Geheime Machenschaften und verdächtige Zeugen

Auch der BND soll mit dem irakischen Geheimdienst kooperiert haben, das Öl bleibt im Blick und ein mysteriöser Zeuge für das chemische Waffenprogramm

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Angeblich haben Journalisten des Telegraph Dokumente aus den Ruinen des zerbombten Hauptquartiers des irakischen Geheimdienstes in Bagdad entdeckt. Sie beinhalten die vor einem Jahr aufgenommenen Beziehungen zwischen dem irakischen Geheimdienst und dem Bundesnachrichtendienst. Dabei soll es um ein Treffen des BND-Mitarbeiters Joannes Hoffner, der als "neuer deutscher Gesandter im Irak" bezeichnet wurde, und dem Direktor des irakischen Geheimdienstes Taher Jalil Haboosh gegangen sein. Die New York Times berichtet hingegen, dass ein irakischer Wissenschaftler US-Experten nicht nur ein Versteck von chemischen Substanzen gezeigt haben will, sondern auch noch die Syrien- und dazu noch die al-Qaida-Verbindung bestätigt habe.

Verdächtigungen wurde nicht nur bei den Kriegsgegnern laut, dass es den Kriegsbefürwortern, allen voran der US-Regierung, primär um wirtschaftliche Interessen gehen würde. Bei der geplanten Neuordnung der Region im Sinne der USA, die nun auch permanente Stützpunkte im Irak einrichten wollen, gehe es um die Sicherstellung der Ölressourcen für die energiegefräßigen USA Doch ein bisschen Öl für Blut?). Dafür könnte eine USA-freundliche Regierung im Irak tatsächlich günstig sein. Vermutlich wird das im Gegensatz zu anderen staatlichen Gebäuden oder dem Museum in Bagdad von den US-Truppen gut geschützte Ölministerium (Öl oder Kultur) in den nächsten Tagen mit einem provisorischen Minister wieder in Funktion treten. Daneben wird vermutet, was sich auch bestätigt, dass die Wirtschaft der "Befreier" am Wiederaufbau kräftig beteiligt werden soll (Big Politics meet Big Business).

Der ehemalige General Jay Garner, der gestern in Bagdad eingetroffen ist und die unter dem Oberkommando des Pentagon arbeitende Übergangsverwaltung leitet, betont allerdings, dass es seine primäre Aufgabe sei, die Grundversorgung mit Wasser und Strom wiederherzustellen. Neben anderen Problemen wie weiteren Demonstrationen - ziel-, weil mediengerecht vor dem Palestine Hotel - gegen die Amerikaner gibt es aber bereits schon Schwierigkeiten mit dem selbst ernannten Bürgermeister von Bagdad, den die Amerikaner nicht anerkennen wollen. Der schiitische Mohammed Mohsen Subaidi hatte lange Zeit im Ausland gelebt und ist Mitglied des Irakischen Nationalkongresses (INC), eine irakische Oppositionsgruppe, die im Exil gegründet wurde. Zubaidi sagt, er sei von einem Rat von Irakern beauftragt worden, Bagdad zu leiten. Für ihn müsse die neue Verfassung des Irak aus dem Islam abgeleitet werden. Und auch er würde anscheinend gerne unter seiner Verwaltung die Öl-Ressourcen verwalten. In Bagdad residiert auch Ahmad Dschalabi, der Vorsitzende des INC, der eigentlich der Lieblingskandidat des Pentagon für die irakische Regierung gewesen ist, aber im Außenministerium und auch im Irak nicht so gerne gesehen wird. Er spricht nur davon, dass religiöse Gruppen an der neuen Regierung beteiligt werden müssten, und er hat angeblich Informationen, dass Hussein und seine Söhne noch leben und im Irak von Versteck zu Versteck ziehen sollen.

Lukrative Aufträge für die deutsche Wirtschaft sollten locken

Doch auch die Kriegsbefürworter hatten Kritik geäußert, dass die unwilligen Länder, also allen voran Deutschland, Frankreich und Russland, ebenfalls am Öl interessiert seien, schon viele lukrative Verträge mit dem Irak abgeschlossen hätten oder vielleicht auch verbergen wollten, dass sie trotz des Embargos in wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen mit dem Irak standen. Erst vor ein paar Tagen hatte der Telegraph berichtet, Dokumente gefunden zu haben, aus denen hervorgeht, dass der russische Geheimdienst Tony Blair ausspioniert habe, beispielsweise eine Besprechung von Blair mit Cilvio Berlusconi, und die Ergebnisse an den Irak weiter gegeben habe. Der russische und der irakische Geheimdienst sollen eine enge Zusammenarbeit vereinbart haben. Die Russen hätten den Irakern im Jahr 2000 auch eine Liste mit "Killern" übergeben. Im März 2002 soll dann der russische Geheimdienst wenig konspirativ die Iraker dazu geraten haben, die UN-Resolution zu erfüllen. Die "intime Beziehung" werde auch durch Kopien von Weihnachtskarten dokumentiert, die der irakische Geheimdienstchef an seinen russischen Kollegen geschickt haben soll. Tatsächlich schuldet der Irak Russland noch einige Milliarden Dollar für Waffenkäufe und gab es Verträge für die Zeit nach dem Ende des Embargo.

Jetzt also soll auch der Bundesnachrichtendienst im letzten Jahr während der diplomatischen und militärischen Kriegsvorbereitungen in Beziehungen mit dem irakischen Geheimdienst gestanden haben. Die angeblich in der Geheimdienstzentrale gefundenen Dokumente sollen Hinweise auf Treffen zwischen einem BND-Mitarbeiter namens Johannes William Hoffner, der unter dem Deckmantel eines diplomatischen Vertreters aufgetreten sein soll, und General Taher Jalil Haboosh, dem ehemaligen Leiter des irakischen Geheimdienstes, enthalten. Während eines solchen Treffens am 29.2. 2002 soll Haboosh gesagt haben, dass der Irak gerne mit dem BND in Verbindung treten würden. Hoffner soll dem zugestimmt haben. Dafür sollen die Iraker lukrative Verträge mit der deutschen Wirtschaft versprochen haben, wenn ein Krieg vermieden werden könne.

Ein halbes Jahr später, so der Telegraph mit einem Wink mit dem Holzhammer, habe sich die deutsche Regierung in der heißen Wahlphase explizit gegen die britisch-amerikanischen Kriegspläne ausgesprochen. Sonderlich enthüllend sind aber diese Informationen nicht. Dass der Irak den Staaten Versprechungen gegeben haben könnte, die sich dem Krieg widersetzen, dürfte sehr wahrscheinlich sein. Das aber hieße noch nicht, was der Telegraph indirekt unterstellt, dass deswegen etwa die deutsche Regierung eine Position gegen die Invasion und den Sturz Husseins eingenommen hatte.

Ein namenloser Zeuge bietet Massenvernichtungswaffen und eine Verbindung mit Syrien und al-Qaida

Wie die New York Times berichtete, soll ein Wissenschaftler, der angeblich ein Jahrzehnt lang für das irakische Rüstungsprogramm für chemische Waffen gearbeitet hat, Mitliedern des amerikanischen Mobile Exploitation Teams (MET) berichtet haben, dass erst kurz vor Kriegsbeginn chemische Waffen und Ausrüstung für die biologische Kriegsführung zerstört worden seien. Der Wissenschaftler habe das Team an einen Ort geführt, an dem Substanzen vergraben worden seien, mit sich nach UN-Resolutionen illegale Waffen herstellen ließen.

Die Geschichte ist geradezu Geheimdienstgarn. Gerade auf dem Hintergrund, dass die Amerikaner fast schon verzweifelt nach den Massenvernichtungswaffen im Irak suchen, deren angebliche Existenz die eigentliche Kriegsrechtfertigung war, aber bislang auf nichts gestoßen sind, wächst das Misstrauen (Auf der Suche nach den Kriegsgründen). Noch zumindest will die US-Regierung keine unabhängigen UN-Inspektoren ins Land lassen, um angebliche Beweise zu prüfen oder nach Massenvernichtungswaffen zu suchen. Bringen britische oder amerikanische Experten derartige Beweise oder Zeugenaussagen herbei, so dürfte das Vertrauen in deren Wahrheit nach der ganzen Geschichte von Behauptungen, Fälschungen und irreführenden Interpretationen von Dokumenten nicht allzu groß sein (Rumsfeld und der Gottesbeweis).

Der Name des irakisches Wissenschaftlers wurde angeblich aus Sicherheitsgründen nicht genannt. Ob man ihn von unabhängigen Experten befragen lässt, steht in den Sternen. Und wie man ohne unabhängige Beobachter garantieren will, dass die Substanzen, die man ausgegraben hat, auch die sein werden, die dann analysiert und vorgeführt werden, falls sie einen Verdacht erhärten sollen, wird auch interessant sein. Die Journalistin der New York Times hatte mit dem Wissenschaftler nicht sprechen dürfen und konnte auch nur aus der Entfernung sehen können, wie der Wissenschaftler den US-Experten das Versteck gezeigt habe.

Verdächtig stimmt auch, dass gleich noch weitere von der US-Regierung gern gesehene Hinweise geliefert worden seien. So soll der Irak ab Mitte der 90er Jahre "nichtkonventionelle Waffen" nach Syrien geliefert haben. Manche waffenfähige biologische Substanzen seien vernichtet, andere nach eben nach Syrien geliefert worden. Zudem will der Wissenschaftler wissen, dass der Irak in jüngster Zeit auch noch mit al-Qaida zusammen gearbeitet habe. Aber vielleicht will sich der Wissenschaftler ja auch nur interessant machen und packt alles zusammen, was Gehör zu finden verspricht.