Der Mythos von der gesunden Hafermilch

Milch aus Kokosnuss, Reis, Hafer und Haselnuss in Regalen in einem Supermarkt

(Bild: pixinoo / Shutterstock.com)

Hafermilch, Sojamilch & Co. erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Eine neue Studie zeigt jedoch: Die Herstellung zerstört Nährstoffe und birgt Gesundheitsrisiken.

Der weltweite Markt für Pflanzenmilch boomt. Ob Hafer-, Mandel-, Soja- oder Reismilch: In den vergangenen zehn Jahren haben sich die pflanzlichen Alternativen zur Kuhmilch im Supermarktregal breitgemacht. Allein in Deutschland hat sich der Absatz in den Jahren 2018 bis 2022 mehr als verdoppelt.

Doch auch wenn sie in der Regel nachhaltiger sind als Kuhmilch, sind sie wirklich die gesündere Wahl? Eine neue Studie dämpft die Euphorie.

Forscher der Universität Kopenhagen und der Universität Brescia in Italien haben untersucht, wie sich die Herstellung auf die Nährstoffqualität von zehn verschiedenen Pflanzenmilch-Produkten auswirkt. Dabei stellten sie diese der Kuhmilch gegenüber. Mit einem ernüchternden Ergebnis. Marianne Nissen Lund, Hauptautorin der Studie und Professorin am Department of Food Science, sagt:

Wir müssen definitiv mehr pflanzliche Lebensmittel konsumieren. Aber wer nach einer vollwertigen Ernährung sucht und glaubt, Pflanzenmilch könne Kuhmilch ersetzen, täuscht sich.

Herstellung zerstört Nährstoffe

Während Milch quasi als fertiges Produkt aus der Kuh kommt, erfordert die Herstellung von Hafer-, Reis- oder Mandelmilch eine intensive Verarbeitung. Zudem wurde jede untersuchte Pflanzenmilch einer sogenannten Ultrahocherhitzung (UHT) unterzogen, um die Haltbarkeit zu verlängern.

Kuhmilch wird in Deutschland auch zum Großteil ultrahocherhitzt, um sie länger haltbar zu machen. Im Kühlregal wird aber auch Milch angeboten, die schonender behandelt wurde, was einen erheblichen Unterschied im Grad der Verarbeitung zur Pflanzenmilch ausmachen dürfte.

Und die Universität Kopenhagen macht in ihrer Erklärung darauf aufmerksam, dass in Dänemark Milch in der Regel nur im Kühlregal zu finden ist und sie nur schwach pasteurisiert ist. Lund erklärt:

Trotz steigender Verkaufszahlen von Pflanzenmilch bleibt der Absatz von Kuhmilch höher. Folglich werden pflanzliche Getränke einer intensiveren Hitzebehandlung unterzogen als die typischerweise in Dänemark verkaufte Milch, um ihre Haltbarkeit zu verlängern. Aber diese Behandlung hat ihren Preis.

Für die Qualität der enthaltenen Nährstoffe wird die Hitzebehandlung zum Problem, wie Lund sagt. Denn sie löst eine chemische Reaktion zwischen Proteinen und Zucker aus, die sogenannte Maillard-Reaktion.

Der Ernährungsprofessor Lars Ove Dragsted gibt zu bedenken, dass die chemischen Verbindungen, die bei der Maillard-Reaktion entstehen, im Allgemeinen unerwünscht sind. Schließlich könnten sie Entzündungen im Körper verstärken. Sie werden auch mit einem erhöhten Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht.

„Die meisten Pflanzenmilch-Getränke haben bereits deutlich weniger Eiweiß als Kuhmilch. Und das ohnehin schon wenige Protein wird durch die Hitzebehandlung zusätzlich verändert“, so Lund. „Das führt zum Verlust einiger essenzieller Aminosäuren, die für uns unglaublich wichtig sind.“

Zum Vergleich: Die in der Studie verwendete UHT-behandelte Kuhmilch enthält 3,4 Gramm Eiweiß pro Liter. Acht von zehn untersuchten Pflanzenmilch-Getränken enthielten dagegen nur zwischen 0,4 und 1,1 Gramm Eiweiß. Auch die Gehalte an essenziellen Aminosäuren waren in allen Pflanzenmilch-Produkten niedriger.

Potenziell krebserregende Stoffe gefunden

Die Hitzebehandlung verringert nicht nur den Nährwert, sondern lässt mitunter auch krebserregende Stoffe entstehen. So wurde etwa mit Acrylamid ein Stoff nachgewiesen, der als potenziell krebserregend eingestuft wird und eigentlich nicht in flüssigen Lebensmitteln vorkommt.

In vier Produkten aus Mandeln und Hafer konnten die Forscher ihn jedoch nachweisen. Als mutmaßliche Quelle nennt Lund geröstete Mandeln, die verarbeitet wurden. Die Konzentration war jedoch so gering, dass nach Ansicht der Forscher keine Gefahr von der Pflanzenmilch ausging.

Je nachdem, was man sonst noch zu sich nehme, könne sich die Menge an Acrylamid aber auf ein gesundheitsgefährdendes Niveau summieren, so Lund. Lebensmittel, in denen der Stoff noch vorkommen kann, sind: Brot, Kekse, Kaffeebohnen, Bratkartoffeln und Pommes frites.

Verbraucher benötigen mehr Info

Um das Risiko zu minimieren, rät Lund Verbrauchern, die Pflanzenmilch nach dem Kauf im Kühlschrank statt im Vorratsschrank aufzubewahren. Das halte die Maillard-Reaktionsprodukte niedriger als bei Lagerung bei Raumtemperatur.

Generell gelte: „Je weniger ein Lebensmittel verarbeitet ist, desto besser“. Ihr Rat an Verbraucher lautet daher:

Entscheiden Sie sich im Allgemeinen für die am wenigsten verarbeiteten Lebensmittel und Getränke und versuchen Sie, so viel wie möglich selbst zuzubereiten. Wenn Sie sich von Anfang an gesund ernähren, können Sie auf jeden Fall auch Getränke auf pflanzlicher Basis in Ihre Ernährung aufnehmen – achten Sie nur darauf, dass Sie Ihre Nährstoffe aus anderen Lebensmitteln beziehen.

Zudem plädiert die Professorin dafür, die Nährwertangaben auf Verpackungen um Details wie die Menge an essenziellen Aminosäuren zu ergänzen:

Das würde Verbrauchern ein klareres Bild von der Eiweißqualität geben. Viele Menschen betrachten Eiweiß einfach als Eiweiß, aber das ist nicht der Fall. Es gibt einen bedeutenden Unterschied in der Eiweißqualität von Produkt zu Produkt.

An die Hersteller appelliert Lund, ihre Produkte weiterzuentwickeln und das Ausmaß der Verarbeitung zu überdenken