Der Krieg gegen den Terror mündet in den Krieg gegen die Drogen
Die US-Regierung setzt im mittelamerikanischen "Hinterhof" weiterhin Militär mit Strategien ein, die angeblich aus den Kriegen in Afghanistan und im Irak gelernt wurden
Anstatt den gescheiterten "Krieg gegen die Drogen" zu beenden und zu einer Veränderung der Drogenpolitik zu kommen, setzt die US-Regierung diesen auch weiterhin militärisch in Lateinamerika fort. So sind US-Soldaten - neben bewaffneten Mitarbeiter der Drogenbehörde DEA - auch in den mittelamerikanischen Ländern Honduras, Guatemala, El Salvador und Kolumbien vorwiegend im Antidrogeneinsatz tätig. Angeblich hat man aus den Kriegserfahrungen in Afghanistan und im Irak gelernt.
Während der von den USA gewünschte Krieg gegen die Drogen in Mexiko bereits zu Zehntausenden von Toten geführt hat, wurden mittelamerikanische Länder nahezu zu failed states, da die Banden wie die Maras, die oft aus den USA abgeschobenen Latinos bestehen, zusammen mit den Drogenkartellen große Teile beherrschen und die Regierungen hier ebenfalls ohne wirkliche Erfolge Militär gegen diese einsetzt. Um das Versinken in Chaos, Gewalt und Bürgerkrieg zu verhindern, werden die Stimmen in Mittelamerika lauter, die eine Freigabe der Drogen fordern, um der Drogenmafia das Geschäft zu verderben, das vor durch den Verkauf der Drogen auf dem Hauptmarkt in den USA gemacht wird. Doch mit allen Mitteln hält auch die US-Regierung unter Präsident Obama am Krieg gegen die Drogen fest - und damit auch die Länder, auf die die USA noch Einfluss hat.
Mit der Militarisierung der Drogenbekämpfung lässt die US-Regierung weiter die Grenzen zwischen der Strafverfolgung und dem "Krieg gegen den Terror" verschwimmen. Seit 2005 operieren 5 Einheiten mit jeweils 10 Mann, meist Militärveteranen, im Rahmen des DEA-Programms FAST (Foreign-deployed Advisory Support Team) unter der Leitung von Robert Seals, ehemals Mitglied der Spezialeinheit Navy Seals. Trainiert und ausgerüstet werden die vom Pentagon, sie fliegen auch in Militärmaschinen. Neben der Ausbildung von lokalen Sicherheitskräften erledigen sie auch Einsätze, angeblich in Zusammenarbeit und unter der Leitung der lokalen Sicherheitskräfte. Die Einsätze, etwas auch in Haiti, geschehen verdeckt, Einzelheiten sind wenige bekannt.
In Honduras, das nach dem von der reichen Elite getragenen Militärputsch und trotz Wahlen zum mittlerweile tödlichsten Land der Welt geworden ist, hat das Pentagon mittlerweile vier Außenlager eingerichtet, wie die New York Times berichtet. Flogen die US-Soldaten bislang zu ihrem Einsatz vom US-Stützpunkt in der Hauptstadt, wurden die einfachen Außenlager für jeweils 55 Mann wie in Afghanistan und im Irak an wichtigen Punkten platziert, um schneller eingreifen zu können. Für die Washington Post zieht das Pentagon mit dieser Offensive die Lehren aus dem Antiterrorkampf: kleine, genau eingegrenzte Einsätze gegen Aufständische, Terroristen oder eben auch Kriminelle mit wenigen Soldaten, die zumindest pro forma von den einheimischen Sicherheitskräften geleitet werden.
Angeblich sind die Einsätze in Lateinamerika, dem einstigen "Hinterhof" der USA, in dem diese zur Machterhaltung brutale Diktatauren auch militärisch unterstützt haben, strikten Regeln unterworfen, die den US-Soldaten einen Kampfeinsatz verbieten. Sie dürfen nur zur Selbstverteidigung schießen. Militärische Beihilfe darf das Pentagon als Relikt aus der früheren Unterstützung von Diktaturen auch nur in lateinamerikanischen Ländern leisten, in denen keine Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Im Fall von Honduras sehen das Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch allerdings kritisch, aber im Krieg gegen die Drogen schaut man schon mal nicht so genau hin oder nimmt nicht wahr, was die honduranische Menschenrechtsorganisation Cofadeh berichtet.
Geleitet wird die Joint Task Force-Barvo mit 600 Soldaten für Mittelamerika von Colonel Brown, der auch einmal für das südliche Bagdad verantwortlich war. Er hat den Auftrag, zurückhaltend und möglichst im Hintergrund zu agieren und die lokalen Behörden, aber auch die Kollegen von der DEA mit Personal, Flugzeugen, Drohnen und anderweitig zu unterstützen. Brown erklärt, dass seine Soldaten mit dem Kampf gegen organisierte Kriminalität die Stabilität in den Einsatzländern fördern würden, um dadurch Investitionen, Wirtschaftswachstum und sinkende Gewalt zu ermöglichen. Und irgendwie ist es dann auch nationale Selbstverteidigung und die Fortführung des "Kriegs gegen den Terror", was sich schon länger angekündigt hat ("Pockets of Darkness"): "Wir stören und vernichten damit auch die mögliche Verbindung zwischen transnational organisierten Kriminellen und Terroristen, die unserem Land Schaden zufügen können." Und im Kampf gegen die Terroristen ist wie einst im Kampf gegen die Kommunisten einfach vieles erlaubt.
Mit erneuten Militäreinsätzen in Honduras werden auch die Erinnerungen an den Iran-Contra-Skandal unter der Präsidentschaft von Ronald Reagan Mitte der 1980er Jahre wach. George H. W. Bush war damals Vizepräsident. Reagan hatte ein geheimes Programm gestattet, um gegen den Willen des US-Kongresses mit dem heimlichen Verkauf von Waffen an den verfeindeten Iran nach dem islamischen Revolution Geld zu erhalten, mit dem die von der CIA ausgebildeten Contras im Kampf gegen die linken Sandinisten in Nicaragua, die den von den USA gedeckten Diktator Somoza gestürzt hatten, finanziell unterstützt wurden. Im Kampf gegen die Bösen wurden auch toleriert, dass die Contras Drogenhandel betrieben.
Honduras war damals eine Militärdiktatur und diente den USA auch dazu, gegen Linke in El Salvador und Guatemala zu kämpfen. Niemand aus der Regierung und aus dem Pentagon wurde zur Verantwortung gezogen, nur der militärischer Berater des Nationalen Sicherheitsrates, Oliver North, der pflichtgemäß Akten vernichtete, wurde zum Sündenbock, der dann aber im Krieg gegen den Terror wieder Karriere machte. Er war zwar verurteilt worden, seine Strafe aber wurde gleich wieder aufgehoben. Verantwortlicher Botschafter in Honduras war übrigens Negroponto, der von der G.W.Bush wie viele Mittäter beim Iran-Contra-Skandal, wieder in Amt und Würden als US-Botschafter im Irak, dann als oberster Geheimdienstchef und schließlich als stellvertretender Außenminister kam (John Negroponte, künftiger US-Botschafter und heimlicher Herrscher im Irak).