Der Iranische Frühling kommt

Seite 5: Wie wird es weitergehen?

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Die Protestaktion ist abgeflaut, sie ist aber entgegen der Behauptungen der iranischen Offiziellen nicht zu Ende. Anfang dieser Woche hat ein Streik in einer Zuckerfabrik begonnen. Am selben Tag gab es eine Straßenschlacht in der Stadt Urmia im Nordwesten Irans, die Hauptstadt der Provinz West-Aserbaidschan, und am Samstag hatte der Bazar von Urmia zwecks der Unterstützung der Protestierenden ihre Läden nicht geöffnet. In der Stadt Ahvaz war es Anfang der Woche ebenfalls zu Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften gekommen.

Es muss nicht der Ausgang dieser Protestaktionen sein, aber der Iranische Frühling wird kommen.

Die Bewegung hatte keine Führung, weil sie spontan ausbrach und das war ihre Schwäche. Das muss aber nichts heißen. Die "Grüne Bewegung" hatte eine Führung, und gerade das war ihre Schwäche. Karrubi und Moussavi kamen aus dem Inneren des Systems und blockierten den Verlauf der Proteste, in dem sie die Demonstranten am Ausharren auf der Straße hinderten. Interessant ist, dass kein Mensch die Namen dieser beiden und ihre Freilassung skandiert hat. Sie stehen bis heute unter Hausarrest.

Die Demonstranten sind nicht die Mittelschichtsangehörigen, die nach dem Verbleib ihrer Stimme schreien. Es sind Arbeiter, die keinen oder nur verspätetet ausgezahlten Lohn bekommen und am Verhungern sind. Es sind Rentner, die vierzig Jahre lang geschuftet haben und jetzt nicht wissen, wie sie das tägliche Überleben meistern sollen.

Es sind Universitätsabsolventen, die entweder arbeitslos sind oder mit Jobs an der Hungergrenze, etwa als Straßenhändler, das Leben bestreiten müssen. Die Mittelschicht hat sich noch nicht in der Breite angeschlossen. Die Demonstranten durchkreuzten ein für alle Mal eines der Hauptprinzipien des Regimes, Taqiyya (Täuschung, List und Lüge) indem sie sich nicht mehr sagen lassen: "Wenn ihr arm seid und hungert, ist das den Sanktionen des Auslands geschuldet."

Man weiß nun, dass sie auch ohne Sanktionen arm dran wären, dass Irans Problem struktureller Natur ist und mit einem völlig inkompetenten, korrupten, an religiösen Dogma ausgerichtetem Regime zu tun hat.

Elite und Korruption

Mit dem Wechsel der Figuren (von Khatami zu Ahmadinedschad, von Ahmadinedschad zu Rohani) ist es nicht getan. Im Prinzip handelt es sich um 400 bis 600 Personen, welche in diesen fast vier Jahrzenten an höchsten staatlichen Positionen tätig waren bzw. sind und stets ihre Posten wechseln.

Das gilt auch für das Kabinett von Hassan Rohani einschließlich Rohani selbst. Sein ehemaliger Industrieminister Mohammad Nematzadeh leitete neben seiner Behörde mindestens 18 große Firmen und ist in stärkstem Maße in Korruption verwickelt. Hussein Fereydun, der Bruder des Präsidenten, war bereits im Juli 2017 wegen seiner Verwicklung in Korruptionsaffären verhaftet worden.

Parlamentspräsident Ali Laridschani und seinem Bruder Sadegh Amoli Laridschani, der Leiter der Judikative, wurden bereits gegen Ende der Präsidentschaft Ahmadinedschads Korruption nachgewiesen. Im neuen Kabinett sitzt mit dem jungen Mohammad Javad Azari Jahromi als Kommunikationsminister jemand, der Abteilungsleiter für Abhörangelegenheiten in Ahmadinedschads Regierung war.

Zahlreiche prominente Persönlichkeiten aus Politik (außerhalb des Regimes), Zivilgesellschaft, Kunst, Sport etc., aber auch der hohe sunnitische Geistliche wie Moulavi Abdulhamid haben ihre ausdrückliche Unterstützung für die Proteste bekundet.