Doch ein bisschen Öl für Blut?
Zunächst einmal will die US-Regierung das irakische Öl zur Finanzierung des profitablen Wiederaufbaus des eroberten Irak verwenden und dazu eine Organisation gründen, die die irakische Ölindustrie kontrolliert
Das Ende des Saddam-Regimes wurde inzwischen von Ari Fleischer erklärt. Während Chaos nach dem Wegtauchen der Autoritäten des irakischen Regimes in den befreiten Gebieten zu herrschen scheint und jeder sich nimmt, was er kriegen kann, überlegt man in der amerikanischen Regierung mehr oder weniger laut, was nach der Befreiung mit dem irakischen Öl geschehen soll.
"No blood for oil" war einer der Slogans der Kriegsgegner. Das leuchtete auch schon angesichts der tiefen persönlichen Verstrickungen vieler Mitglieder der Bush-Regierung ein, auch wenn der Krieg keineswegs allein als Griff nach den reichen Öl-Ressourcen des Landes verstanden werden kann. Viele Motive spielen hier herein, zumal die gesamte Region seit langem schon ein Brennpunkt der amerikanischen Politik ist.
Man kennt sich schon lange
Soeben berichtete beispielsweise die Nachrichtenagentur UPI, dass der CIA bereits 1959 in Kontakt mit Saddam Hussein getreten sei. Damals sei er Mitglied in einer sechsköpfigen Gruppe geworden, die im Auftrag des CIA einen Anschlag auf Abd al-Karim Qasim ausführen sollte. Der Brigadegeneral hatte zusammen mit Muhammad Arif in einem blutigen Putsch den pro-britischen König Faisal II. gestürzt, was erst einmal den amerikanischen Interessen diente, weil er sich zunächst dem antisowjetischen Bagdad-Pakt anschloss. Doch 1959 schon verließ Qasim, der zunächst eine soziale Revolution einleiten wollte, den Pakt, brachte Kommunisten in Machtstellungen und begann sowjetische Waffen zu kaufen. Qasim ging gegen die Kurden vor und wollte Kuwait annektieren. Schnell wurde der Irak etwa von dem damaligen CIA-Chef Allan Dulles (siehe auch: 50 Jahre Brain Warfare) zum "gefährlichen Ort der Welt" erklärt, was wiederum irgendwie an die Gegenwart erinnert.
Das war die Zeit, als Hussein nach Bagdad gebracht wurden, um Qasim zu töten. Termin sei der 7. Oktober 1959 gewesen. Doch es klappte nicht. Hussein floh über Syrien in den Libanon und später mit der Hilfe des CIA und des ägyptischen Geheimdienstes nach Ägypten. Hussein soll des öfteren die amerikanische Botschaft aufgesucht haben. Möglicherweise wurde Qasim 1963 dann mit Unterstützung des CIA doch noch ermordet, jedenfalls half der Geheimdienst der an die Macht gekommenen Baath-Partei mit Listen verdächtiger Kommunisten, diese zu eliminieren. Es war schließlich Kalter Krieg. In dieser Zeit wurde Saddam zunächst Geheimdienstschef.
Die Herrschaft war jedoch kurz, denn erst einmal kam Arif an die Macht, bis 1968 schließlich die Baath-Partei sich durchsetzte. Die Erdöl-Industrie wurde verstaatlicht, 1972 ein Freundschaftsvertrag mit der Sowjetunion geschlossen. 1979 puschte sich dann Hussein, damals Vizepräsident, an die Macht und machte sich gegenüber der USA beliebt, als er 1980 einen Krieg gegen den Iran begann. Dort war nämlich der pro-amerikanische Schah von radikalen Muslimen unter der Führung von Khomeini gestürzt worden. Hier begannen dann erneut enge Kontakte zwischen der US-Regierung und dem Irak. Gerne sah man über Diktatur, Menschenrechtsverletzungen und Giftgaseinsätze hinweg, solange der Irak den freien Westen verteidigte. Es wurden Waffen, chemische und biologische Substanzen und Geheimdienstinformationen geliefert, um dem Irak im Krieg gegen den Iran zu helfen. Der hatte damals Wellen von suizidbereiten Märtyrern gegen die irakischen Stellungen laufen lassen. Die Völkerfreundschaft zwischen der demokratischen USA unter Führung von Bush sen. und der Diktatur von Hussein kam bekanntlich - auch nach zahlreichen Einsätzen von Giftgas gegen Perser und Kurden _ erst an ihr Ende, als der Irak im Sommer 1990 in Kuwait einmarschierte und damit den Bogen überspannte.
"We have no interest in the oil''
Aber die Vergangenheit interessiert bekanntlich niemand, weil man doch in die Zukunft schauen muss. Und da stehen gewaltige Summen an, um den im ersten und im zweiten Krieg zerstörten Irak wieder aufzubauen, dessen Technik auch dank des Embargos mittlerweile hoffnungslos veraltet ist. Daran können die Unternehmen der Siegesländer verdienen, aber das können sie nur, ohne der amerikanischen Wirtschaft zu schaden, wenn das Land selbst Geld hat. Hier kommt das Öl ins Spiel, das bekanntlich auch langfristig eine Bedeutung hat, wenn eine USA-freundliche Regierung im Irak an der Macht ist. Noch freilich stehen dummerweise die Öl-Ressourcen nach einem Sicherheitsratbeschluss unter der Obhut der UN und des "Öl-für-Lebensmittel"-Programms. Einstimmig wurde zwar bereits entschieden, mit dem voorhandenen Geld Hilfsmittel für die irakische Bevölkerung zu liefern, aber wer in Zukunft die Einnahmen aus den Ölverkäufen verwalten soll, ist umstritten. Prinzipiell müsste der Sicherheitsrat dies entscheiden.
Doch mit den Hilfslieferungen steht es derzeit noch schlecht, weil das Pentagon nicht mit dem Chaos nach dem Zerbröckeln des Regimes gerechnet hat. Doch abgesehen davon, haben die USA mit der Koalition der Willigen sich sowieso über das Völkerrecht und die UN hinweggesetzt. Daher sind sie jetzt auch faktisch im Besitz der Öl-Ressourcen. Und die sollen nun der dem Irak verordneten Regierung unterstellt werden, um die laufenden Kosten des Wiederaufbaus zu tragen. Da gibt es viele Milliarden zu verdienen. Bis zu 100 Milliarden US-Dollar rechnen sich manche aus. Die Erstaufträge, noch bezahlt von der USA, wurden erst einmal ohne richtige Ausschreibung nur an US-Unternehmen verliehen.
Halliburton beispielsweise, dessen Direktor Vizepräsident Cheney war, nachdem er vom Verteidigungsminister unter Bush sen. in die "freie" Wirtschaft übergewechselt und damit Halliburton kontinuierlich zu mehr Aufträgen vom Pentagon verholfen hat, wurde nach aufkeimender Kritik am Filz, beispielsweise was den Sicherheitsberater Richard Perle betrifft, vom großen Kuchen amerikanischer Steuergelder lieber ausgeschlossen (Erosionserscheinungen in der Bush-Regierung). Aber das Unternehmen hatte sich schon zuvor einen Vertrag gesichert (Die Gewinner des Krieges), für das Pentagon (!) die brennenden Erdölquellen zu löschen. Nachdem aber das Hussein-Regime dieses Mal kaum Erdöl-Quellen in Brand gesetzt hatte, würden die Einkünfte eher schmal aussehen, auch wenn man schon gleich einmal vor Ort ist und so sich Optionen sichern kann. Allerdings soll aber die Halliburton-Firma Kellog Brown & Root Services überdies eine Bestandsaufnahme aller Ölquellen nach Ende der Kriegshandlungen vornehmen. Nach einem Brief von Army Corps of Engineers an den demokratischen Abgeordneten Henry Waxman könnte aber auch schon dieser unscheinbare Vertrag sieben Milliarden Dollar wert sein. Waxman forderte jetzt das General Accounting Office (GAO) auf, die Vergabe der Verträge unter die Lupe zu nehmen.
Angeblich wollen die USA so schnell als möglich die politische Macht an die Iraker übergeben. Dazu gehört auch die Verfügung über die verstaatlichte Öl-Industrie. Bis die irakische Übergangsregierung allerdings installiert ist, die dann auch nicht gegen die amerikanischen Interessen handeln dürfte, lassen sich die wichtigsten Dinge und Verträge auf jeden Fall zufriedenstellend lösen. Wie man beispielsweise mit den Verträgen umgehen wird, die das Hussein-Regime unter anderem mit Russland, Deutschland oder Frankreich abgeschlossen hat, ist noch offen. Aufgefordert werden zumindest diejenigen, die nicht am Krieg teilgenommen haben, ihre Forderungen zurückzuziehen, um den Irak nicht zu belasten. Rechtlich ist überhaupt kaum etwas durch den Angriffskrieg geklärt.
Mit einem bisschen Hilfe vom Ausland, sprich: von der USA, könnte man nämlich die Erölförderung noch in diesem Jahr um 50 Prozent erhöhen - und damit auch die OPEC unter Druck setzen. 20 Milliarden US-Dollar ließen sich für die Iraker gewinnen, so dass diese kräftig in ihr Land investieren können. Vizepräsident "We have no interest in the oil''-Cheney formulierte das vorsichtig. Es gehe um die Etablierung einer Organisation, die das Erdölministerium kontrolliert.
Da seien "hauptsächlich" Iraker gefragt, aber es sollen auch andere Berater etwas zu sagen haben. Wie Reuters erfahren haben will, sollen ehemalige Leiter von US-Ölkonzernen in einen "Beirat" aufgenommen werden, der die von der US-Regierung bestimmte Übergangsregierung berät - gewiss nicht gegen die nationalen Interessen. Philipp Carroll, zuvor Direktor von Shell, soll an die Spitze des Gremiums gestellt werden.