Der Bewusstseins-Code: Wie die Führung von morgen aussieht

Seite 3: Was tun? In der Theorie: Fragen, Aktionismus und Kunstinteresse

Was tun?

Nikolai Gawrilowitsch Tschernyschewski, russischer Schriftsteller

Das Niveau hat sich gehoben – aber es ist keener mehr druff.

Karl Kraus

Die Suche nach einer neuen Arbeitsphilosophie und die kindischen Folgen: Manche Wirtschaftstheoretiker wurden in den letzten Jahren philosophisch. Natürlich weniger wegen eines plötzlichen Verlangens nach Weisheit, sondern aus Angst vor neuen Wirtschaftskrisen.

Aber egal warum: Sinnsuchen sind immer ein bedenkliches Zeichen. Wie bei Jugendlichen. Die Begleiterscheinungen sind ähnlich. Wie ein hoch motivierter Gymnasiast hat sich zum Beispiel die empirische Wirtschaftsforschung auf Fragen des ökonomisch irrationalen Verhaltens gestürzt. Zukünftiges Risikomanagement sollte die Risiken irrationalen Verhaltens kennenlernen.

Die Ergebnisse waren aber zu vielschichtig, um sich strukturieren zu lassen, und sie ergaben mehr Folgefragen als Antworten. Typisch. Also rieten andere Theoretiker zur Flucht nach vorn und zu Aktionismus. Wie bei einem übersteuerten Kindergeburtstag setzte diese Gruppe auf schwungvolles Motivationsmanagement und auf "Agilität". Oder anders gesagt: auf hoch agile, aber wenig nachhaltige Ausbeutungsverträge.

Die dritte Alternative war darum deutlich humanistischer gestimmtes Kunstinteresse. Das entsprach dem pädagogischen worst case: Das Kind will Kunst studieren! Manche Wirtschaftstheoretiker suchten sehenden Auges dort jenseits der Zahlen nach Antworten. Denn die beiden anderen Ansätze waren nicht durchgreifend oder nicht neu, und jeder Versuch, das Humankapital einer Firma mittels KPIs, Paybacks und Kennziffern zu bemessen und zu steuern, hatte sich als suboptimal herausgestellt.

Das Leitbild dieser dritten Gruppe wurde darum so künstlerisch wie eine Renaissance der Renaissancemenschen: eine vernetzt und ästhetisch denkende Mischung von Musk, da Vinci und Benedict Cumberbatch als Sherlock Holmes, der sich auf Industrie-4.0-Barcamps mit Künstlern trifft.

Viele Agenturen zur Kreativitäts- und Teamfähigkeitsförderung profitieren bis heute von diesem Ansatz und bieten Betriebsausflüge an, bei denen Führungskräfte in schönen Innenstädten Schnitzeljagd spielen. Denn laut Schiller ist der Mensch "nur da ganz Mensch, wo er spielt".

Auch wenn er dabei so viel Funktionalität ausstrahlt wie ein Löwe mit Blockflöte, der sich im Instrumentenbau optimal präsentiert, abervanderweitig ambivalent. Ein solches Befürworten von künstlerischen Werten wird in der Industrie normalerweise erst als Überarbeitung interpretiert.

Dann wird der Sicherheitsdienst gerufen. Wirtschaftstheoretische Versuche zur Erschaffung von Renaissance-ähnlichen Industrie-Universalgenies reichen darum selten bis in die Praxis.

Wirtschaftstheoretische Vorschläge für ein neues branding des homo oeconomicus als homo replicans, sustinens oder deus wurden ins Spiel gebracht. Aber der replicanssustinens war für einen durchschlagenden Erfolg zu wenig und der deus zu sehr schöpferisch.

So viel zur Theorie.

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