Der Ernst Thälmann des Mittelalters
Seite 2: Der proletarische Führer eines Arbeiteraufstands
- Der Ernst Thälmann des Mittelalters
- Der proletarische Führer eines Arbeiteraufstands
- Der strahlende Ritter und die Nicht-Zielgerichtetheit des Abenteuers
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Der Film spielt in den düsteren Gassen der schlechteren Viertel von Londinium - so der lateinische Name von London. Klingt gut. Der junge Arthur kommandiert hier zwar seine Gang, als sei er schon zum Herrschen geboren, aber er weiß nichts von dem königlichen Blut, das in seinen Adern fließt. Erst als er mit dem mythischen Schwert Excalibur eher durch Zufall in Berührung kommt, fährt es ihm wie mit einem Blitz durch Mark und Bein.
Bald schließt er sich einer Rebellion gegen böse Fremdherrscher an. Zu den Rebellen gehört auch eine mit magischen Kräften begabte hübsche Maid namens "Guinevere", und wer überhaupt schon irgendwas von König Arthur gehört hat, weiß: Die wird seine Frau werden. Vorher aber muss Arthur noch mit Schurken, Drachen, Dämonen und phantastischen Wesen kämpfen, muss er seine eigene magische Waffe verstehen lernen.
Dieser Arthur ist ein Volksheld, kein Vertreter einer Adelselite, sondern eher der proletarische Führer eines Arbeiteraufstands, ein Ernst Thälmann des Mittelalters. Aber wie das im Kino des 21. Jahrhundert so ist, genügt dies alles immer noch nicht: Heute vertraut man politischen Missionen nie allein, es muss schon auch noch persönliche, ganz private Betroffenheit hinzukommen. Darum stellt sich noch heraus, dass der fiese Diktator Vortigern der Mörder von Arthurs Eltern ist, der ihm die Krone gestohlen hat.
Zack, Bumm und wenig Substanz
Inszenatorisch fängt der Film gut an, gegen Ende lässt alles aber doch etwas nach. Der Stil ist dynamisch und dem Zeitgeist entsprechend, also kein klassischer Ritterkampf, sondern eine Mischung aus Martial Arts und "Matrix" - also Zeitlupen, Rissschwenks, kakophonische Bildeffekte und viel Digitaltechnik - ein Hauch vom Stil der "Sherlock Holmes"-Kinoverfilmungen des gleichen Regisseurs mit viel Krach, Zack, Bumm und wenig Substanz.
Mit anderen Worten: Man kann diesen Film gut angucken, viel bleiben wird von König Arthur - die Legende des Schwerts nicht - auch wenn er auf Fortsetzung angelegt ist, aber das warten wir mal ab. Das Kino wird er auch nicht verändern.
Noch nicht mal die Geschichte der "König Arthur"-Verfilmungen - es sei denn als "Irrweg der visuellen Evolution", wie Andreas Kilb in der FAZ schreibt. Oder "vielleicht wird man Filme wie "King Arthur" irgendwann einmal als Übergangsform zwischen Kino und Videospiel betrachten".
Warum wird der Mythos erzählt?
Die postmodernen Kunden solcher Filme träumen die Artus-Legende in anderer Form weiter: In der Geschichte des Emmanuel Macron, des strahlenden Ritters, der die "vom Meer kommende" blonde Bestie Marine besiegte und Frankreichs Thron bestieg. Jetzt werden weitere Heldentaten von ihm erwartet. Da ist er wieder der Kampf zwischen einer edlen und einer finsteren Welt, wie sie sich die höfischen Gesellschaften des Mittelalters vorstellten, auch wenn es sie so nie gab. Die Artus-Legenden, das waren die Top-Serien jenes Zeitalters.
Macron, der jüngste Herrscher Frankreichs seit Napoleon Bonaparte, hat das Zeug zum König Artus des 21. Jahrhundert zu werden. Wie Artus das Schwert Excalibur am Anfang seiner Karriere ganz kinderleicht aus dem Zauberstein zog, nachdem sich zuvor der komplette Adel Britanniens vergeblich daran abgemüht hatte, so gelang es Macron, als sei auch er schon immer von den Göttern auserkoren, zu herrschen, die Macht in Frankreich zu erringen. Es ist schon jetzt eine beispiellose Laufbahn.