Data Trash: Die Theorie der virtuellen Klasse

Seite 5: Die Verbunkerungsmentalität der virtuellen Klasse

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Die virtuelle Klasse ist grausam und hart

Das Programm der virtuellen Klasse ist ein Fluch für diejenigen, die draußen bleiben. Es handelt sich nicht um eine feindliche Position, sondern einfach um eine Geringschätzung jener Angehörigen der Arbeitsklasse, die keinen Zugang zum Netz besitzen und die neue universelle Kommunion nicht erleben können. Jetzt sieht man die virtuelle Klasse dabei, das Netz dicht zu machen, aber ihre Angehörigen empfinden lediglich Verachtung für die verschwundenen Ideen, die sie am liebsten den blauäugigen utopischen Denkern zuordnen würden, die eine demokratische Nutzung des Internet jenseits der staatlichen Hindernisse fordern. Doch wenn sie herausgefordert werden, kämpfen sie für ihre Klasseninteressen und unterdrücken die Angehörigen von konkurrierenden, in Opposition zu ihnen befindlichen Klassen.

Flucht in den Willen zur Ohnmacht

Die virtuelle Klasse hat eine verführerische Seite, aber andererseits verfolgt sie eine Politik der Konsolidierung. Diese Politik macht die Wirklichkeit aus, in der wir gegenwärtig leben. Es ist eine grausame, harte und zutiefst faschistische Klasse, weil sie mit den Mitteln des Disziplinarstaates agiert und wirkliche Sparprogramme durchdrückt, um die ihnen zugute kommenden Forschungsmittel zu erhalten. Gleichzeitig kontrolliert sie politisch die Arbeiterklasse durch strenge Besteuerung, um sicher zu gehen, daß die Menschen ökonomisch nicht beweglich sind und selbst kein Kapital akkumulieren können. Hinsichtlich der Länder der Dritten Welt handeln sie in klassisch faschistischer Weise. Sie setzen eine strenge Anti-Immigrationspolitik im Namen eines Humanismus durch, der nur aus Gesten besteht. Sie schotten ihre eigene lokale Bevölkerung vom Einfluß der Immigranten durch die Schaffung eines "Bunkerstaates" ab, indem sie dem Willen zur Reinheit nachgehen. So kann die virtuelle Klasse die 'ethnische Säuberung' durch die Medienberichterstattung tolerieren. Die westliche Reaktion auf den Genozid in Bosnien ist dafür symptomatisch. Zynische Demut ist eines der wirklichen Merkmale der Politik des liberalen Faschismus, und Clinton ist ein typischer Repräsentant dieser Politik.

Es geht uns hier nicht um einen 'Willen zur Macht' oder einen 'Zerfall der westlichen Zivilisation', sondern um ein "Zurücklehnen des Westens' und einen 'Willen zur Virtualität'. Derjenige, der sich zurücklehnt, ist der neue repräsentative Schauspieler auf der Bühne der Weltgeschichte. Am besten wird er in der Fernsehserie 'The Simpsons' dargestellt: 'Schieb es einfach auf den Kerl, der kein Englisch kann, oh, er arbeitet für mich.' Wirklich retrofaschistische Ideen werden in den Mund von Comicfiguren gelegt. Bill Clinton ist der perfekte Repräsentant dieses schwachen Willens, voll von moralischen Schwankungen, aber zugleich autoritär. Er kann genauso frohgemut und mit demselben Grad an moralischer Beruhigung die umgekehrte Position einnehmen. Die Haltung, sich in den schwachen Willen zurückzulehnen, in den 'Willen zur Ohnmacht', kennzeichnet die Gesellschaft des Verschwindens.