Der Bonapartist Donald Trump

Seite 3: Der "Friedensfreund"?

Aber zumindest habe Trump als Präsident keine neuen Kriege angezettelt - so heißt es heute selbst unter Linken. Doch auch in den acht vorangegangenen Präsidentschaftsjahren unter Barack Obama hielten sich die USA mit neuen militärischen Abenteuern zurück. Neue Kriege übersteigen ganz offensichtlich die ökonomischen Möglichkeiten der USA. Seit längerem spricht man von einer Überdehnung ihrer militärischen Fähigkeiten.

Anders als von Trump 2016 versprochen, stehen aber auch am Ende seiner Präsidentschaft weiter US-Soldaten in Afghanistan, im Irak und in Syrien. Und das US-Militär leistet noch immer der von Saudi-Arabien geführten Militärallianz militärische Unterstützung bei ihrer äußerst grausam geführten Intervention in den jemenitischen Bürgerkrieg. Bis dicht an die Schwelle eines offenen militärischen Konflikts mit dem Iran ging Trump mit seiner Anweisung, den Kommandeur der Quds-Einheit, Qasem Suleimani, durch einen Drohnen-Angriff töten zu lassen.

Anders als erhofft hat Trump als Präsident auch nicht das Verhältnis gegenüber Russland entspannt. Im Gegenteil: Bestehende Sanktionen gegenüber wurden verlängert und dabei verschärft. Mit dem geplanten, aber wegen der Corona-Krise verschobenen Manöver Defender 2020 direkt an der russischen Westgrenze sollte der militärische Druck auf Moskau erhöht werden. Zwar sah Trump den Abzug von US-Truppen aus Deutschland vor, doch beabsichtigte er, einen großen Teil davon von dort direkt nach Polen und damit noch näher an Russlands Grenzen zu verlegen.

Auch gegenüber anderen, traditionell gegenüber den USA unbotmäßigen Ländern wie Kuba und Venezuela wurden die Sanktionen verschärft. Der Putsch des bolivianischen Militärs gegen den rechtmäßig gewählten Präsidenten Evo Morales wurde von Trump aktiv unterstützt. Mit China hat er schließlich einen Feind konstruiert, dem man für all das eigene Unvermögen verantwortlich machen kann: für die Abwanderung von Arbeitsplätzen, für die schwindende Konkurrenzfähigkeit US-amerikanischer Produkte und schließlich auch für das eigene Versagen in der Corona-Krise. Der Präsident ging sogar so weit, China vorzuwerfen, das von ihm so genannte "China-Virus" absichtlich zur Schwächung der USA verbreitet zu haben.

Die Konstruktion eines äußeren Feindbildes gehört aber zu den klassischen Herrschaftsinstrumenten des Bonapartismus, hießen die Führer nun Louis Napoleon Bonaparte, Theodore Roosevelt, Woodrow Wilson oder auch Benito Mussolini. Die außenpolitische Bedrohung sollte stets helfen, die Reihen nach innen zu schließen.

Unmittelbar nach seiner Wahl zum Präsidenten beschloss deshalb der Ministerrat der französischen Regierung unter Leitung von Bonaparte am 23. Dezember 1848 die Entsendung eines Expeditionsheeres zur Rettung der bedrohten Stellung des Papstes gegen die römische Republik:18

Bonaparte brauchte den Papst nicht mehr, um der Präsident der Bauern zu werden, aber er brauchte die Konservation des Papstes, um die Bauern des Präsidenten zu konservieren. Ihre Leichtgläubigkeit hatte ihn zum Präsidenten gemacht. Mit dem Glauben verloren sie die Leichtgläubigkeit und mit dem Papste den Glauben.

Karl Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850

"Make America Great Again"

Donald Trump will, dass die USA wieder uneingeschränkt jene in der Welt gegenüber allen anderen Staaten unvergleichbare Stellung einnehmen, die sie seit ihrer Konstituierung beanspruchen. Es soll wieder das Selbstverständnis ihrer Bewohner gelten, in einem besonderen, in "Gottes eigenem Land" zu leben. Losurdo beschreibt dieses Bedürfnis (151):

Integraler Bestandteil des Bonapartismus ist nicht nur das imperiale Bewusstsein an sich, sondern ein solches imperiales Bewusstsein, das mit Begriffen religiöser, sittlicher oder politischer Mission ideologisch verklärt wird. Auf diese Weise wird das Gefühl, zu einer bestimmten Gemeinschaft zu gehören, mächtig gestärkt, die Aufmerksamkeit wird von den inneren Konflikten abgelenkt, abweichende Meinungen werden marginalisiert oder zum Schweigen gebracht und kriminalisiert.

Domenico Losurdo, Demokratie oder Bonapartismus

Die Aufkündigungen internationaler Verträge bzw. die Austritte der USA unter Trump aus Vertragssystemen - sei es aus dem Pariser Klimaabkommen, der Rückzug aus Verhandlungen über eine Asiatisch-Pazifische Freihandelszone im Rahmen der APEC und über ein Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) sowie die erzwungene Neuverhandlung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) - verfolgten stets das Ziel, den USA wieder jene Stellung der Unvergleichbarkeit zurückzugeben, so dass der kein anderer Staat der Welt oder irgendeine internationale Organisation, seien es die Vereinten Nationen, die NATO oder auch nur die Weltgesundheitsorganisation, es jemals wieder wagt, ihnen etwas vorschreiben zu wollen. Dies ist der Sinn des vor allem nach außen gerichteten Trumpschen Mottos "Make America Great Again"!

Der Bonapartismus als Teil der De-Emanzipation

Domenico Losurdos Buch "Demokratie oder Bonapartismus" trägt den Untertitel "Triumph und Niedergang des allgemeinen Wahlrechts". Der wieder aufkeimende Bonapartismus wird darin als sichtbarster Teil des in der gesamten westlichen Welt voranschreitenden Prozesses der De-Emanzipation der Volksmassen beschrieben. Andere Elemente des Niedergangs des allgemeinen Wahlrechts sind das Festhalten am Einmann-Wahlkreis im Wahlrecht, das regelmäßig zu einer starken Personalisierung der Plebiszite und damit zur Schwächung der Parteien als Programmparteien führt.

Überhaupt werden sich die Parteien, ungeachtet ihres erbittert geführten Kampfes untereinander um Einfluss und Posten, inhaltlich immer ähnlicher. Nahezu alle singen das hohe Lied einer mal ein wenig sozialeren und dann einer mal ein wenig liberaleren Marktwirtschaft. So ist es denn auch kein Wunder, dass nahezu alle Parteien sich untereinander als koalitionsfähig ansehen. Eine antikapitalistische Linke fehlt indessen.19

Zum Niedergang des allgemeinen Wahlrechts zählt auch die wachsende Gestaltungsmacht von Verfassungsgerichten, denen immer häufiger politisch zu treffende Entscheidungen übertragen werden, vor allem auf Ebene der EU. Hinzu tritt der immer größer werdende Einfluss von Lobbyverbänden des Kapitals.

Die politische Berichterstattung verkommt derweil in den Medien zum bloßen Spektakel. Nimmt man das alles zusammen, so kann es keinen Zweifel daran geben, dass sich in den westlichen Demokratien die autokratischen Strukturen verstärken.

Vor diesem Hintergrund waren der Aufstieg eines Donald Trump und seine Präsidentschaft vor allem das Resultat einer umfassenden Desorientierung großer Teile der US-amerikanischen Wählerschaft. Sie waren bereit, einen "Maulhelden und den auf die bösesten Instinkte der Massen spekulierenden Demagogen zur Führerschaft"20 zu verhelfen.

Andreas Wehr ist Autor von Büchern und Artikeln zu Europa, Philosophie und Geschichte sowie zur aktuellen Politik und Mitbegründer des Marx-Engels-Zentrums Berlin. Mehr über ihn auf der Webseite: www.andreas-wehr.eu

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