsche Altersversorgung auf ABS umzustellen. Zitat aus dem Bericht der IFD: "Große Zuwächse konnten die Märkte für Zertifikate und der Verbriefungsmarkt verzeichnen." Offensichtlich hatten die zahlenden Mitglieder Lehman Brothers und andere sehr erfolgreich begonnen, an die Dresdner- und Commerzbank sowie an die BayernLB strukturierte Finanzprodukte zu verkaufen. Ein verräterisches Zitat aus dem Bericht der IFD: "Inländische Käufer könnten dazu beitragen, die Nachfrage auf eine breitere Basis zu stellen."
Offensichtlich gab es also bereits erste Absatzschwierigkeiten für die faulen Papiere. Am 15.9.2008 wurde durch die Lehman-Pleite allen Beteiligten klar, dass das verworrene System der Rückversicherungen nun zerbrechen könnte.
Deutsche Wirtschaftsweisheit: "Ein Haushalts- und Wirtschaftsplan wird nicht aufgestellt."
Asmussen und Steinbrück erarbeiteten in Rekordzeit ein Rettungsprogramm, das vom Deutschen Bundestag am 15.10.2008 verabschiedet wurde: Das sogenannte Finanzmarktstabilisierungsgesetz. Nun zahlte es sich aus, dass IFD-Gründer Siegmar Mosdorf als alter SPD-Genosse die beiden Regierungsfraktionen einstimmen konnte. In Paragraph 13 des Gesetzes heißt es weise: "Ein Haushalts- oder Wirtschaftsplan wird nicht aufgestellt."
Die IFD-Finanzierer haben einen ungeheuren Erfolg errungen. Nachdem sie zunächst für Dutzende Milliarden Schrottpapiere an ihre dummen deutschen Kollegen verkaufen konnten, unter den Augen von Bundesbank und Finanzministerium, werden deren Verluste nun auch noch vom deutschen Staat getragen. Am 15.11.2008 wurden Siegmar Mosdorf und Edgar Meister, der ehemalige Leiter der Bankenaufsicht der EZB, in den Aufsichtsrat der neuen Bad Bank HRE berufen.
Da offiziell erst am 19.4.2009 die Verstaatlichung der HRE begann, könnte man davon ausgehen, dass beide dort sozusagen vorbereitend saßen. Sie sollten vermutlich absichern, dass die durch die Ausfälle von Lehman und Citibank verursachte Kreditklemme der HRE nicht auf die Mitglieder der Initiative durchschlug, die der HRE Geld geliehen hatten. Auch hat die HRE selbst Lehman Papiere in ihren Büchern, die nun wertlos sind. Schnell wird versucht, alle Risiken auf die HRE zu schieben: erst sind es drei, dann 10, dann 35, dann 100, schließlich bis zu 135 Milliarden Euro.
Am 10. Dezember endlich hat die Initiative Grund, aufzuatmen: Das SoFFin Rettungspaket steht. Ein lächerliches parlamentarisches Kontrollgremium ohne Befugnisse überwacht seitdem die Auszahlung, die faktisch von Sherpa Asmussen direkt organisiert wird.
Ackermanns undiplomatische Dankesadresse
Da begeht die Initiative ihren ersten und vielleicht folgenschwersten Fehler: Sie lässt Josef Ackermann in Anwesenheit aller Sherpas Peer Steinbrück persönlich für die Finanzhilfe danken. In der Dankeserklärung vom 11. Dezember 2008 (Link auf ./35074_3.pdf) wird zwar prominent die Bundesregierung erwähnt, aber eine Dankesadresse rückt in die zweite Reihe: die an das deutsche Parlament, die Vertretung der deutschen Steuerzahler, das dieses Gesetz unter Umgehung aller Fristen verabschiedet hat.
Für die IFD ist die Finanzhilfe ein persönliches Geschenk von Merkel und Steinbrück, nicht eine Zukunftsinvestition der deutschen Steuerzahler. Zu allem Unglück steht auf dem Briefkopf der Erklärung auch noch ein wohlbekanntes Mitglied der Initiative: Lehman Brothers, fast drei Monate nach deren Insolvenz.
Angela Merkel soll über diese Erklärung, die sie erst im letzten Moment sah, so wütend gewesen sein, dass sie verbot, diese an die Presse zu geben. Auf einem Foto sehen wir alle Protagonisten der deutschen Finanzkrise einträchtig zusammen stehen und oben links lächelt Jörg Asmussen, der Peter Pan der deutschen Staatsbankenszene in die Kamera. Auch einen Dr. Günther Bräuning sehen wir - heute ist er Vorstandsvorsitzender der nunmehr staatlichen Pfandbriefbank, so bittet mich deren Sprecher Gross die HRE ab jetzt zu nennen.
Die von den US-Banken Morgan Stanley, Lehmann, Goldmann Sachs finanzierte Initiative Finanzstandort Deutschland hat mit ihrer unkontrollierte Finanzmarktliberalisierung den größten Schaden mit zu verantworten, der den deutschen Finanzen in Friedenszeiten je zugefügt wurde. Die Aussagen von Steinbrück und Asmussen vor dem Untersuchungsausschuss, die Lehman-Pleite sei Auslöser der Finanzkrise gewesen, gewinnt im Rahmen der gemeinsamen Initiative von Lehman, Bundesbank und Finanzministerium eine andere Couleur: Lehman und die anderen Subprimehändler haben die deutschen Dummbanker über den Tisch gezogen. Nun geben sie Lehman die Schuld.
Als im Mai 2008 die europäische Bankenaufsicht eine schnellere Information über Problembanken forderte, antwortete die IFD: "Eine detaillierte Prüfung dieses Vorschlages durch unsere Initiative wird erst möglich sein, wenn das Basel Komitee seinen Bericht im November 2008 publiziert hat und auf der Basis dieses Berichtes ein akzeptabler Arbeitsplan verabschiedet wird." Da war schon alles vorbei.
Am 28.06.2011 veröffentlicht der Deutsche Sparkassen- und Giroverband eine weithin unbeachtete Pressemitteilung : Ein Dialogforum Finanzstandort Deutschland löst die Initiative ab. Einen "nachhaltigeren Wachstumspfad" gelobt sie sich nun. Und auch Lehman und die CNC sind nicht mehr dabei. Ob der Finanzstandort Deutschland damit zu alten Sparkassen- und Raiffeisentugenden zurückkehrt? Zu hoffen wäre es.