Der Raucher als Rebell
Gestern wie heute - die qualmende Zigarette als Symbol der Auflehnung
James Dean hat es vorgemacht; gelassen, mit einer Zigarette im Mundwinkel, posierte er auf vielen Fotos und in seinen Filmen. Er, der als der Rebell schlechthin galt, verankerte damit ein Revoluzzerbild, welches von seinen Filmerben oftmals übernommen wurde. In "Easy Rider" raucht Peter Fonda dem Zeitgeist entsprechend einen Joint, in "Fight Club" sieht man Brad Pitt dann wieder ganz traditionell mit Zigarette. Man könnte meinen, da hätte man schon in den 50er Jahren geahnt, was die 90er an Anti-Raucher-Kampagnen bringen würden und schon mal die brennende Zigarette zu einem Symbol des Widerstandes gegen den Mainstream erhoben.
Die Intention war wohl aber doch eine andere. Die Zigarette bei James Dean wirkte einfach cool. Unter moralischen Gesichtspunkten mag dies heute höchst zweifelhaft erscheinen, schließlich wirkte und wirkt dieses, durch die Werbung später noch hochstilisierte Bild, vor allem auch auf Jugendliche. Der Fakt selbst bleibt davon unbeeinflusst. Bei James Dean war die Zigarette cool und wird es auch bleiben. Sein Gesamtbild einer "coolen" Person war die Auflehnung gegen die erzkonservative Lebensweise dieser Zeit, woraus sich jedoch die Frage ergibt: Weshalb raucht Brad Pitt eigentlich in "Fight Club"?
In den 90ern ist es längst kein Zeichen von Rebellion gegen überkommene Moralstrukturen mehr, so cool wie James Dean zu sein. Im Gegenteil, man kann es in vielen sozialen Kreisen schon fast als Anpassung an den Mainstream betrachten. Nein, diese Zeiten sind vorbei. Zu einem Symbol des Widerstandes gegen den aktuellen Zeitgeist entwickelt sich die Zigarette aber trotzdem wieder. Ein besonders gutes Bild solch eines rebellierenden Verhaltens gibt Brat Pitts weibliche Filmpartnerin in "Fight Club", Marla Singer (gespielt von Helena Bonham Carter), ab. Sie raucht nicht nur, während sie rebelliert, sie rebelliert durch das Rauchen selbst. Vor ihr sind nicht einmal die Treffen der anonymen Tuberkulosekranken sicher, und die Frage, die ständig im Raum steht, ist: Würde sie auch rauchen, wenn es die Leute gar nicht stören würde?
Die Antwort darauf gibt der Film nicht, aber es spielt auch keine Rolle, denn die Leute stört es gewaltig. Für Anti-Raucher-Kampagnen werden mittlerweile Unsummen privater und staatlicher Gelder verschleudert. Gerade erst spendete der New Yorker Bürgermeister Bloomberg, der während seiner Amtszeit bereits ein striktes Rauchverbot für Bars und Restaurants durchgesetzt hatte, zu diesem Zweck 125 Mio Dollar. Für Werbeagenturen wird nun aus dem Milliardenmarkt Zigarettenwerbung ein Milliardenmarkt "Anti-Zigarettenwerbung". Raucher werden dabei schon mal zu Bösewichten stilisiert, die für viele Grundübel der Welt verantwortlich sind. Der typische menschliche Reflex, sich eine Minderheit zu suchen, auf der man nach Herzenslust rumhacken kann, um seinen Frust über persönlichen Defizite an Lebensqualität abzureagieren, hat nun endgültig die Raucher erreicht.
Das Establishment will oder muss sich daran anpassen. Wer einen Ruf zu verlieren hat, für den wird es schon immer schwieriger, überhaupt Raucher zu sein. Öffentlich gegen allgemeine Zigarettenverbote zu argumentieren, kann er sich auf keinen Fall mehr leisten. Die allgemeine Stimmung in den Medien erscheint deshalb auch als sehr homogen zuungunsten der Raucher. Leitmedien wie Der Spiegel springen dann einfach nur noch auf diesen Zug auf, mit der in diesem Fall sehr zutreffenden Schlagzeile: Das Ende der Toleranz.
Gefordert wird ein allgemeines Rauchverbot, welches letztendlich gut für alle ist und sogar den sexuellen Verkehr durch so genanntes "Smirting", einem Wortspiel aus Flirt und Smoking, fördern kann. Raucher müssen dann, beispielsweise in Kneipen, notgedrungen vor die Tür und lernen so leichter andere Raucher kennen. "Schöne neue Welt" würde wohl Aldous Huxley darauf all denjenigen entgegnen, die gleichnamiges Buch gelesen und seine Anspielung somit verstehen würden.
Und auch die Politiker, dankbar für jede Möglichkeit, in der Öffentlichkeit gut dazustehen, stimmen sofort in den Tenor ein. Ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden, Gaststätten und im Nahverkehr fordert die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag Katherina Reiche. Die Opposition muss da natürlich noch einen draufsetzen um aufzufallen; der gesamte öffentliche Raum soll, nach Meinung von Martina Bunge, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag und Mitglied der Linkspartei, ebenfalls rauchfrei werden. Sämtliche Straßen, Plätze und Parks fallen beispielsweise hierunter. Die teuren Kampagnen geben solchen Bestrebungen Rückendeckung.
Was aber wäre denn nun so schlimm an einer rauchfreien Welt?
Nichts, wenn alle dies wollten. Ebenso wenig wie eine Welt ohne Alkohol, ohne laute Musik, ohne privaten Autoverkehr, ohne private Tierhaltung, ja, überhaupt ohne privates Vergnügen schlimm wäre. All dies beeinträchtigt schließlich immer auch andere Menschen negativ. Wenn alle Menschen dies wollten, dann könnte man auch versuchen, eine Welt ohne Kontakte zu anderen Menschen zu erschaffen, ohne Beeinträchtigungen der Freiheit der Einen durch die persönliche Freiheit des Anderen. Dies wäre eine Welt aus Eremiten (privater Rückzug) oder eine Welt, die mehr einem Bienenstaat gleicht (allumfassende gesetzliche Beschränkungen) denn einer menschlichen Gesellschaft. Aber wenn alle dies wollten, könnte man dies anstreben.
Wollen dies aber nicht alle, dann muss man ständig von Neuem nach Kompromissen suchen. Menschliches Zusammenleben bedeutet zwangsläufig eine gegenseitige Beeinträchtigung des Einen durch das Tun des Anderen. Einschränkungen sind dabei unumgänglich, aber dabei müssen möglichst viele Rechte des Einzelnen erhalten bleiben. Nur so funktioniert eine freie Gesellschaft. Man kann dem Zigarettenrauch durchaus ablehnend gegenüberstehen. Die negativen Folgen sind mittlerweile allgemein bekannt, das Verständnis für Leute, die in kleinen geschlossenen Büroräumen oder in Restaurants andere zum Mitrauchen zwingen, ist mittlerweile zu Recht weitestgehend verloren gegangen. Doch sollte man auch hier Maß wahren. Rauchverbote an allen öffentlichen Orten, an gut durchlüfteten Bahnhöfen oder in der Kneipe an der Ecke sind völlig unangemessen und nur eine Einschränkung der Freiheitsrechte des Einzelnen, ohne Nutzen für andere.
Menschen neigen dazu, mit ihren oftmals durchaus verständlichen Ansinnen über das eigentliche Ziel hinaus- oder daran vorbeizuschießen. Dies produziert wiederum verständlichen Widerstand, der dann auch oftmals das eigentliche Ziel verfehlt. Rebellen sind ein Produkt der Gesellschaft, ein Symptom für einen Missstand. Die auf Treffen der Tuberkulosekranken rauchende Marla Singer ist solch ein Symptom der Anti-Antiraucherbewegung. Sie ist auch Ausdruck eines fehlenden Gleichgewichts der Interessen verschiedener gesellschaftlicher Akteure, der letztendlich beiden Seiten schadet.
Die Problematik geht weit über die Rauchen-Nichtrauchen-Debatte hinaus. Bei der gegenwärtigen Anti-Terrordiskussion handelt es sich im Grunde genommen um denselben Kampf, nur auf einem anderen Schlachtfeld. Für die Sicherheit weniger werden die Freiheitsrechte aller stark beschnitten. Über kurz oder lang erzwingt das geradezu eine Rebellion dagegen, deren Folgen wesentlich schwerwiegender wären als die durch ein paar Raucherrebellen á la Marla Singer. Unseren Politikern sei deshalb auch besonders hier ein maßvolles Verhalten ans Herz gelegt.
Es gibt einen starken Zeitgeist, der die Freiheitsrechte des Einzelnen nicht mehr als Bedingung eines Zusammenlebens, sondern als eine Gefahr dafür sieht. Die Dämonisierung der Raucher ist nur ein kleiner Teil dieses Problems, aber zusammen mit den anderen Teilen wird es ein großes gefährliches Ganzes. Die Frontlinie des Kampfes gegen die Einschränkung der persönlichen Freiheitsrechte aller Bürger verläuft deshalb auch mitten durch dieses Schlachtfeld.
Der Raucher ist Rebell. Er ist es nicht immer noch, sondern wieder aufs Neue. Dass Raucher bekanntlich ein höheres Gesundheitsrisiko haben als Nichtraucher, ist dabei nur eine zu vernachlässigende Randerscheinung, schließlich weiß ja auch jeder: Rebellen sterben früh.