"Der Nato und einer starken transatlantischen Allianz verpflichtet"

Seite 3: "Regelbasierte Ordnung" versus Völkerrecht

"Wir wollen uns gemeinsam für den weltweiten Menschenrechtsschutz und eine regelbasierte Weltordnung einsetzen" heißt es im Wahlprogramm. Deutschland und EU sollen dazu "mehr außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen" ‒ die gängige Umschreibung für Großmachtstreben durch stärkere Aufrüstung und Interventionen in andere Länder.

Die gemeinsame Verteidigung der "regelbasierten internationalen Ordnung", die von Peking und Moskau infrage gestellt würde, durchzog auch die Erklärungen auf den Gipfeln der G7 und der Nato. Der Begriff "regelbasierte Ordnung" hat sich offensichtlich etabliert, um den Begriff Völkerrecht zu vermeiden.

Völkerrecht ist kodifiziertes Recht, festgelegt in der UN-Charta, UN-Konventionen und internationalen Verträgen, ergänzt durch Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der UN-Vollversammlung. Die "regelbasierte Ordnung", von der die Nato-Mächte und die Grünen reden, ist schlicht die, die sie ‒ als "die Guten" ‒ selbst festlegen. So gebührt es dem Hegemon und wird von den USA auch schon lange praktiziert.

Unter Berufung auf diese Ordnung will man auch weiterhin am Völkerrecht vorbei sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischen, ihre Souveränität missachten, sie mit Wirtschaftsblockaden strangulieren oder gar militärisch intervenieren können.

Geradezu zynisch wird die Propaganda, wenn China und Russland vorgeworfen wird, "die Standards der internationalen Rechtsordnung" nicht einzuhalten. Schließlich haben nicht sie Jugoslawien, den Irak oder Libyen überfallen und verstoßen mit ihrer Intervention in Syrien eklatant gegen internationales Recht.

"Regime Change" und humanitäre Interventionen

Der Interventionismus der Grünen richtet sich bekanntlich nicht nur gegen Russland und China. Sie unterstützen auch aktiv die "Regime Change"-Bemühungen in Ländern wie Syrien, Venezuela und Bolivien. Die Interessen und politischen Wünsche der Bevölkerungsmehrheit spielen dabei keine Rolle und auch nicht, wie wenig fortschrittlich und demokratisch die oppositionellen Kräfte sind.

Ganz egal, ob es sich um Dschihadisten oder Erzreaktionäre handelt, Hauptsache sie versprechen die Unterordnung des jeweiligen Landes unter westliche Interessen.

Besonders deutlich wurde dies beim Umsturz 2014 in der Ukraine, wo sich führende Grüne auch durch die führende Rolle rechtsradikaler bis faschistischer Banden nicht von ihrer aktiven Unterstützung abschrecken ließen.

Sie stellten sich 2011 auch hinter den Nato-Krieg gegen Libyen und machten stets deutlich, dass es unter einem grünen Außenminister keine Enthaltung im UN-Sicherheitsrat bei der Resolution gegeben hätte, die als Legitimation für den Überfall genutzt wurde.

Folgerichtig machen sich die Grünen auch weiterhin für das Konzept der "Schutzverantwortung" stark, auch, so heißt es im Wahlprogramm, unter "Anwendung militärischer Gewalt als Ultima Ratio". Um solche "humanitären Interventionen" auch dann durch ein UN-Mandat legitimieren zu können, "wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht" würde, fordern sie eine Reform der UNO.

In diesem Fall soll die Generalversammlung an der Stelle des Sicherheitsrats über friedenserzwingende Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen. Eine Überwindung eines Vetos in dem von Nato-Staaten dominierten Sicherheitsrat durch eine Mehrheit der UNO klingt zunächst demokratisch.

Bei vielen Vetos der USA, die bisher die meisten Resolutionen blockierten, hätte man sich eine solche Möglichkeit gewünscht. Die Grünen haben jedoch die Vetos der Rivalen China und Russland im Blick und bauen darauf, dass der Westen noch immer über genügend Einfluss und Druckmittel verfügt, die nötigen Mehrheiten zu sichern.

Von den bisherigen Erfahrungen mit militärischen "Schutz-Interventionen" der Nato-Staaten lassen sie sich nicht irritieren. Ob Irak, Jugoslawien oder Libyen, in allen Fällen, haben sich die Vorwürfe, mit denen die Kriege gerechtfertigt wurden, als falsch erwiesen.4

Die Folgen für die Menschen, die man angeblich schützen wollte, sind bis heute verheerend. Libyen ist das Paradebeispiel dafür. Der Nato-Krieg zum Sturz Muammar al-Gaddafis gilt schließlich als erster Anwendungsfall des 2005 durch die UNO eingeführte Konzept der "Schutzverantwortung" ("Responsibility to Protect", abgekürzt R2P), das die etwas in Verruf geratene "humanitäre Intervention" ablösen sollte.

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