Der Schlüssel zum Ursprung der menschlichen Sprache steckt in der Phonetik des Pavians

Seite 2: Geheimnis noch nicht ganz gelöst

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Das Geheimnis der menschlichen Sprache ist damit aber noch nicht gelöst. Das Broca-Areal und das Wernicke-Zentrum im Gehirn, vergleichbar dem Ohr-und Mund-Teil eines altertümlichen Telefonhörers - also wichtig für Verständnis und Äußerung von Sprache -, gibt es auch im Gehirn der kleinsten Äffchen. Dort dienen diese Teile anderen Funktionen, aber wir begegnen proto-sprachlichen Elementen in allen unseren äffischen Verwandten. Und nicht nur dort.

Eine Tonaufnahme des typischen Abendgesanges einer Amsel - vergleichbar mit den Sechs-Uhr-Nachrichten im Radio - erweist sich als eine komplexe Komposition, wenn man die Aufnahme einmal langsamer ablaufen lässt. Umgekehrt, nimmt man eine Unterwasseraufnahme des Gesanges eines typischen Blauwals, und beschleunigt die Abspielgeschwindigkeit, vermeint man, dem Gesang einer Amsel zu lauschen. Diese Ähnlichkeiten mögen rein zufällig sein, aber sie sind zu auffällig, um völlig ohne jede Bedeutung zu sein.

Nicht weniger überraschend sind die musikalischen Leistungen eines - schließlich nur halb-walnußgroßen - Katzengehirns, das sich an Musik erinnert, die das Tierchen in seinen ersten sechs Lebensmonaten gehört hat. Nicht anders beim Menschen. Musik, die das Baby in frühester Kindheit hörte, erscheint auch dem 20-Jährigen "vertraut", je nachdem angenehm oder unangenehm. Ich selber konnte erleben, dass der Berliner Dialekt, den ich nur etwa bis zu meinem vierten Lebensjahr gehört hatte, nach kurzer Zeit, als ich mit 37 Jahren Berlin ausführlicher besuchte, wieder komplett restauriert und präsent war. Und auch heute noch versinke ich, wenn ich einmal vor Zorn oder Frust kein Wort mehr hervorbringe und nur noch spotze und stammele, fast automatisch auf die tiefste Stufe meiner sprachlichen Sozialisation und werde wieder zum Berliner.

Diese ganz frühe Sprachschicht habe ich auch bei Babys gesehen, die noch gar nicht sprechen konnten. Ich sprach einmal eine Mutter in Wien an, auf Englisch, deren Kind im Kinderwagen nur einen einzigen Vokal geäußert hatte. Bereits in diesem Vokal war das englische Sprachbild der Mutter perfekt abgebildet.

Zwei Schlussfolgerungen möchte ich hier noch anschließen: Die menschliche Sprache scheint eine genetische Mutation darzustellen, die plötzlich, unter bestimmten Umständen aufgetreten ist, sicher nicht in der Savanne, und sich all jener, bereits in den Affenfamilien von langer Hand vorbereiteten Sprech-Werkzeugen zu bedienen lernte. Um das zu können, um diese komplexe Kombination von Lauten zu schaffen, bedurfte es einer bestimmten Größe und inneren Verdrahtung des Gehirns. Die Paviane, Makaken, und die großen Hominiden, besitzen diese Eigenschaften nicht.

Auch wir modernen Menschen beginnen mit der Sprache manchmal schon mit 15 Monaten und zuweilen erst mit dreieinhalb Jahren. Die Eltern sind besorgt, sie gehen zum Sprachtherapeuten, sie lassen die Ohren des Kindes untersuchen (ob das Mädchen vielleicht schwerhörig ist) und so weiter. Nein, sie ist normal. Und plötzlich, mit dreieinhalb Jahren, beginnt sie zu plappern, in fertigen Sätzen. Und hört nicht mehr auf.

Es scheint da wie bei der Fahrenheit 451 zu sein.1

Es bedarf eines gewissen Hubraums im Gehirn, bevor Sprache einsetzen kann. Das kann beim Dreijährigen zu dem verspäteten Sprachbeginn, zum "Einstein-Syndrom" führen. Aber Sprache "kommt", erst nach der Geburt, weil das Gehirn erst heranreifen muss, aber es ist klar, dass der ganze Evolutionsprozess, der einen Cousin des Pavians zum Menschen werden ließ, sprachgesteuert verlaufen musste. Und verlaufen ist. Denn wir sind es, die auf der Spitze des Empire-State-Buildings stehen - und nicht etwa King Kong.

Es fragt sich indessen, ob z.B. die Hobbits auf Flores, indem sie stets weiter schrumpften, diesen Prozess nicht irgendwann unterschritten, in sein Gegenteil verkehrten, ob die Limbo-Latte nicht zuletzt zu niedrig hing, um ihnen ein Leben als Menschen zu ermöglichen. Aber es ist leicht zu sehen, dass sprachliche Kommunikation, praktisch auf dem gewöhnlichsten Telenovela-Level, fast schon auf der Stufe der Paviane und Makaken, vollkommen ausgereicht hätte. Hunger, Liebe, Eifersucht.

Sogar die kleinsten Äffchen sind perfekte "Space Invaders"-Spieler. Aber irgendwann, vielleicht tatsächlich erst vor 30.000 Jahren, war der Homo sapiens dann auf einmal zu jenen Sprach- und Gedächtnisleistungen fähig, die es ihm erlaubten, die einfachen Abzählreime bei der Fertigung des Faustkeils beiseite zu legen und komplexe Werkzeuge zu erschaffen. Die Zeit des modernen Menschen hatte begonnen. Was dafür wohl den Kick geliefert hat? Ich vermute, einfach die große Zahl, Synergien der gegenseitigen Beeinflussungen.

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