Der Staat als Selbstbedienungsladen der Politik
Seite 2: Jetzt gibt’s Großspenden und Staatsfinanzierung
- Der Staat als Selbstbedienungsladen der Politik
- Jetzt gibt’s Großspenden und Staatsfinanzierung
- Systematische Verstöße gegen die Verfassung
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Als die staatliche Parteienfinanzierung 1959 begann, rechtfertigten blauäugige Politikwissenschaftler wie Theodor Eschenburg das noch mit dem naiven Argument, dadurch werde es möglich, Großspenden zu verbieten, die stets "im Dunstkreis der Korruption stehen".2 Doch daraus wurde nichts. Heute gibt es beides: Großspenden und staatliche Parteienfinanzierung. Hauptsache, es gibt Kohle - woher sie auch kommt. Sie wird stets gern genommen.
Die politischen Parteien haben es sich im System der staatlichen Parteienfinanzierung bequem gemacht. Sie bekommen ihre Millionenbeträge unabhängig davon, wie gut oder schlecht sie im Ansehen der Bevölkerung gerade dastehen. Die einzige Konstante in einer Welt steten Wandels ist: Die Geldbeträge, die politische Parteien, Mandatsträger und Funktionäre kassieren, wachsen unablässig.
Der Staat ist zu ihrem Selbstbedienungsladen geworden, und je mehr sie sich bedienen, desto stärker koppeln sie sich von der Bevölkerung ab. Sie können auch überleben, ohne von der Bevölkerung sonderlich respektiert zu werden.
Die Parteiendemokratie ist zum Parteienstaat heruntergekommen, in dem das Volk keine große Rolle mehr spielt. Im Parteienstaat liegt die Staatsgewalt im Wesentlichen in den Händen der politischen Parteien und der Interessengruppen. Und er ist auf dem besten Weg in den totalen Parteienstaat, in dem politischen Parteien die drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive und Judikative kontrollieren.
Keine Hemmungen beim Griff in die öffentlichen Kassen
Beim Griff in die Kassen haben die politischen Parteien längst alle Hemmungen fallen gelassen. Jedem Bundestagsabgeordneten stehen 16.019 Euro (Stand Oktober 2013) im Monat für die Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Berlin und im Wahlkreis zur Verfügung. Bis zu 12.000 Euro werden im Jahr für Büromaterial, Software, technische Ausstattung, Handy, Internet, Briefpapier, etc. gegen Einzelnachweise vom Bundestag bezahlt. Allerdings sind auch dort dem nackten Betrug Tür und Tor geöffnet.
So befindet sich das Büro eines Abgeordneten in seinem Wahlkreis meist in der Geschäftsstelle seiner Partei. Das ist praktisch; denn so bezahlt der Abgeordnete gleich das Parteibüro aus den Steuergeldern mit, die ihm für den Unterhalt seines Abgeordnetenbüros im Wahlkreis zufließen. Dafür sind die Gelder zwar nicht gedacht, doch wen schert das?
Der von den Steuerzahlern finanzierte Personalapparat von Hilfskräften für die Parlamentarier ist im Laufe der vielen Jahre gewaltig gewachsen. 1952 reichten noch 588 Beschäftigte aus, um die 400 Abgeordneten administrativ zu unterstützen. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Abgeordnetenmitarbeiter von 3.745 im Jahr 2000 auf 6.067 im Jahr 2010 deutlich erhöht. Im Durchschnitt beschäftigt heute jeder Bundestagsabgeordnete rund zehn Mitarbeiter. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ihre Zahl in der 18. Wahlperiode noch einmal gehörig anwachsen wird; denn ihre Zahl wächst von Legislaturperiode zu Legislaturperiode - auch dies eine Art ehernes Gesetz der Bürokratie.
Hemmungslos greifen die Abgeordneten aller Parteien auch in die öffentlichen Kassen, um sich Fraktionszuschüsse zu bewilligen. Das begründen sie so: Die Fraktionen der politischen Parteien in den Parlamenten, übrigens auch auf Landesebene, können ja nicht als Parteiorgane angesehen werden, oder? Nein, natürlich nicht. Die haben ja mit den politischen Parteien so rein gar nichts am Hut. Sie sind Staatsorgane, und Staatsorgane müssen natürlich mit ausreichendem Geld gefüttert werden - nach dem einleuchtenden Motto: Partei ist Partei, Fraktion ist Fraktion und folglich nicht Partei, und Schnaps ist Schnaps…
Wenn es darum geht, in die staatlichen Geldtöpfe zu greifen, sind den Politikern und den politischen Parteien die verwegensten logischen Verrenkungen gerade recht. Hauptsache, am Ende fließen die Gelder. Und die fließen…
Nach dieser fadenscheinigen und im Übrigen auch mit dem Grundgesetz nicht vereinbaren Logik haben Fraktionen Anspruch auf öffentliche finanzielle Förderung. Also haben die Fraktionen sich seit Gründung der Bundesrepublik von Jahr zu Jahr wachsende Geldbeträge aus Haushaltsmitteln bewilligt. Und sie haben dabei kräftig hingelangt: Um das Vierhundertfache sind die Fraktionszuschüsse seit 1950 gestiegen. So stark steigen noch nicht einmal die Einnahmen im Drogenhandel…
Und das hat einen zusätzlichen Vorteil: Die Gelder, die sich die Fraktionen selbst zugeschustert haben, fallen nicht unter die Parteienfinanzierung, sondern werden aus den normalen Haushalten des Bundes oder der Länder gezogen. Niemand soll sagen können, dass die Parteienfinanzierung schon wieder aufgestockt worden sei.
Der Grundsatz ist ganz einfach: Wenn man die Gelder aus möglichst vielen Töpfen zieht, steigt erstens kaum noch einer durch und zweitens verteilt sich die Gesamtsumme auf lauter kleinere Einzelbeträge. Und die Kritiker des frivolen Griffs in viele Kassen haben gewiss Schwierigkeiten eins und eins zusammenzuzählen.
Die politischen Parteien schröpfen den Staat wo sie können
Das mag auf den ersten Blick und für den unbefangenen Beobachter zunächst etwas albern und an den Haaren herbeigezogen wirken, hat aber Methode: Die politischen Parteien und die Politiker schröpfen den Staat, wo sie nur können. Sie haben dabei so gut wie keine Hemmungen. Und der Grundsatz lautet: Die partikularen Interessen der Parteien und der Politiker stehen an erster Stelle. Der Staat und die Steuern zahlenden Bürger stehen auf jeden Fall nicht an erster Stelle.
Wo immer man an der Oberfläche kratzt und den Zusammenhängen auf den Grund geht, zeigt sich stets dasselbe Muster: Die Machteliten in den entwickelten Demokratien haben sich seit langem gegen ihre Bevölkerung zusammengerottet.
Dabei gehen die Fraktionen äußerst trickreich vor. Mit den Fraktionszulagen haben sie einen Weg gefunden, die Finanzierung des Politikbetriebs aus Steuermitteln zu steigern, ohne dass kleine Parteien davon profitieren. Seit 1965 stiegen die Fraktionszuschüsse von rund fünf Millionen auf 186 Millionen Euro - eine Steigerung um das 37-Fache. Es sind Wachstumsraten, die noch sehr viel rasanter sind als das Ansteigen der Parteienfinanzierung, die sich "nur" versiebenfacht hat.
Dass es sich nicht um seriöse Finanzierungsmodelle, sondern um verschlagene Taschenspielertricks handelt, zeigt sich nach heftigen Wahlniederlagen: Wenn eine Partei eine Wahl verloren hat, dann müssten die Fraktionszuschüsse sinken, weil die Fraktionen ja kleiner geworden sind. Das wäre nur konsequent.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Trotz Stimmenverlusten bleiben die Zuschüsse in der alten Höhe bestehen. Nachdem die CDU bei der Landtagswahl in Thüringen 2010 fast 12 Prozent der Stimmen verloren hatte, blieb der monatliche Zuschuss für die CDU-Fraktion von 120.000 Euro dennoch unverändert, obwohl er an die Zahl der Stimmen oder der Abgeordneten gebunden sein müsste.
Im selben Jahr stiegen die Fraktionszulagen in Bayern, wo die CSU 2008 eine herbe Niederlage erlitten hatte und ihr Stimmenanteil um volle 17 Prozent geschrumpft war. Die Mittel der Fraktion blieben jedoch fast unverändert, dank einer Anhebung der Fraktionszuschüsse um 39 Prozent in einem einzigen Jahr. Das gleiche Bild im Saarland: Erst eine Niederlage der Union bei der Wahl 2009 und ein Stimmenverlust von 13 Prozent. Dafür belohnte sich die CDU und hob ihre Fraktionszuschüsse um 24 Prozent an.
Jedes Mal zogen in diesen Fällen neue Fraktionen in die Parlamente ein. Im Großen und Ganzen aber bleibt der Aufwand gleich groß; denn die Gewinne der neuen Partei gehen zu Lasten der anderen Parteien, müssten sich also beim Wahlverlierer in niedrigeren Fraktionszuschüssen niederschlagen. Tun sie aber nicht.
Wenn eine Partei nach einer Wahl nicht mehr in einem Parlament vertreten ist, verteilen die übrig gebliebenen Fraktionen die unverhofft frei gewordenen Beträge untereinander auf. Auf die Idee, die unberechtigten Mehreinnahmen den Steuerzahlern zurückzuerstatten, ist noch niemandem gekommen. Prinzip: Was man hat, das hat man und rückt es auch nicht wieder ‘raus. Ganovenehre.
Bundesweit kassieren Landtagsabgeordnete darüber hinaus und zusätzlich zu ihren Diäten viele Millionen Euro Steuergeld durch verdeckte Zulagen. Das bestätigte eine im September 2010 durchgeführte Umfrage des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" unter allen 63 Landtagsfraktionen der Flächenländer. Danach geben die Fraktionen jährlich rund 4,5 Millionen Euro für Zulagen an Funktionsträger wie Parlamentarische Geschäftsführer, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Arbeitskreisleiter aus.
Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Zulagen in einem Urteil vom 21. Juli 2000 für verfassungswidrig erklärt, weil sie "gegen die Freiheit des Mandats und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgeordneten" verstoßen. Danach gilt: "Ergänzende Entschädigungen für die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden ... und für die Ausschussvorsitzenden sind … mit dem Verfassungsrecht unvereinbar."3