Der Tod der großen Tiere
Während der letzten Eiszeit gab es ein Massensterben, dem vor allem die Giganten der Tierwelt zum Opfer fielen
Seit langem debattieren die Wissenschaftler darüber, ob Klimaveränderungen oder der auf den verschiedenen Kontinenten neu zugewanderte anatomisch moderne Mensch für das Aussterben der Riesenstiere wie Mammut, Mastodon oder Megaloceros verantwortlich sind. Neue wissenschaftliche Ergebnisse zeigen, dass sowohl das Klima als auch der Mensch verhängnisvoll zusammen wirkten.
In der Steinzeit durchstreiften Jäger und Sammler das Land, und ernährten sich von dem, was die Natur ihnen schenkte, denn sie lebten in Einklang mit ihr. Diese Vorstellung der edlen Wilden, die - im Gegensatz zu uns heutigen Menschen - schonend und zerstörungsfrei mit den natürlichen Ressourcen umgingen, wird schon lange gründlich hinterfragt.
Unsere Vorfahren veränderten schon vor zehntausenden Jahren die Landschaften, in die sie zuwanderten, nachhaltig. Das Anthropozän, das Zeitalter des Menschen, begann im Grunde bereits mit der Eroberung der Welt durch Homo sapiens.
Auch das Artensterben ist kein neues Phänomen, Massensterben gehörten immer zur Geschichte der Erde, lange bevor der Mensch eine Rolle spielte. Die Wissenschaft hält sie für ein Phänomen, dass alle 62 Millionen Jahre den Blauen Planeten heimsucht. Vor ca. 400 Millionen Jahren gab es ein heftiges globales Artensterben, das bis zu 80 Prozent aller Meeresorganismen das Leben kostete, und vor ca. 250 Millionen Jahren fand dann "Das Große Sterben" statt, bei dem 96 Prozent der irdischen Lebensformen abdankten. Vor ca. 65 Millionen Jahren ging das Zeitalter der Dinosaurier zu Ende.
Unstrittig ist, dass Homo sapiens für das aktuelle Artensterben ausschlaggebend ist (Langfristig überleben). Aber wie ist es mit dem Verschwinden der Vorzeit-Giganten auf den verschiedenen Kontinenten, das überall in der Epoche direkt nach Ankunft der anatomisch modernen Menschen stattfand?
Der Mensch und die Beutetiere
In Australien lebten einst der Beutellöwe (Thylacoleo carnifex), das nilpferdgroße Riesenbeuteltier (Diprotodon optatum), bis zu sechs Meter lange und 400 Kilo schwere Reptilien (Megalania prisca) sowie gigantische Laufvögel wie der Genyornis (vgl. Australia's extinct animals). Vor etwa 55.000 Jahren erreichte der Mensch Australien und besiedelte den neuen Kontinent. Er veränderte seine Umwelt gravierend.
Es gelang den Experten nachzuweisen, dass die Vorfahren der Aboriginies immer wieder das Land abfackelten (unter anderem als Treibjagd-Strategie). Bäume und Büsche verschwanden in vielen Gebieten, zurück blieb nur flacher Bewuchs, Halbwüsten entstanden. Die Veränderung des Landes hatte radikale Konsequenzen: Am Ende waren 85 Prozent der großen Säugetiere, Riesenvögel und Reptilien mit einem Gewicht von mehr als 50 Kilogramm vom australischen Kontinent verschwunden (Der Mensch brachte den Tod).
In Europa grasten vor 20.000 Jahren noch Mammuts (Mammuthus), Wollnashörner (Coelodonta antiquitatis) und Riesenhirsche (Megaloceros), 10.000 Jahre später sind sie dort verschwunden - letzte Exemplare überlebten nur noch eine Weile im kalten und menschenleeren Sibirien (Gärtner mit ausladendem Geweih).
Die Rüsseltiere, unter ihnen die Mastodonten, schwinden in Afrika, Asien und Amerika langsam aber stetig. Von den ursprünglich 160 verschiedenen Arten überlebten nur drei Elefantenarten, und zwar nur in Gebieten, in denen relativ wenige Menschen leben (vgl. Massenschlachten im Pleistozän).
Die Quartäre Aussterbewelle
Die Wissenschaft spricht von der Quartären Aussterbewelle, um das Verschwinden der besonders großen Tierarten seit etwa 50.000 Jahren vor unserer Zeit auf den verschiedenen Kontinenten zu bezeichnen. Kaum betroffen ist nur Afrika - möglicherweise, weil dort die Entwickelung der Menschheit kontinuierlich stattfand und nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt plötzlich viele Jäger mit effektiven Waffen auftauchten.
Homo sapiens und seine Haustiere könnten zudem auf ihrem Eroberungszug rund um die Welt neue Krankheiten eingeschleppt haben, die neben der Bejagung die Populationen der Vorzeit-Giganten dezimierten.
Besonders eng ist der zeitliche Zusammenhang des massenhaften Artensterbens in Nordamerika, wo vor circa 13.000 Jahren Großwildjäger aus Asien über die Beringstraße eintrafen und sich schnell von Norden kommend ausbreiteten (vgl. Die Eroberung Amerikas). Bald nach seinem Eintreffen schlägt für die bis zu sechs Meter großen und mehrere Tonnen schweren Riesenfaultiere ihre letzte Stunde (vgl. Der Jäger ist des Faultiers Tod). Das gleiche Schicksal ereilt auch die meisten anderen riesenwüchsigen Pflanzenfresser wie Mammut, Mastodon oder Riesenbiber.
Aber gerade in Amerika fällt die Zuwanderung des Menschen mit einschneidenden Klimaveränderungen zusammen, die seinen Weg über die Landbrücke im Hohen Norden ja erst ermöglichte. Es gibt seit längerem wissenschaftliche Hinweise darauf, dass das große Sterben bereits im Gang war, als die Steinzeitjäger auftauchten (vgl. Mammutkacke).
Klima, Megafauna und Jagd
Bereits Ende letzten Jahres glich eine Forschergruppe von der Universität Kopenhagen das Erbgut eiszeitlicher Megafauna, Klimadaten und archäologische Befunde ab, und kam zu dem Schluss, dass nur bei einigen Tierarten wie dem Steppenwisent und dem Wildpferd in Eurasien die Jagd durch Menschen wohl eine wesentliche Rolle gespielt hat, während zum Beispiel das Wollnashorn die Klimaerwärmung schlicht nicht überlebte.
Kürzlich legte eine Forschergruppe um Graham W. Prescott und David R. Williams von der University of Cambridge in einer Online-Veröffentlichung der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) nach. Sie verglichen die Analysen eines Bohrkerns aus der Antarktis, eines natürlichen Klimadatenarchivs von Hunderttausenden Jahren, mit Daten über die Zuwanderung des Menschen in Nord- und Südamerika, Neuseeland, Australien und Eurasiens, sowie Informationen über das Aussterben der Riesenfauna in diesen Gebieten der Welt.
Mithilfe statistischer Methoden spielten sie verschiedene Modelle und Szenarien durch, um zu sehen, wie wahrscheinlich sie das Muster des großen Megafauna-Sterbens in den letzten 50.000 Jahren erklären. Das Wissenschaftlerteam kommt zu dem salomonischen Ergebnis, dass beide Faktoren eine Rolle spielten.
Der Mensch kam zu einer Zeit gravierender Klimaveränderungen in die Regionen, speziell die riesigen Tiere standen unter enormen Stress, weil sich ihre Umwelt veränderte und die Futtersuche bereits viel aufwendiger geworden war. In diesem Moment wirkten die Bejagung durch die Menschen, die durch sie verursachten Veränderungen der Landschaft und neue Krankheiten katastrophal. Obwohl es relativ kleine Gruppen von Menschen waren, die zuwanderten, standen sie Tiere schon unter starkem ökologischen Druck, selbst kleine zusätzliche Veränderungen sorgten für ein Stressniveau, das die Giganten der Eiszeit nicht überlebten.
Das Klima oder der Mensch allein wäre nicht fähig gewesen, das Massensterben auszulösen, beide Faktoren ergänzten sich erst zum tödlichen Mix. David Williams erklärt:
Das Sterben dieser Tiere war seit den Zeiten von Charles Darwin und Alfred Russel Wallace eine ungelöstes zoologisches Rätsel. Zu ihren Zeiten glaubten die meisten Menschen nicht, dass ein durch den Menschen verursachter Artentod möglich sei, aber Wallace argumentierte dagegen. Wir konnten jetzt, 100 Jahre später, zeigen dass er Recht hatte, und dass der Mensch, im Zusammenspiel mit klimatischen Veränderungen, andere Spezies seit Zehntausenden Jahren beeinträchtigt.