Der Anfang vom Ende Musharrafs?
Pakistan: Der neue Ministerpräsident sucht die Machtprobe
Pakistan hat einen neuen Ministerpräsidenten und der pakistanische Präsident einen neuen Widersacher, der es offensichtlich auf eine Machtprobe anlegt. Nach seiner Wahl durch das Parlament gab der frisch gewählte Yousaf Raza Gilani (Pakistan Peoples Party – PPP) unter großem Beifall der Abgeordneten als erste Amtshandlung bekannt, dass er jene Richter freilassen würde, die Musharraf vor Monaten zum Hausarrest verurteilt hatte. Dazu zählt auch der von Musharraf abgesetzte Vorsitzende des Höchsten Gerichts, Iftikhar Muhammad Chaudhry, der als politischer Gegenspieler des Präsidenten mittlerweile weltweit bekannt ist.
Ein signalstarker Auftakt des neuen Ministerpräsidenten, der mit großer Mehrheit – 264 Stimmen von insgesamt 342 – vom Unterhaus gewählt wurde. Hinter Gilani steht eine Koalition aus der Bhutto-Partei PPP, deren Vorsitzender Zardari ihn nominiert hatte, und der Partei von Nawaz Sharif, die Pakistan Muslim League. Dass sich beide Parteien kürzlich zu einer Koalition zusammengeschlossen hatten, wurde als großer politischer Erfolg gefeiert. Zu verdanken ist er vor allem einer Person – Pervez Musharraf.
Gerade mal 42 Stimmen konnte der Kandidat des Präsidenten auf sich vereinigen, er ging unter. Nach Medienberichten schlägt die Anti-Musharraf-Stimmung hohe Wellen, die auch die pakistanischen Abgeordneten erfasst haben. Laut New York Times kündigt der neue Regierungschef als Programm seiner Koalition an, dass man innerhalb von 30 Tagen den obersten Richter Chaudhry und die 13 anderen von Musharraf geschassten Richter des Supreme Court sowie 48 High Court-Richter wieder in Amt und Würden bringen will. Eine Forderung, die von den Parlamentariern mit „donnerndem Applaus“ goutiert wurde.
Richter Chaudhry ist der bedeutendste öffentliche Gegenspieler des Putschpräsidenten Musharraf; er leitete gerichtliche Verfahren zur Untersuchung der Legitimität der Amtsführung Musharrafs ein. Dieser versuchte es im Frühling letzten Jahres zum ersten Mal mit der Absetzung des Richters, was eine große innenpolitische Krise herbeiführte. Am Ende musste Musharraf Chaudhry wieder als obersten Richter einsetzen.
Im Herbst drohte Musharraf ein Richterspruch vom Obersten Gericht, der seine Position in Pakistan erheblich gefährdet hatte. Vieles spricht dafür, dass Musharraf mit der Ausrufung des Ausnahmezustands im November letzten Jahres diesem Spruch des obersten Gerichts, der nicht in seinem Sinne ausfallen würde, zuvorkommen wollte (vgl. Pakistan: Polizei geht weiter gegen Oppositionelle vor). Chaudhry wurde erneut suspendiert (und seine Richter-Kollegen ebenso) und ein neues oberstes Gericht nach den Personalvorstellungen des Präsidenten nominiert. Musharraf führte gegen die unabhängigen Richter und Anwälte seines Landes – im Namen des Kampfes gegen den Terrors. Mit dem Kampf gegen Extremisten, die das Land gefährden, begründete Musharraf die Ausrufung des Ausnahmezustands.
Eine unwillkommene Konsequenz aus der gewaltsamen Niederschlagung der Oppositionellen war allerdings, dass sich aus diesen Milieus zivilgesellschaftliche Formen entwickelten (vgl. Pakistan: Zur Begrüßung der heimkehrenden Bhutto ein Anschlag). Wenn sich nun der neue Premier so deutlich auf die Seite Chaudhrys stellt und so deutlich gegen Musharraf positioniert, dann ist das ein gelungener Paukenschlag (dem zähe Koalitionsverhandlungen vorausgingen – siehe USA stützen Musharraf nach der Wahlniederlage): Er kann Yousaf Raza Gilani nicht nur die Unterstützung der pakistanischen Zivilgesellschaft einbringen, sondern auch möglicherweise die große internationale Aufmerksamkeit bescheren, die er nötig haben wird, um gegen Musharrafs Machtanspruch und politischen Überlebenskampf zu bestehen. Man darf gespannt sein, wie sich Musharrafs bisher so loyale Unterstützer, die USA, verhalten werden.