Dauersumpf NSU
Seite 3: Schauplatz Untersuchungsausschuss Thüringen: Machtkampf mit dem Innenministerium
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Am selben Tag geht in Erfurt die Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses von Thüringen weiter. Und damit ein monatelanger Machtkampf mit dem Innenministerium. Drei Beamte des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) hat das Gremium als Zeugen geladen, Auswerter im Bereich Rechtsextremismus. Die Abgeordneten wollen ergründen, wie sehr die rechte Szene, aus der das NSU-Trio kam, mit dem Bereich OK (Organisierte Kriminalität) zusammenhing.
Doch das Innenministerium hat den Beamten nur erlaubt, in nicht-öffentlicher Sitzung auszusagen. Das hält der Ausschuss für witzlos, weil er dann auch in seinen öffentlichen Sitzungen Zeugen nicht mit dem konfrontieren könnte, was er in nicht-öffentlicher Sitzung erfahren hat. Seine Arbeit wäre blockiert, und die Öffentlichkeit wäre aus dem Ausschuss eliminiert.
Bis vor einem halben Jahr hatte man sich auf ein Verfahren geeinigt, nach dem schutzwürdige Zeugen anonym in einem besonderen Raum ohne Publikum vernommen werden. Die Befragung wurde live in den Sitzungssaal übertragen. Die Zeugen waren nicht zu sehen, aber zu hören.
Doch im August 2017 hat das Innenministerium (MIK - Ministerium für Inneres und Kommunales) dieses Verfahren aufgekündigt. Damals wollte der Ausschuss drei ehemalige LfV-Beamte hören. Auch ihnen erlaubte das MIK nur, nicht-öffentlich aufzutreten. Daraufhin schickte der Ausschuss die Zeugen wieder nach Hause. Nun im Januar 2018 das selbe Spiel. Die Landesregierung, immerhin aus den Farben Rot Rot Grün zusammengesetzt, versucht die Regeln eines Parlamentgremiums zu beeinflussen.
Gerade mal eine Handvoll Journalisten und Zuhörer verfolgt die Sitzung. Auf der Landtagswebseite stehen zwar die Termine, aber nicht die Zeugen.
Fall "Dienel - Menzel"
So wenig man vom Machtkampf um die VS-Zeugen erfährt, so wenig auch von der Auseinandersetzung um den Fall "Dienel - Menzel". Thomas Dienel war ein ehemaliger NPD-Funktionär und V-Mann des Verfassungsschutzes. Michael Menzel ist ein hoher Polizeibeamte, der in der NSU-Geschichte eine tragende Rolle spielt. In seinen Händen lagen die Ermittlungen nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos in Eisenach.
Im Juni 2001 hatte Dienel gegenüber zwei Kriminalpolizisten aus Weimar hochbrisante Aussagen gemacht: über gestohlene Computer aus dem Innenministerium, über Intrigen im Verfassungsschutz und Geschäftsleute, die in der rechtsextremen Szene Auftragskiller suchten.
Dienel hatte auch Kontakte in die jenaer Szene und kannte Tino Brandt vom Thüringer Heimatschutz. Die Kriminalbeamten fertigten von seiner Aussage ein Protokoll, das jener Michael Menzel am Tag darauf konfiszierte. Außerdem soll er die Löschung im Computersystem angeordnet haben.
Menzel bezeichnete das als Lüge. Er habe nie die Löschung des Dokuments angeordnet. Eingezogen habe er es, um es zu prüfen und die Staatsanwaltschaft Erfurt zu informieren. Dazu sei er von seinem Vorgesetzten, dem Leitenden Polizeidirektor Roland Richter, beauftragt worden. Der habe ihm eine Kopie des Protokolls überreicht und ihn nach Weimar geschickt, um das Original zu holen.
Im Untersuchungsausschuss erklärt jetzt Oberstaatsanwalt Rainer Kästner-Hängst, der mit dem Vorgang befasst war, damals im Jahr 2001 habe es kein Schreiben von Menzel an seine Behörde zu dem Dienel-Protokoll gegeben. Erst im März 2003, also fast zwei Jahre später, sei von Menzel ein Vermerk gekommen, in dem auf die Angaben Dienels Bezug genommen wird. Angeregt werde darin ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachtes der Verletzung eines Dienstgeheimnisses.
Dann folgt der Zeugenauftritt von Roland Richter, dem damaligen Menzel-Vorgesetzten, inzwischen im Ruhestand. Er will sich an gar nichts mehr erinnern können, weder an das Dienel-Protokoll noch an das Gespräch mit Menzel noch an die Überreichung der Protokoll-Kopie noch woher er das Papier eigentlich gehabt hatte.
Die Abgeordneten können es nicht glauben, geben dem Polizeidirektor im Ruhestand aber eine zweite Chance. Er soll sich aktenkundig machen und dann erneut als Zeuge erscheinen.