Denkmalsprengung in der West-Ukraine verärgert Polen

Denkmalsprengung Guta Penjazkaja im Januar 2017. Screenshot

Ukrainische Nationalisten verwüsten Gedenkstätte zu Massaker an Polen im Jahre 1944

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Aus der Westukraine tauchte am Montag ein erschreckendes Video auf. Es zeigt, dass eine Gedenkstätte aus dem Jahr 1944 im ehemaligen Dorf Guta Penjatzkaja durch eine Sprengung zerstört wurde. Steine mit den Namen der Toten waren besprüht. Auf den Steinen sah man die gesprühten Flaggen der Ukraine, der "Ukrainischen Aufstandsarmee" (UPA) und SS-Runen.

Mit dem 2005 errichteten Denkmal, einem großen Steinkreuz und zwei Steinplatten mit Namen der Toten wurde den 600 bis 900 Einwohnern des Dorfes Guta Penjatzkaja gedacht, die am 28. Februar 1944 bei einem Massaker getötet wurden. Ein Teil der Menschen wurde lebendig in ihren Häusern verbrannt. Unter den Toten waren vor allem Polen, aber auch Juden. Das Massaker verübten Freiwillige des 4. Polizeiregiments der SS-Division Galizien unter Leitung von SS-Sturmbannführer Siegfried Banz und Mitglieder der Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA).

Auf dem Video, welches am Montag im Internet auftauchte, ist zu sehen, dass die Gedenkstätte in Trümmern liegt und offenbar gesprengt wurde.

"Attacken bedrohen Beziehungen"

Das polnische Außenministerium veröffentlichte am Dienstag eine Erklärung. Darin heißt es, dass der Anschlag aufgeklärt und die Schuldigen festgestellt werden müsse. Derartige Attacken müssten bestraft werden, "weil sie die polnisch-ukrainischen Beziehungen bedrohen".

Der Botschafter der Ukraine in Polen, Andrii Deshchytsia, verurteilte den Anschlag als "barbarischen Akt des Vandalismus" und versprach, die Schuldigen würden gefunden. Dieser Vandalismus habe "nichts mit der Ukraine zu tun". Ukrainer und Polen seien "weise Menschen", die wüssten, "wer hinter solchen Provokationen steckt". Die Leiterin der Abteilung Innenpolitik der Gebietsverwaltung Lviv (Lemberg), Olga Beresjkuk, erklärte via Facebook, der Anschlag sei eine "Provokation": Vor dem Hintergrund der russischen Aggression "versuche jemand, das Volk aufzuwiegeln".

All diese Anspielungen zielen auf Russland. Schon bei dem Brand im Gewerkschaftshaus von Odessa am 2. Mai 2014 und beim Mordanschlag auf den ukrainischen Journalisten Pawel Scheremet im Juli letzten Jahres hatten ukrainische Spitzenbeamte und Politiker behauptet, Russland "stecke dahinter". Beweise für diese Behauptung wurden bis heute nicht genannt. Die Ermittlungen in beiden Fällen kommen nicht voran. Es gibt keine gerichtlichen Anklagen.

Am Dienstagabend verurteilte der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin den Anschlag. Es werde nicht gelingen, die Ukraine und Polen mit derartigen Provokationen auseinanderzubringen, schrieb der Außenminister. Die Verbrecher müssten bestraft werden.

Das verwüstete Dorf wurde nicht wieder aufgebaut

Nach dem Krieg wurde das Dorf Guta Penjatzkaja nicht wieder aufgebaut. Ein während der Sowjetzeit aufgestellter Gedenkstein verschwand in den 1990er Jahren. 2005 wurde in dem ehemaligen Dorf im Beisein der damaligen ukrainischen und polnischen Präsidenten, Viktor Juschtschenko und Lech Kaczynski, eine neue Gedenkstätte eingeweiht. Eben diese Stätte wurde jetzt zerstört.

Der vandalistische Akt könnte die polnisch-ukrainischen Beziehungen belasten. Im letzten Jahr hat der Film "Wolhynien" des polnischen Regisseurs Wojciech Smarzowski die Debatte über die Massaker an 60.000 bis 100.000 Polen in westukrainischen Dörfern in den Jahren 1943/44 neu angefacht. Senat und Sejm in Polen sprechen im Zusammenhang mit den damaligen Ereignissen von einem "Völkermord", offizielle Historiker in Kiew dagegen nur von einer "Tragödie".

Parade der OUN zu Ehren von NS-Reichsleiter Hans Frank. Bild: gemeinfrei

In Kiew ist man bemüht, über die Massaker von 1943/44 nicht zu sprechen. UPA-Ideologe Stepan Bandera ist heute offiziell Nationalheld der Ukraine. Dass es Massaker in der Westukraine gegeben hat, bestreiten die offiziellen Historiker in Kiew nicht. Sie behaupten jedoch, die Toten seien Teil eines "polnisch-ukrainischen Krieges" gewesen. Auch Ukrainer seien in den 1930er und 1940e Jahren von Polen getötet worden.

"An einem Tag 150 Dörfer umzingelt"

Alexander Diukov, der Leiter der Stiftung für Historische Erinnerung in Moskau, berichtete in einem Gespräch, wie die Massaker gegen Polen und Juden, die im Frühjahr 1943 im westukrainischen Wolhynien begannen, abliefen. "Einheiten der Ukrainischen Aufstandsarmee [gegründet 1943; U.H.] umzingelten Dörfer, in denen Polen wohnten." Die Polen, welche in diesen Dörfern wohnten, seien alle umgebracht worden. Dann habe man die Häuser in Brand gesetzt. Wenn in diesen Dörfern nicht nur Polen, sondern auch Ukrainer lebten, seien nur die Polen getötet worden.

Der Juni 1943 war der Höhepunkt des Mordens. In diesem Monat seien an einem einzigen Tag mehr als 150 Orte mit polnischer Bevölkerung von den ukrainischen Einheiten angegriffen und zerstört worden. Die Morde seien von "ethnischem Hass" motiviert gewesen, sagt der Historiker. "Das Ziel der ukrainischen Nationalisten war es, die Polen zu zwingen, das Gebiet Wolhynien zu verlassen. Das Territorium sollte später zu einem noch zu gründenden ukrainischen Staat gehören."

Das erste bekannte Dokument der ukrainischen Nationalisten, in denen die Rede ist von der Notwendigkeit, die Polen von der "ukrainischen Erde" zu vertreiben und von der Notwendigkeit einer ethnischen Säuberung gesprochen wird, stammt - so der Historiker - aus dem Jahre 1938. Dabei handelt es sich um eine militärische Anordnung der Organisation ukrainische Nationalisten (OUN). Diese Anordnung befinde sich in einem Archiv in Kiew. Das Dokument sei von der Zeitschrift Ukraine Moderna veröffentlicht worden.

Die Nazis seien gegen ethno-nationale Konflikte in Osteuropa nicht eingeschritten, erklärt Diukov. "Die Eskalation solcher Konflikte war für sie von Vorteil. Der Konflikt zwischen der Ukrainischen Aufstandsarmee und den Polen auf dem Gebiet Wolhynien war für die Nazis nützlich. Die Einheiten der UPA waren dadurch beschäftigt und griffen die Hitler-Wehrmacht nicht an."