Den Bock zum Gärtner machen

Seite 2: Das Wunder der Märkte

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Das Geheimnis des Kapitalismus sind funktionierende Märkte, die nicht nur die kaufkräftige Nachfrage von heute befriedigen, sondern auch Produkte entwickeln, für die es heute noch keine Nachfrage gibt, weil sie noch niemand kennt.

Nikolaus Piper

Ein weiterer entscheidender Grund für die Unschlagbarkeit der kapitalistischen Menschheitsbeglückung: Den Unternehmern liegen die noch nicht existierenden Bedürfnisse ihrer gegenwärtigen Kunden derart am Herzen, dass sie es als ihre vornehmste Aufgabe begreifen, sich Produkte auszudenken, die das ohnehin bereits hohe Glücksniveau der Bürger immer noch weiter anzuheben in der Lage sind. Nicht der konkurrenzgetriebene Zwang zur Verwertung ihres Kapitals - das nie unterbeschäftigt sein darf, soll es seinen Zweck erfüllen, nämlich profitabel zu sein -, treibt die Unternehmer zu immer neuen Produkt"innovationen", sondern der tiefgründige Drang, den Kunden Gutes zu bescheren.

Seines diesbezüglichen Urteils ganz sicher ist sich Piper aber auch hier nicht, denn eigentlich gelte: "Für sich genommen sind Märkte weder klimafeindlich noch -freundlich." Sie sorgen ja auch nur dafür, dass, egal was auch immer, seine zahlungskräftige Nachfrage findet: Dem Markt ist es gleichgültig, ob er Erdöl oder Erdnüsse unter's Volk bringt, womit seine Unschuld eigentlich schon hinreichend bewiesen wäre, aber eben noch nicht ganz. Denn eben diese Gleichgültigkeit gegen die Art und die Wirkungen der durch ihn zur Verbreitung gelangenden Produkte schafft ja auch Probleme, und dafür braucht es dann doch noch den Staat. "Aber Regierungen können sie (die Märkte, R.W.) durch kluge Hebel für die Klimapolitik einsetzen." Was der alternativlose und großartige Markt an weniger großartigen Wirkungen hervorruft, soll dann eben die Politik durch geeignete Lenkungsmaßnahmen korrigieren helfen. Kein Loblied ohne Misstöne.

Nun gibt es bei Märkten und der Klimapolitik tatsächlich ein fundamentales Problem. Das gerettete Weltklima wäre das, was Ökonomen ein "öffentliches Gut" nennen, also eines, dessen Nutzen nicht auf jene beschränkt werden kann, die zu seiner Entstehung beigetragen haben.

Nikolaus Piper

Aufgemerkt, damit ist nicht die klimatische Schädigung der unterentwickelten Länder dieser Welt durch die Industrienationen gemeint. Um die Verantwortung der Schädiger den Geschädigten gegenüber geht es hier gerade nicht. Hier geht es vielmehr darum, dass von den Klimaschutzbemühungen der kapitalistischen Zentren dummerweise auch jene profitieren könnten, die sich weigern, ebensolche auf den Weg zu bringen und dafür Geld auszugeben. "Wenn Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigt, dann hat die ganze Welt etwas davon. Die Kosten aber trägt Deutschland allein." Das möge der Schöpfer verhüten, "deshalb geht es nicht ohne internationale Vereinbarungen, wie etwa das Pariser Klimaabkommen".

"Vom Nutzen der Märkte" können wir nämlich nur dann ein erkleckliches Stück einheimsen, wenn die anderen mit uns um Weltmarktanteile konkurrierenden Nationen - und zwar auf ihre eigenen Kosten - ebenfalls mit dazu beitragen, dass auch wir als Mitverursacher von Klimaschäden in den Genuss des "öffentlichen Gutes" namens Klimaschutz gelangen. Soviel Gerechtigkeit muss schon sein.

Geschäft mit Katastrophen

Einen weiteren Beleg für den "Nutzen der Märkte" findet Piper in der "Geschichte des Münchner Dax-Konzerns Munich Re", dessen Geschäftsmodell darin besteht, "anderen Versicherungen ihre Großrisiken abzunehmen", die aus Extremwetterlagen resultieren können.

Die Schadensforscher der damaligen Münchner Rück entdeckten ziemlich früh, dass der Treibhauseffekt von Kohlendioxid in der Atmosphäre zu mehr Extremwetter führen und deshalb für die Wirtschaft sehr teuer werden kann. Im Jahr 1974 gründete die Münchner Rück daher eine eigene Abteilung für "Georisiken". Seither gehört das Unternehmen zu den Pionieren der Erforschung von Klimarisiken. Und das aus dem urkapitalistischen Motiv heraus, den Kunden ein gutes Produkt zu liefern und das Kapital der Aktionäre ertragreich zu investieren. "Profitgier" nennt man das heute.

Nikolaus Piper

Fehlende Ehrlichkeit kann man Piper nicht absprechen:Eer bekennt rundheraus, dass er es für vollkommen in Ordnung hält, aus kapitalistisch erzeugten Naturkatastrophen auch noch guten Profit schlagen und dadurch die Aktionäre des Versicherers zufrieden stellen zu können

Nicht weniger freimütig bekennt Piper, daß das Traktieren der Konsumenten mit Verzichtsforderungen nichts bringt, wie er durch den "Chefklimatologe(n) der Munich Re" bekunden lässt: "Sicher ist es gut, weniger zu fliegen und weniger Fleisch zu essen. Ich fürchte nur, daß wir das Problem verniedlichen, wenn wir überall den Aufkleber ‚Verzicht‘ draufpappen."

Man darf dem Mann unterstellen, dass er weiß, wer die eigentlichen Großverursacher der Klimaschäden sind. Nicht nur dass mit dem Konsumentenbashing die Falschen getroffen würden, will er damit sagen. Es bedeutete darüber hinaus, dass ein ernsthaft betriebener Konsumverzicht auch das Geschäft der Klimaschädiger in Mitleidenschaft ziehen würde. Und wer kann das schon wollen?

Den FFFs muss Piper leider bescheiden, dass sie auf dem Holzweg sind:

Man kann Inlandsflüge, SUVs und andere Symbole in Deutschland vielleicht verbieten. Es hilft nur (fast) nichts.

Nikolaus Piper

Womit ihr Protest als einer aus dem Tal der Ahnungslosen durchaus zutreffend charakterisiert wäre, abgesehen natürlich von dem Vorwurf manch eher links gestrickter Teilnehmer, der Kapitalismus himself stecke hinter dem aufziehenden Katastrophenszenario. Denen weiß Piper mit dem für ihn einzig gültigen Argument und natürlich vollkommen wertfrei und sachlich zu begegnen:

Neue Technologien würden nötig sein, wenn die Welt bis 2050 CO2-frei produzieren solle. (...) Die Fähigkeit dieser Märkte, Neues zu entdecken, ist heute notwendiger denn je. Sie sollen zu den Innovationen führen, ohne die eine klimaneutrale Produktion kaum möglich sein wird. Und ohne die ganz sicher keine politischen Mehrheiten auf der Welt für eine entschlossene Klimapolitik zu haben sind.

Nikolaus Piper