Der Staat als Selbstbedienungsladen der Politik
- Der Staat als Selbstbedienungsladen der Politik
- Jetzt gibt’s Großspenden und Staatsfinanzierung
- Systematische Verstöße gegen die Verfassung
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Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr - Teil 7
Diese Folge der demokratiekritischen Artikelreihe des Allensbacher Politologen und Wissenschaftsjournalisten Wolfgang J. Koschnick befasst sich damit, wie der Staat und das Eigentum seiner Bürger zur Beute der Berufspolitiker geworden sind. Ein gigantischer Selbstbedienungsladen, den man ohne Ende und ohne Bedenken schröpfen kann; denn seine Ressourcen sind nahezu unerschöpflich. Die demokratisch gewählten Volksvertreter schrecken vor keinem noch so miesen und noch so verfassungswidrigen Trick zurück, um sich und ihre politischen Organisationen aus den öffentlichen Töpfen mit Geld vollzustopfen.
Wenn den politischen Parteien die Mitglieder in hellen Scharen davonlaufen und die Leute sich von der Politik und den Politikern in Massen abwenden, so macht das gar nichts. Dann greifen die Parteien halt den Steuerzahlern noch etwas tiefer in die Taschen und lassen die ihre Organisationen bezahlen.
In den Gründungsjahren der Bundesrepublik wäre niemand auf die absurde Idee verfallen, dass die Parteien sich von den Steuerzahlern finanzieren lassen dürften, nur weil sie aus eigener Kraft nicht existenzfähig sind. Heute ist das zur Selbstverständlichkeit geworden - obwohl das nie so weit hätte kommen dürfen; denn die politischen Parteien könnten keine zwei Tage überleben, entzöge man ihnen die staatliche Unterstützung, mit der sie sich selbst künstlich am Leben erhalten.
Die Finanzierung der politischen Parteien und der Mandatsträger hat im Spätstadium der Demokratie in Deutschland und in anderen Demokratien ein Ausmaß erreicht, das jede demokratische Spontaneität und Selbstorganisation im Keim erstickt.
Die politischen Parteien und ihre Amts- und Mandatsträger sind so gut wie vollständig staatsfinanziert. Sie haben den Staat usurpiert und nähren sich prächtig von den Tributzahlungen der Steuerzahler. Staatsparteien und staatlich finanzierte Mandatsträger sind meilenweit von allem entfernt, was in den Gründerjahren der Bundesrepublik einmal einen durchaus demokratischen Anfang genommen hat.
Ende der fünfziger Jahre fing das ganz bescheiden an und nannte sich Wahlkampfkostenerstattung. Von 1959 an erhielten die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien zum Zwecke der "Förderung der politischen Bildungsarbeit" - wie man das etwas schönfärberisch nannte - direkt Mittel aus dem Bundeshaushalt. Mit politischer Bildung hatte das schon damals nichts zu tun. Es ging um Wahlkampffinanzierung. Insgesamt wurden damals 5 Millionen Mark an die Parteien verteilt. 1962 stieg der Betrag auf 15 Millionen, 1964 auf 38 Millionen DM. Wenn die Parteien sich selbst Gelder bewilligen, schreiten sie stets mit Siebenmeilenstiefeln voran, ganz kleine Brötchen backen sie immer nur, wenn es um Strukturreformen geht…
Die Bescheidenheit der ersten Jahre verflog schnell, als die Parteien merkten, dass da schier unerschöpfliche Mittel zur Verfügung stehen und es kaum Probleme gibt, die Quellen anzuzapfen. Der Staat und seine vielen Steuermilliarden sind ja für Politiker ein reines Einkaufsparadies - ein riesiger Supermarkt, aus dem man sich alles nehmen kann, was man braucht. Und das Tolle daran ist: Man braucht für nichts zu bezahlen.
Immer fanden sich auch genügend Leute - Staatsrechtler und Politikwissenschaftler und natürlich Politiker selbst -, die in gedrechselten Formulierungen und ausführlichen Abhandlungen - notfalls auch in bestens dotierten Gutachten - erklärten, wie dringend nötig die ständig erhöhten Kontributionen an die politischen Parteien doch seien und wie sehr die Demokratie daraus moralischen und auch sonstigen Nutzen ziehe.
Das mag vielleicht sogar viele Jahre durchaus zutreffend gewesen sein, aber bei einem so reichlich sprudelnden Geldsegen ist - wie bei allen wirtschaftlichen Vorgängen - irgendwann der Punkt erreicht, an dem Quantität in Qualität umschlägt. Der Punkt, an dem die politischen Parteien träge und schwerfällige Machtapparate wurden, deren vorrangiges Interesse darin besteht, sich an den öffentlichen Futtertrögen satt zu fressen.
Durch ein Urteil vom 19. Juli 1966 erklärte schließlich sogar das Bundesverfassungsgericht die Finanzierung der gesamten Tätigkeit politischer Parteien über direkte Zuschüsse aus Haushaltsmitteln für grundsätzlich verfassungswidrig und nur die Erstattung der "notwendigen Kosten eines angemessenen Wahlkampfes" für zulässig.
Man hätte denken können, das sei ein harter Schlag für die Parteien gewesen, von dem sie sich nur schwer erholt hätten. Weit gefehlt.
Die Bundestagsparteien dachten kurz nach und einigten sich schnell auf ein noch viel ergiebigeres Modell des staatlichen Geldsegens. 1967 beschlossen sie ein eigenes "Gesetz über die politischen Parteien", kurz das Parteiengesetz. Seitdem haben Parteien, die sich an Wahlen mit eigenen Vorschlägen beteiligen, und parteiunabhängige Wahlkreisbewerber (die im wirklichen Leben gar nicht vorkommen) einen Anspruch darauf, ihre Wahlkampfkosten erstattet zu bekommen. Das Gesetz wurde im weiteren Verlauf der Zeit oft geändert, weil die Parteien oft neues Geld brauchten.
Staatliche Parteienfinanzierung galt bis vor kurzem als unzulässig
Das Bundesverfassungsgericht vertrat übrigens bis 1992 die Position, staatliche Parteienfinanzierung sei unzulässig. Ob es dafür oder dagegen war, ist eigentlich ziemlich gleichgültig. Brisant war die Begründung. Es meinte nämlich, mit Staatsmitteln bekämen die politischen Parteien die Macht, den Volkswillen zu beeinflussen. Und das dürfe in einer Demokratie nicht sein. Die Demokratie sei ernsthaft in Gefahr, wenn der Staat den politischen Parteien Gelder in die Hand drückt, mit denen sie Propaganda finanzieren, die das Volk beeinflusst - mit der Folge, dass sich das Volk beeinflussen lässt, weil es der staatlich finanzierten Propaganda auf den Leim geht.
Manchmal fragt man sich, wie kacknaiv Verfassungsrichter sein können, wenn sie ernsthaft wähnen, es sei von Übel, dass politische Parteien "den Volkswillen beeinflussen". Ja, was denn sonst? Die machen doch den ganzen lieben langen Tag nichts anderes.
Politische Parteien engagieren dafür heute große Werbe- und PR-Agenturen, die den politischen Prozess und alle Wahlkämpfe von vorn bis hinten durchgestalten und keinen noch so lächerlichen Pfurz dem Zufall überlassen, wenn es darum geht, die Wähler zu manipulieren.
Egal: Mit dieser Begründung hatte das Verfassungsgericht stets nur die Erstattung der reinen Wahlkampfkosten aus Steuergeldern erlaubt; denn im Wahlkampf um die Staatsorgane nähmen die Parteien eine staatliche Aufgabe wahr.
Geld für einfältige Sprücheklopferei ist immer reichlich da
Die Erstattung von Kosten absurd aufwändiger Wahlkämpfe mit ebenso literarisch anspruchsvollen und geistreichen Parolen wie "Der Mensch steht im Mittelpunkt", "Wir machen's", "Das Land. Die Kraft. Die Zukunft", "Hand in Hand - gemeinsam geht es besser!", "Erfolg und Erfahrung", "Wir sind bereit" oder ähnlichem Quatsch hat jedoch mit den notwendigen Kosten nichts zu tun. Für diese Form von einfältiger Sprücheklopferei bezahlen die Parteien auch noch stolze Beträge an ihre Werbeberater. Beträge, die sie zuvor den Steuerzahlern aus der Tasche gezogen haben.
1992 revidierte das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung und erklärte sogar die direkte Finanzierung der Parteien auf Staatskosten für zulässig.1 Damit erwarben die politischen Parteien eine staatlich finanzierte Kontrolle und einen staatlich finanzierten Einfluss auf die Meinungsbildung der Wahlbevölkerung.
Seither sind die Parteien längst von dieser Finanzierung abhängig geworden und haben den Staat von innen durchdrungen und usurpiert. Zwischen den Parteien und dem Parlament, zwischen Regierung und Verwaltung bestehen enge personelle Verflechtungen. Staatliche Amtsträger sind oft zugleich Parteifunktionäre.
Der Bundestag verabschiedete 1993 flugs ein renoviertes Parteiengesetz. Auf Grund des Parteiengesetzes erhalten die Parteien jährlich staatliche Mittel. Maßgebend für deren Höhe ist ihre "Verwurzelung in der Gesellschaft", gemessen an den Stimmen, die sie bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen erzielt haben, der Summe ihrer Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge sowie der Höhe der Spenden, die sie bekommen.
Die Summe, die der Staat jedes Jahr an alle Parteien zahlt, sollte eigentlich als "absolute Obergrenze" nicht mehr als 133 Millionen Euro betragen. Damit lässt sich allerdings auch ganz gut über die Runden kommen. Der Innenausschuss des Bundestags hat dann aber im Juli 2011 diese Obergrenze auf 141,9 Millionen Euro (2011) und schließlich auf 150,8 Millionen Euro (2012) erhöht.
Die staatlichen Mittel an eine Partei dürfen insgesamt nicht höher als die Einnahmen der Partei aus anderen Quellen wie Mitgliedsbeiträgen oder Parteispenden. Diese "relative Obergrenze" ist vor allem für Kleinparteien relevant.
Um am System der staatlichen Teilfinanzierung teilzunehmen, muss eine Partei bei der letzten Bundestagswahl oder Europawahl mindestens 0,5 Prozent der gültigen Stimmen oder bei einer der jeweils letzten Landtagswahl 1,0 Prozent der gültigen Stimmen erhalten haben.