Der Infanterist der Zukunft
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Die EU-Kriegspolitik evoziert Wachstumsschübe auf dem Rüstungsmarkt, die Bürger werden ideologisch eingeschworen
Die Düsseldorfer Waffenschmiede Rheinmetall (Slogan: Mobility.Security.Passion.) hat Zahlen vorgelegt. Der Rüstungsbereich "Defence" überspringt 2017 demnach erstmals die 3-Milliarden-Marke. Die Defence-Sparte des Konzerns tritt als führendes europäisches Systemhaus für Heerestechnik auf und sieht sich nach eigenen Angaben als "zuverlässiger Partner der Streitkräfte". Dazu passt die kürzlich in Brüssel neu eröffnete Repräsentanz der Rheinmetall Groupe, zuständig für EU- und NATO-Angelegenheiten.
Damit steht zu erwarten, dass europäische Streitkräfte demnächst mit deutscher Technologie in den Krieg ziehen können, derweil die Aussicht auf millionen-, vermutlich sogar milliardenschwere Aufträge für gute Stimmung in der deutschen Rüstungsindustrie sorgen dürfte.
"Infanterist der Zukunft"
2012 startete die Bundeswehr in drei Losen die Beschaffung hoch spezieller technologischer Systeme zur Ausstattung ihrer Truppe. Es handelt sich um High-Tech für jeweils eine Zehn-Mann-Gruppe. Hinter dem Namen "Infanterist der Zukunft" (IdZ) steckt die Idee einer modularen Kampfausstattung, die die Soldaten auf die Einsätze des 21. Jahrhunderts trimmen soll (Rheinmetall und der gesamtheitlich integrierte Soldat).
Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnologie und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) orderte im vergangenen Jahr bei Rheinmetall aktuell 68 Zugausstattungen des Systems IdZ-ES ("Infanterist der Zukunft-Erweitertes System"), Bruttowert: 370 Millionen Euro. Die Auslieferung an die Truppe erfolgt 2018 und soll bis Ende 2020 abgeschlossen sein. 90 frühere Ausstattungspakete gehören schon zum Infanterie-Bestand. Seit dem Sommer 2013 wird IdZ-ES unter schwierigsten Einsatzbedingungen in Afghanistan verwendet, mit unsicheren Ergebnissen.
Mit sogenannten Soldatensystemen kennt Rheinmetall sich nach eigenem Bekunden aus und bietet "maßgeschneiderte Lösungen". Bei der jetzigen Beauftragung steht der Zug im Mittelpunkt. Mit den neuen 68 Zugsystemen lassen sich um die 2.500 Soldaten ausrüsten.
IdZ-ES soll als ganzheitlicher Systemansatz das Gesamtsystem Infanterie in die Operationsführung integrieren. Das schließt den Infanterie- bzw. Panzergrenadierzug mitsamt Fahrzeugen und darin verbaute Basisstationen ein. Zentrale Elemente sind dabei, so schildert es Rheinmetall, ein akkubetriebener Kernrechner und ein Helmsystem. Der über einen Akkupack mit Energie versorgte Rechner wird auf dem Rücken getragen ("Elektronischer Rücken") und steuert über Schnittstellen die Geräte und Sensoren, die der Soldat mitführt.
Den Tod im Visier
Klingt nach Gameplay: Das Helmsystem zeigt die Daten zum Kampfauftrag und zur militärischen Lage auf einem Display. Über eine manuelle Bedieneinheit (Bedien- und Anzeigegerät, BAG) lassen sich System und Kommunikation steuern. Auf dem BAG oder alternativ seinem Helmdisplay kann der Soldat alle relevanten Daten zur Lage, zur Position eigener Kräfte (blue force tracking), zu Auftrag und Systemstatus erkennen. Das System verarbeitet diverse Sensordaten (zum Beispiel Eigenposition und Blickrichtung), tauscht Aufklärungs- und Zieldaten aus (zum Beispiel Zielmeldungen für Artillerie oder Mörser) und erleichtert die Navigation über Karte/Lagedarstellung. An den Handwaffen befinden sich zudem drahtlose Push-to-Talk-Tasten, die es erlauben, mit angeschlagener Waffe zu funken. Zudem lassen die Handwaffen sich mit optischen und optronischen Gadgets erweitern.
Die Vernetzung mit anderen Truppenteilen erfolgt über den Transportpanzer Boxer oder über den Schützenpanzer Puma mittels eines Infosystems ("Führungsinfosystem Heer"). Auch die Aufklärungsdaten weiterer technischer Hilfsmittel können in das System des Infanteristen der Zukunft übertragen werden, zu denken ist etwa an Kleinstfluggeräte wie die Drohne EMT ALADIN ("Abbildende luftgestützte Aufklärungsdrohne im Nächstbereich"), die bereits seit Jahren bei Operationen in Afghanistan eingesetzt wird, an den AirRobot MIKADO ("Mikroaufklärungsdrohne für den Ortsbereich") oder geländegängige Kleinfahrzeuge, die ferngesteuert operieren, wenn der Einsatz von Menschen zu riskant wäre.
Das alles nimmt sich zunächst mal reichlich "clean" aus, aber wie es sich in einem echten Krieg anfühlt, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls hat der Future Soldier den Tod im Visier. Kritiker erkennen in den zunehmenden High-Tech-Komponenten aber nicht nur eine riskante Ablenkung vom tatsächlichen Kampfgeschehen (und damit schlicht eine Überforderung der Wahrnehmung), sondern auch eine "schleichende Autonomisierung" - mit allen fraglichen Konsequenzen, auch denen der letztgültigen Handlungskompetenz.