Den Kriegserfolg ausnutzen
Während Bush für die kommenden Präsidentenwahlen auf die nationale Sicherheit und den Kriegserfolg setzt, machen konservative Republikaner gegen das für sie zu liberale Außenministerium und Powell mobil
US-Präsident Bush setzt für die Präsidentschaftskampagne, die in diesem Herbst startet, auf den Terrorismus- und Kriegseffekt. Kurz vor dem 11.9. ist eine Rede vor der Parteitagsversammlung der Republikaner in New York geplant. Inzwischen wollen die rechten Republikaner den Kriegserfolg auszubeuten und den moderateren Außenminister Powell, der für den diplomatischen Weg durch die UN plädiert hatte, aus dem Amt zu drängen.
Bislang war der kurze Krieg für Präsident Bush und die Falken in seiner Regierung ein Erfolg. Wenn die Probleme im Post-Hussein-Irak nicht überborden oder zu teuer werden, könnte dies auch so bleiben. Daher wird George W. Bush auch für die Präsidentschaftswahlen, die 2004 stattfinden, wieder ganz auf nationale Sicherheit, militärische Vorherrschaft, Kampf gegen den Terrorismus und das Trauma vom 11.9. setzen und die Wirtschaftspolitik möglichst beiseite lassen. Geplant ist, mehr als 200 Millionen US-Dollar für die Wahlkampagne auszugeben. Auch das wäre natürlich ein Rekord. Die Demokraten, die seit dem 11.9. keine überzeugende Oppositionspolitik gemacht haben, scheinen hingegen noch immer darauf zu warten, dass Bush - wie einst sein Vater - über die Wirtschaftspolitik stolpert.
Wenn es nach Strömungen in den Reihen der republikanischen Partei geht, würde der Kurs der US-Regierung, sollte Bush wiedergewählt werden, noch unilateraler und auf die militärische Dominanz vertrauend erfolgen. Offenbar wachsen die Spannungen zwischen Pentagon und dem Außenministerium über den politischen Kurs gegenüber Nordkorea, dem Nahostkonflikt und dem Wiederaufbau im Irak. Wie die Washington Post schreibt, wird das Außenministerium kritisiert, weil es ein offensives Vorgehen gegen Terrorismus und Schurkenstaaten abbremst.
Newt Gingrich, der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses und Mitglied des Defense Policy Board, eines Beratungskomitees des Pentagon, wird heute dieser Kritik Ausdruck verleihen und eine Rede im Bush-nahen American Enterprise Institute (AEI) halten, indem er eine Überprüfung des Außenministeriums durch eine Arbeitsgruppe fordert. Der Erfolg des Pentagon müsse für ihn mit dem Scheitern des Außenministeriums kontrastiert werden. Sechs Monate lang sei das Außenministerium diplomatisch bei der UN gescheitert. Dann habe das Pentagon einen Monat lang einen Erfolg erzielt, der aber jetzt durch die Rückkehr zur Diplomatie wieder gefährdet werde. Zu den diplomatischen Fehlern rechnet er beispielsweise die vergeblichen Verhandlungen mit der Türkei, die französische Kampagne gegen den Krieg und das Scheitern bei der Erlangung einer UN-Resolution.
Schon vor einigen Tagen hatte Gingrich einen Kommentar No Negotiating with Blackmailers für das AEI geschrieben und gefordert, dass die US-Regierung der Erpressung durch Russland und Frankreich nicht nachgeben sollen. Beide Länder würden sich gegen die Aufhebung der UN-Sanktionen richten, was den USA die freie Verfügung über die irakischen Öl-Ressourcen böte und damit die Mitwirkung der UN unnötig machen würde. Gingrich sagt, dass die Staaten, die regelmäßig wie Russland, Frankreich oder Syrien gegen UN-Sanktionen verstoßen hätten (Gingrich bezieht sich dabei auch auf den Telegraph), dürften sich jetzt nicht anmaßen, die Sanktionen aufrechtzuerhalten, die gegen das Hussein-Regime gerichtet gewesen seien und jetzt nur noch die Menschen treffen. Seiner Meinung nach würde eine neue Regierung, die von den USA aufgebaut werden soll, automatisch nicht mehr den Sanktionen unterliegen.
Gingrich behauptet, es ginge ihm weder um eine Kritik an Powell noch um eine ideologische Auseinandersetzung: "Es geht um die Effektivität, wenn wir uns einmal dafür entschieden haben, etwas zu tun." Insbesondere hat anscheinend die Ankündigung von Powell, einen Besuch von Syrien zu machen, Unmut in den konservativen Kreisen hervorgerufen. Syrien wurde vom Pentagon bezichtigt, Regime-Angehörige aus dem Irak aufgenommen zu haben. Das Land soll auch Waffen an den Irak geliefert und von diesem Massenvernichtungswaffen erhalten haben. Allerdings hat auch Präsident Bush inzwischen den Ton ein wenig heruntergefahren und gesagt, dass Syrien mittlerweile zu kooperieren scheine. Gingrich hatte sich schon entschieden dagegen gewendet, der UN eine wichtige Rolle für den Wiederaufbau im Irak zu geben. Auch Deutschland und Frankreich sollten höchstens humanitäre Hilfe oder Zahlungen für den Wiederaufbau leisten.
Offenbar geht es Gingrich und manchen im Pentagon auch darum, die Rolle der UN und der EU im Friedensprozess für den Nahost-Konflikt zu verkleinern. Der "Fahrplan", den Bush, auch unter Druck von Tony Blair, vor dem Krieg unterstützt hatte, sollte veröffentlicht werden, wenn die Palästinenser einen neuen Ministerpräsident ernannt haben. Das ist geschehen. Auch Israel ist über das Nahost-Quartett und damit eine starke Beteiligung der EU, Russlands und der UN nicht begeistert. Gingrich meint, eine Zusammenarbeit der USA mit diesen sei "geistig eine Formel, alles zu verleugnen, was wir während der letzten sechs Monate gelernt haben".
Gegen Powell sagte er, dass dieser zwar das Ansehen des Außenministeriums gestärkt, aber zugleich die Moral der Menschen aufgebaut habe, "die nicht an das glauben, an das George Bush glaubt, und die zu untergraben versuchen, woran Bush glaubt". Gingrich will also letztlich die Flügelkämpfe in der US-Regierung bereinigen helfen und der Rumsfeld-Cheney-Gruppe zu größerem Einfluss verhelfen. Die Kritik entspricht ganz dem, was auch Perle unmissverständlich klar geäußert hat ("Dank sei Gott für den Tod der UN"). Die US-Regierung soll sich um die UN oder internationale Abkommen nicht kümmern, sondern als Supermacht ihre Interessen mit wechselnden Koalitionen der Willigen durchsetzen. Die Spaltung der EU, die im Vorfeld des Krieges schon gut gelungen ist, ist ein integraler Bestandteil dieser Machtpolitik des amerikanischen Internationalismus.