Demokratisches Schattenboxen
USA: Die Demokratische Partei kommt unter Druck und setzt auf ein fatales Einverständnis mit den Republikanern, während im Hintergrund Trump auf seine Chancen lauert
Das Jahr neigt sich dem Ende und die Demokratische Partei gerät langsam unter Druck, denn bisher haben es die Parteimitglieder nicht geschafft, den "Build back Better"-Gesetzesentwurf zu verabschieden. Auch sind nicht alle in der Partei dazu bereit, die nötigen politischen Schritte zu gehen, um die Wahlrechte in verschiedenen Staaten und damit vielleicht ihre knappe Mehrheit im Senat rechtzeitig vor den Zwischenwahlen im nächsten Jahr zu schützen.
Präsident Bidens Vision für eine zwei-parteiliche Politik scheint vermessener denn je in Zeiten, in denen der republikanische Abgeordnete Maett Gaetz schon jetzt ankündigt, die Vorstellung, man würde nach einer erfolgreichen Übernahme des House of Congress "mit Demokraten im warmen Frühlingsregen Händchen halten", sei ein "Hirngespinst". Stattdessen möchte Senator Gaetz sich eher darum bemühen, Donald Trump zum Sprecher des Hauses zu machen.
Nun ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine leere Drohung handelt, denn Trump würde sich höchstwahrscheinlich nicht mit einer niedrigeren Position als der Präsidentschaft zufriedengeben. Dennoch ist es ein klares Signal der radikaleren Republikaner im Kongress an die Demokratische Partei und republikanische Senator:innen, dass weite Teile der Partei nicht an einer Zusammenarbeit mit den Demokraten interessiert sind.
Falsche Politik der Verständigung
Warum Bidens Partei immer wieder versucht, in Einigkeit mit der republikanischen Partei regieren zu können, bleibt ein Rätsel. Schon Obama träumte von einer großen Einheit beider Parteien und war stets darauf bedacht, die Republikaner nicht durch allzu radikale Gesetzgebungen zu verprellen. Während er sich als Senator noch für "Medicare for all" einsetzte - damals noch unter dem Namen "single-payer health-care" bekannt -, entschied er sich in seiner Zeit als Präsident gegen eine solch weitreichende Gesetzgebung.
Stattdessen verabschiedeten die Demokrat:innen unter Obama eine eher marktbasierte Reform, die vor allem die Versicherer entlastete. Das klingt nicht zufällig nach einer Idee, die einem konservativen Thinktank entsprungen sein könnte, tatsächlich stammte die Grundidee für den Gesetzesentwurf laut Präsident Obama von der Heritage Foundation.
Joe Bidens Administration (27 Bilder)
Nun setzt sein damaliger Vize- und jetzt amtierender Präsident Joe Biden diese Politik der Verständigung fort und legitimiert dadurch eine politische Kultur innerhalb der Demokratischen Partei, die es einzelnen Senator:innen erlaubt, Gesetzentwürfe der eigenen Partei zu blockieren, indem sie sich auf eben diese Fantasie des "Bipartisanship" beziehen.
Dies kommt den Demokraten nun teuer zu stehen, denn, um auf die demokratiefeindlichen, diskriminierenden Wahlgesetzgebungen in Republikanischen Staaten auf Bundesstaatlicher Ebene reagieren zu können, müssen sie entweder eine beträchtliche Anzahl (17) von Senator:innen der Gegenpartei davon überzeugen, mit ihnen zu stimmen, um die vorgeschriebenen 67 Stimmen zu erhalten, oder sie müssen die Spielregeln ändern.
"Nukleare Option"
Um den "Filibuster" abzuschaffen, also eben jene Regelung, die es der Republikanischen Minderheit im Senat erlaubt, bei einer geringeren Mehrheit, die Diskussion ewig in die Länge zu ziehen, müssten alle 50 Demokrat:innen im Senat einheitlich abstimmen.
Zum Ende des Jahres ist es der Demokratischen Regierung scheinbar peinlich, dass sie bisher weder in der Lage war, Bidens "Build Back Better"-Plan durchzusetzen, eine etwas blasse Version des "New Deal", geschweige denn, ihre Wählerschaft in Republikanischen Staaten vor neuen diskriminierenden Wahlgesetzgebungen zu schützen.
Der Abschaffung des Filibuster steht vor allem der konservative Senator Joe Manchin aus dem Bundesstaat West Virginia im Weg. Aktuell startet ein Gruppe von Senatoren (Tim Kaine, Jon Tester und Angus King) einen letzten Versuch, Manchin von dieser "Nuklearen Option" zu überzeugen - also von einer Änderung der Senatsregeln ohne Unterstützung durch Mitglieder der Republikanischen Partei.
Das gilt im Übrigen auch für seine Kollegin, die Demokratische Senatorin Kyrstin Sinema, die zwar angeblich für eine Einmischung der Bundesregierung in das Wahlrecht der einzelnen Staaten ist, aber nur unter der Bedingung, dass ein solcher Gesetzesentwurf von beiden Parteien getragen würde.
Diese Strategie blamiert die Demokratische Partei und das Weiße Haus sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Derzeit erschwert der texanische Senator und Trump-Loyalist Ted Cruz die Bestätigung durch den Senat einiger von Präsident Biden neu ernannter Diplomat:innen. Auch hier unterhält sich Manchin lieber mit den moderateren Republikaner:innen über eine Lösung und schließt die "Nukleare Option" aus.
Demokrat Manchin zeichnet sich, abgesehen von seinem Engagement für zweiparteiliche Politik und seiner Sorge um Inflation, vor allem durch seine Nähe zur Kohle-, Pharma-, Öl-, Gas-, Tabak- und Finanzindustrie aus. Diese Kombination aus Interessensvertretung und konservativer monetärer Politik ist auch ein Grund für Manchins ablehnende Haltung gegenüber Bidens "Build Back Better"-Plan.
Derzeit scheitern die Verhandlungen mit dem Weißen Haus angeblich an Manchins Sorge, der in den Rahmenbedingungen des Plans vorgesehene "Kindersteuerabzug, in Form von monatlichen Zahlungen, könnte als zusätzliches monatliches Einkommen verstanden werden". Eine kaum verständliche Sorge - würde eine sozialere Politik der Demokratischen Partei doch durchaus gut zu Gesicht stehen. Genauso unverständlich wie die Weigerung von Parteimitgliedern wie Manchin und Synema, die Abschaffung des "Filibusters" zu unterstützen.
Das gängige Argument gegen die "Nukleare Option" ist, dass diese, wenn sie ständig von der regierenden Partei gebraucht würde, nachhaltige politische Lösungen unmöglich macht.
Fakt ist: Die Republikanische Partei ist ihrerseits gerade dabei, die Regeln auf Staatenebene so zu ändern, dass immer mehr Menschen von demokratischer Teilhabe ausgeschlossen werden.
Tatsachen schaffen
Außerdem könnten die Demokraten endlich in Betracht ziehen, wie schwer es einer Republikanischen Regierung fallen würde, sozialere Gesetzgebungen rückgängig zu machen. Ironischerweise ist Ex-Präsident Obamas "Affortable Care Act" hierfür das beste Beispiel.
Trotz seines Wunschs nach zweiparteilichen zentristischen politischen Lösungen versuchte die republikanische Partei alles, um auch diese kleine Linderung sozialen Elends erst zu verhindern und später, unter Trump, aufzuheben. Am Ende mussten sich die Partei dem Willen ihrer eigenen Wähler:innen beugen und "Obama Care" ist noch heute existent.
Die Demokratische Partei und Biden sind also gut beraten, sich nicht mit einer Fantasie des "Bipartisanship" aufzuhalten, sondern Tatsachen zu schaffen. Wer weiß, vielleicht lassen sich mit einer sozialeren Plattform sogar ein paar Wählerherzen zurückgewinnen. Momentan sehen die Umfragewerte nicht so aus als hätten die Demokraten viel zu verlieren.