Das unsägliche Elend der Public-Private Partnerships (PPP)
Seite 2: Ein reines Betrugsmanöver
Welchen höheren Sinn die Schuldenbremse dann allerdings haben soll, entzieht sich dem nachdenklichen Beobachter. Nur wer mit den Gebräuchen in etablierten Demokratien vertraut ist, erkennt: Die Schuldenbremse nichts als reine Haushaltskosmetik. Eine Form der politischen Augenwischerei. Die Haushaltswursteler der demokratischen Politik inszenieren sich unter dem ignoranten Applaus der Massenmedien als großartige Sparkünstler. Sie schaffen doch tatsächlich die "Schwarze Null", diese Teufelskerle. Dafür lassen sie sich öffentlich feiern.
Um öffentlich-private Vorhaben anzuschieben, gründeten interessierte Kreise 2008 unter der Federführung des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung die "ÖPP Deutschland AG", eine Beratungsfirma, an der sich der Staat und Großbanken, Baukonzerne und Berater beteiligen.
Ziel der Bundesregierung war und ist es, ÖPP-Projekte zu fördern. Dazu berät die ÖPP Deutschland AG ausschließlich öffentliche Auftraggeber und gibt Empfehlungen ab, wie Kommunen, Länder oder Bundesbehörden ihre Infrastrukturprojekte finanzieren können.
Die Finanzlobbyorganisation Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD) hatte 2007 das Konzept dafür entwickelt. Die IFD beauftragte die Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer mit der juristischen Konstruktion der AG, die Gutachten vorlegte, wie die Beratung für die Kommunen de facto obligatorisch wird. Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände unterzeichnen dafür eine "Rahmenvereinbarung" mit der ÖPP Deutschland. Die Kommunen können dann schnell und ohne Ausschreibung auf die Beratung der AG zugreifen.
Das Freshfields-Gutachten beschrieb auch, wie sich die gesetzlich vorgeschriebene Aufsicht über PPP-Projekte aushebeln lässt, nämlich indem man festlegt, dass im Fall einer Beratung "keine weiteren Prüf- und Kontrollerfordernisse mehr erforderlich werden". Und die Rechnungshöfe sollten sich sowieso am besten ganz ‘raushalten: So soll "der Bundesrechnungshof nach seinem Ermessen die Prüfung beschränken und Rechnungen ungeprüft lassen. Entsprechende Vorschriften gibt es auf Länderebene."
Es wiederholt sich dasselbe Ritual, nach dem im Wirtschaftsleben die politischen Voraussetzungen für das reibungslose Funktionieren der VW-Abgas-Schummelei gelegt wurden: Wirtschaft und Politik reichen einander die schmutzigen Hände, um alle Kontrollen aus der Welt zu schaffen und eine mafiöse Struktur zu etablieren, in der die Betrüger aller Ebenen frohen Mutes und ungehemmt miteinander verkehren können.
Das Gutachten regte an, "dass der jeweilige Rechnungshof z.B. auf eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeitsberechnung … verzichten kann, weil er keinen Anlass für die Fehlerhaftigkeit der Berechnung … sieht und von deren Fehlerlosigkeit ausgeht". Ein solches Maß an Unfehlbarkeit beansprucht in der übrigen Welt nur noch der Papst für Erklärungen, die er ex cathedra verkündet… und bezieht dafür von vielen Kritikern heftige verbale Prügel.
Und schließlich: "Die Zertifizierungswirkung gegenüber den Kommunalaufsichten könnte sich dahingehend entfalten, dass die Kommunalaufsicht bei PPP-Projekten …. ihren Prüfungsmaßstab verringert oder diesen PPP-Projekten grundsätzlich ohne Prüfung zustimmt." Die Innenministerien der Länder könnten eine Weisung erteilen: "Die Prüfaufsicht könnte also durch Verwaltungsvorschrift beschränkt werden."
Der deutsche Steuerzahler finanzierte die ÖPP Deutschland AG zunächst mit über 10 Millionen Euro. Insgesamt erhielt die ÖPP Deutschland AG für Grundlagenarbeit und Beratungsleistungen noch einmal fast dreieinhalb Millionen Euro vom Staat. Kein Zweifel: Damit hat der Staat sich als Financier für den Lobbyismus der Industrie missbrauchen lassen. Der Staat hat sich zum willigen Helfer der Lobbyisten gemacht.
An der ÖPP Deutschland hält der Staat mit 57 Prozent die Mehrheit. 43 Prozent gehören der privaten Wirtschaft. Die spezielle Konstruktion ist also zugleich privat und öffentlich. So kann die AG bei ihren Kundenberatungen stets ihren staatlichen Charakter betonen. Das Etikett der Staatlichkeit erweist sich als nützlich; denn die Kundschaft sind Gemeinden, Städte, Länder und der Bund.
Die ÖPP Deutschland AG agiert in einem Geschäftsfeld, in dem die Platzhirsche eben jene Konzerne und Banken sind, die sich an ihr beteiligen: rund 70 Firmen von der Deutschen Bank, der Commerzbank, dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband, der Arvato, Bilfinger Berger, Dussmann Service, Hochtief bis zum Hauptverband der Deutschen Bauindustrie - versammelt ist so ziemlich alles, was in der Industrie und Finanzgewerbe Rang und Namen hat.
Der Markt mit öffentlich-privaten Partnerschaften wurde so für Banken, Berater und Baukonzerne immer größer. Die ÖPP Deutschland AG ist der lebende Beweis dafür, dass sich die Wirtschaft immer tiefer in den Staat einnistet. Dort leistet sie, gewissermaßen verkleidet als neutrale Beratung, systematische Lobbyarbeit für die Privatisierung öffentlicher Aufgaben. So nach und nach schafft sich die Demokratie selbst ab. Und die Vertreter des Staates spielen dabei die Rolle der Steigbügelhalter.
Kritische Experten bezeichnen die ÖPP Deutschland AG als "zwielichtig". Dass sich so viele Politiker trotzdem darauf einlassen, hat einen einzigen Grund. Durch die Stückelung der Zahlung über einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren lassen sich Haushaltsbeschränkungen umgehen und Lasten in die ferne Zukunft verschieben.
In der Regel versprechen die privaten Unternehmen die Rückgabe des öffentlichen Eigentums nach 15 bis 30 Jahren. Bis es so weit ist, können die privaten Investoren es nach Belieben ausquetschen und unterliegen dabei noch nicht einmal einer demokratischen Kontrolle.
Dabei sind die meisten PPP-Projekte für die öffentliche Hand wesentlich teurer als eine Eigeninvestition. Das haben der Bundesrechnungshof und die Landesrechnungshöfe für die Mehrzahl der Projekte festgestellt.
Dass profitorientierte Wirtschaftsunternehmen teurer sein müssen als kostenorientierte Behörden, hätte man sich eigentlich von Anfang an denken können. Schließlich müssen die gute Gewinne erzielen und bekommen Kredite zu schlechteren Bedingungen als die öffentliche Hand. Aber wie soll man das demokratisch gewählten Volksvertretern auf der verzweifelten Suche nach Geldern und Problemlösungen klarmachen? Die sind doch heilfroh, wenn sie irgendwo auf Geldquellen stoßen und fragen nicht nach irgendwelchen Spätfolgen. Und die wollen doch gar nicht kostengünstig operieren. Hauptsache der Geldfluss kommt wieder in Gang, und sie selbst sind aus dem Schneider. Das ist der Fluch der Konstruktion, dass die gewählten Repräsentanten nicht mit ihrem eigenen Geld haften, keinerlei Verantwortung tragen und nach Belieben über das Geld fremder Leute verfügen.
Dabei greifen die Politiker auf ihre altbewährten Ganoventricks zurück, mit denen sie schon immer die Bevölkerung hinters Licht geführt haben: Am Anfang jedes PPP-Projekts wird alles kleinklein gerechnet, die richtig gewaltigen Kosten kommen erst nach ein paar Jahren auf die Steuerzahler zu.
Die Repräsentanten bürden also die hohen Kosten künftigen Generationen auf und behaupten auch noch dreist, dass sie genau das mit der Schuldenbremse verhindern. Die Schulden werden langfristig nicht weniger, sondern mehr. Eine "Finanzierungsillusion" nennt das Holger Mühlenkamp, Ökonomie-Professor an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Für ihn steht fest: "Da ist eine große Koalition aus Politik, Industrie und Bankenwirtschaft auf Kosten des Steuerzahlers am Werk."1
Nackte Bürger-Verarschung müsste das ein nicht so professoraler Beobachter nennen.
Tatsächlich hat vor allem die gesetzliche Schuldenbremse den Boom dieser verdeckten Schuldenmacherei ausgelöst; denn so kann die Politik offiziell weniger Schulden machen und trotzdem mehr Geld ausgeben. ÖPP liefert kurzfristig einen Ausweg. Allerdings nur kurzfristig. Langfristig bindet man so die Haushalte auf unabsehbare Zeiten.