Data Trash: Die Theorie der virtuellen Klasse
- Data Trash: Die Theorie der virtuellen Klasse
- Kruder Kapitalismus und technische Vision
- Wille zur Virtualität
- Das politische Programm der virtuellen Klasse
- Die Verbunkerungsmentalität der virtuellen Klasse
- Auf einer Seite lesen
Arthur Kroker im Gespräch mit Geert Lovink
Meist bezeichnet man sie als die Info-Elite, der kanadische Medientheoretiker nennt sie Angehörige der virtuellen Klasse: die Technokraten der Informationsgesellschaft. Sie schaffen die Tools, versuchen, sie an den Mann zu bringen, sind Missionare, die für den Eintritt ins Netz, für die Digitalisierung von allem und jedem werben, und produzieren den Datenmüll. Sie sind, wie Newt Gingrich, liberal in Wirtschaftsfragen und konservativ in gesellschaftlichen Belangen. Geert Lovink, Mitbegründer der Digitalen Stadt und der anarcho-fröhlichen Bilwet Agentur, spricht mit Arthur Kroker über den Willen zur Virtualität. XYZ
Eine nihilistische Klasse
Der kanadische Medientheoretiker und Politologe Arthur Kroker ist Autor von Büchern wie "The Possessed Individual", "Spasm" oder "Hacking the Future" und Gründer der Zeitschrift CTheory, die es seit einiger Zeit auch im Internet gibt. Seit einiger Zeit ist er auch in Europa bekannt, reist mit Marilouise Kroker von einer Veranstaltung zur anderen und hält oft mit ihr zusammen einen der im französischen Stil der Theoriepoesie gehaltenen Vorträge oder gleich eine theoretische Performance. Mit Data Trash, das er zusammen mit Michael Weinstein, einem politischen Philosophen, Rap-Dichter und Fotografiekritiker aus Chicago geschrieben hat (St. Martin's Press, New York 1994), ist alles anders geworden. Fest verankert in der europäischen Philosophie, aber ihr nicht gänzlich verhaftet, hat Arthur Kroker sein Thema gefunden: die virtuelle Klasse - und damit den Ansatz zu einer politischen Theorie.
Warum besitzt diese neue Klasse kein eigenes Klassenbewußtsein?
KROKER: Wenn sie eines hätte, so wäre sie als entstehende Klasse verurteilt. 'Data Trash' handelt von einem suizidalen und passiven Nihilismus, wie ihn Nietzsche in seiner 'Genealogie der Moral' vorausgesagt hatte. Unter virtueller Realität verstehen wir die demütigende Reduktion der Menschen auf Hilfsmechanismen oder, wie Heidegger sagen würde, auf eine ständige Reserve. Es ist die Demütigung des Fleisches, das aufgestöbert, getestet und von den Erntemaschinen der VR-Scanner verschluckt wird.
Wir sprechen von der rekombinierten Warenform in einer Ökonomie, die auf der biologischen Logik des Klonens, der Verpflanzung und der Resequenzierung beruht - auf dem virtualisierten Austausch, auf der Ersetzung der Konsumkultur durch das Begehren, einfach zu verschwinden, indem man vom Einkaufen dazu übergeht, den eigenen Körper in ein Warenzeichen zu verwandeln.