Data Trash: Die Theorie der virtuellen Klasse
Seite 2: Kruder Kapitalismus und technische Vision
- Data Trash: Die Theorie der virtuellen Klasse
- Kruder Kapitalismus und technische Vision
- Wille zur Virtualität
- Das politische Programm der virtuellen Klasse
- Die Verbunkerungsmentalität der virtuellen Klasse
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Nachdem die Mauer in Berlin gefallen ist und jeder den Marxismus aufgegeben hat, kehren Kroker und Weinstein zu Marx zurück, um den Übergang des Kapitalismus in eine Phase zu verstehen, die von der reinen Ware bestimmt wird. In Amerika zu leben, heißt nicht zu versuchen, mit den Medien zurechtzukommen. Der Körper bewegt sich immer in der Geschwindigkeit der Medien. "Data Trash" beginnt mit zwei fundamentalen Einsprüchen: gegen die techno-utopische Position von Howard Rheingold in seinem Buch Virtuelle Gemeinschaften (der sich von dem Rheingold nach seiner Erfahrung mit Hot Wired unterscheidet) und gegen Neil Postmans neokonservativer Haltung. Auf der anderen Seite kritisiert es jede Form des technologischen Determinismus, der behauptet, daß wir keine Alternativen hätten. Es gibt wirkliche Widersprüche und eine ganze Reihe von Brüchen, selbst in der als geschlossen geltenden virtuellen Klasse. Für Kroker/Weinstein ist das Feld der politischen Auseinandersetzung ganz offen. Politisch gesehen ist der Platz der virtuellen Klasse bereits besetzt.
KROKER: Wenn man auf Rheingold sieht, der in pessimistischer Stimmung sagt, daß 'in Amerika alles vorbei' sei, und damit meint, daß das Internet zu teuer ist, dann ist das nicht richtig. Das ist eine der sich selbst erfüllenden Behauptungen, die danach trachten, daß Internet als öffentliche Einrichtung zu ersetzen und klammheimlich die kommerzielle Übernahme der Datenautobahn zu rechtfertigen. Es gibt in Amerika viele Konflikte. Es ist nicht alles vorbei. Rheingold bringt hier nur eine bestimmte Weltanschauung zur Geltung und macht sie total. Das macht die Ideologie stets.
Aber ist diese Klasse nicht als ganze virtuell in dem Sinne, daß sie unsichtbar, zerstreut und ohne klar formulierte Klasseninteressen ist?
KROKER: Wir haben Untersuchungen in vielen Ländern durchgeführt, um die unterschiedlichen Klassensegmente zu verstehen. Was würde die virtuelle Klasse in Frankreich im Unterschied zu Amerika oder Kanada kennzeichnen? Es stellt sich in jedem Fall heraus, daß es sich um eine seltsame Mischung aus einem räuberischen Kapitalismus und einer visionären Computersicht handelt. Aber es fällt auf, daß es eine kohärente Klasse mit ziemlich eindeutigen objektiven Zielen ist. Sie muß die Arbeiterklasse unterdrücken. In Nordamerika muß man sie innerhalb des Rahmens der NAFTA-Abmachungen einordnen. Sie friert die Arbeiterklasse und die untere Mittelklasse an Orten ein, so daß sie sich nicht ohne weiteres über nationale Grenzen bewegen kann. Wenn die Arbeiter dagegen aufbegehren, so setzen sie den Mechanismus des disziplinären Staates ein. Das ist die strafende Seite der virtuellen Klasse.