Deflationstendenzen verstärken sich
Trotz fallender Preise und einbrechender Erzeugerpreise darf von Deflation nicht gesprochen werden
Das Wörtchen Deflation macht Angst (Neuer Börsensturz und die Angst vor der Deflation). Deshalb darf es offenbar nicht benutzt werden, auch wenn die Deflationstendenzen immer deutlicher und stärker werden und zwar weltweit. Erstmals hat nun das Statistische Bundesamt (Destatis) eine so genannte negative Inflationsrate in Deutschland ermittelt. Der Verbraucherpreisindex für Deutschland sei im Juli 2009 gegenüber Juli 2008 um 0,5 % gesunken. "Eine so niedrige Inflationsrate wurde in der Bundesrepublik seit der Wiedervereinigung noch nicht berechnet." Im Mai hatte es noch einen leichten Anstieg von 0,1 % festgestellt und im Juni eine Preisstagnation.
Komischerweise will man in der Behörde aber trotz einem deutlichen Preisabfall im Juli nicht von Deflation sprechen. Man führt ausgerechnet "Preisschwankungen bei leichtem Heizöl und Kraftstoffen (Mineralölprodukten)" an. Doch wie hat sich denn der Ölpreis in den vergangenen Monaten entwickelt? Seit Monaten ist er deutlich gestiegen. Am Mittwoch hat er sogar die Marke von 72 US-Dollar überschritten. Bisweilen lag er sogar nahe 74 Dollar. Im Mai kostete das Barrel aber nur knapp 60 Dollar und im April waren es sogar etwa 10 Dollar weniger. Wie Destatis daraus eine Vergünstigung der Energiepreise herbeiinterpretiert, ist das Rätsel aus Wiesbaden. Noch dazu, da ja nicht vom Jahresvergleich gesprochen wird, sondern ein Preisverfall von 0,5 % im Juli gegenüber Juni festgestellt wurde, obwohl der Ölpreis deutlich gestiegen ist.
Die Aussichten sind sogar noch trüber, weshalb ernsthaft mit einer gefährlichen Stagdeflation gerechnet werden kann. Denn die Erzeugerpreise, also die Vorausschau für zukünftige Preise, sind im Juli so stark wie noch nie zuvor gesunken. Auch das musste Destatis gerade mitteilen. Im Jahresvergleich seien sie um 7,8 Prozent gefallen: "Das ist der stärkste bislang gemessene Preisrückgang im Vorjahresvergleich seit Beginn der Erzeugerpreisstatistik im Jahr 1949. Damit lagen die Erzeugerpreise im Juli 2009 wieder etwa auf dem Niveau vom Mai 2007." Damit wird noch merkwürdiger, dass man bei den Statistikern keine Deflationstendenzen sehen will. Wird nun auch in Wiesbaden vor den Wahlen Realität nur noch simuliert, weil reale Einschätzungen die Propaganda, wonach das Schlimmste überstanden sei, eintrüben könnten?
Doch wer glaubt, es handele sich bei der Preisentwicklung um ein deutsches Problem, der oder die liegt ganz falsch. Deutschland hinkt auch hier hinterher und der Preisverfall ist sogar noch moderat. In Japan brechen die Preise schon seit langem auf breiter Front ein. Die Deflationsgeprüften Japaner haben auch frühzeitig eingeräumt, dass sich die zweitgrößte Ökonomie erneut in einer Deflation befindet. Ähnlich entwickelt sich die Lage in den USA. Dort haben sich im Juni die gefährlichen Deflationstendenzen weiter verstärkt. Die Preise waren im Juni so stark gefallen wie seit Anfang 1950 nicht mehr. Sie lagen um 1,4% unter dem Niveau des Vorjahresmonats. Doch im Juli wurde nun ein neuer Rekord aufgestellt. Das US-Arbeitsministerium teilte vergangene Woche mit, dass die Lebenshaltungskosten nun schon um 2,1% unter denen des Vorjahresmonats lagen.