Der Parteiphilosoph der AfD, von dem Anhänger den großen Wurf erwarten

Seite 2: Jongen will "intellektuelle Unterstützung" für den "volkstümlichen Protest" bieten

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Wie auch immer, man darf vermuten, dass Jongen aus geistiger Nähe zu seinem eigenen Denken bei Sloterdijk reüssierte, auch wenn er sich selbst von der AfD entfernt hält und eben sowieso allen Politikern ein wahrheitsloses Dasein unterstellt. Jongen durfte immer mal wieder ein Seminar veranstalten, bei dem der Übervater bei Lust mal vorbeischaute. Besonders rege im eigenständigen Veröffentlichen war der Adlatus des deutschen Meisterdenkers allerdings nicht, er gab lieber Bücher von Veranstaltungen der Hochschule heraus. Aber als nicht dumpfbackiger Trendsetter der deutschnationalen Bewegung im Umkreis von AfD oder Pegida mag Jongen erhellend dafür sein, was mittlerweile auch andere Intellektuelle im Gefolge von Sloterdijk und Safranski lockt, endlich einmal wieder politisch subversiv sein zu wollen und sich im Widerstand gegenüber der Regierungsmacht, wahrscheinlich nicht zufällig repräsentiert von einer Frau, zu üben.

Manche erwarten dennoch von Jongen Großes, er stehe vor dem "Abschluss einer philosophischen Grundlegung der AfD", raunte etwa Götz Kubitschek in der rechtsnationalen Sezession und ist ganz angetan von der Anhebung der "Thymos-Spannung in unserer Gesellschaft", gerne von weniger philosophisch gestimmten Abendlandrettern zum Ausdruck gebracht durch das Gröhlen von "Wir sind das Volk" oder "Merkel muss weg", mitunter vielleicht auch durch das Abfackeln von Flüchtlingsheimen. Kubitschek ist auch Abendlandretter und sieht sich als Avantgardist der Bewegung zum "Erhalt der ethnokulturellen Identität Deutschlands", früher nannte man das völkischen Nationalismus.

In der Sezession wird der von Jongen als politisches Programm propagierte "thymos", auch Wut. Zorn, Empörung, Mut genannt, gefeiert. Jongen selbst fühlt sich allerdings trotz seiner konstatierten thymotischen "Unterversorgung" der Deutschen von der Süddeutschen diffamiert, die ihn in einem Bericht "Wutdenker" nannte, wo sie doch wohl gewählter oder verschleierter hätte von "Thymos-Denker" schreiben müssen, der, wie er selbst sagt, dafür sorgen will, dass "der volkstümliche Protest intellektuelle Unterstützung erhält" und der "Selbstabschaffungsfuror" mitsamt dem "Hypermoralismus" endet. Jongen gehört zu den politischen Apokalyptikern, da müssen von dem "Avantgarde-Konservativen" der Abgrund und der Untergang ständig ausgemalt werden, um als Retter mutig auftreten zu können, wo sonst niemand die Wahrheit sagt.

Gerade wird in der Sezession vom nationalen Widerstand des Thymos-Aufstands geträumt. Vorbild u.a.: die "Strahlkraft der aktuellen nationalpolitischen Entwicklungen in Ungarn". Gefeiert werden Überlegungen zum "politischen Widerstandsrecht" und man hofft, dass die "immer brüchiger werdenden, 'hypermoralischen' Einhegungen des Widerstandspotentials im Volk angesichts des Flüchtlingsansturms" bald ganz wegfallen. Man sieht, man drückt sich dort gewählt aus, fehlt halt noch das große philosophische Manifest von Jongen.

Jongen hatte sich letztes Jahr gegen Lucke und auf die Seite von Petry gestellt. Im Juni 2015, also noch vor der großen Flüchtlingswelle, beschrieb er, was für ihn die Anhänger der Partei auszeichnet, die offenbar weniger Alternative als vor allem Protestpartei sein soll:

Der Protest richtete sich viel umfassender gegen den korrupten Zustand einer Politik, die dem Volk unkontrollierte Masseneinwanderung als "Bereicherung" verkauft, die es mit Gender-Neusprech und Quotenunwesen traktiert, die das Bildungssystem zum ideologischen Versuchslager umfunktioniert und die in hündischer Ergebenheit jede noch so garstige Suppe auslöffelt, die die USA oder die EU ihr einbrocken. Mit diesem gesamten Empörungsfeld, vom Establishment arrogant als "Ressentiments" abgetan, muss in enger Fühlung stehen, wer eine Partei wie die AfD erfolgreich führen will.