Der US-Präsident kann alleine den Befehl zum Einsatz von Atomwaffen geben
Während das Pentagon schon die Herstellung neuer Atomwaffen ausschreibt, wurden diese nun spätestens zum Thema des Präsidentschaftswahlkampfs
Die Atomwaffen sind gerade wieder in den USA-Präsidentschaftswahlkampf zum Thema geworden. Angeblich soll Donald Trump mehrmals einen außenpolitischen Berater gefragt haben, warum die USA keine Atomwaffen einsetzen sollten, wenn sie diese schon hätten.
Das Trump-Lager bestreitet die Behauptung, aber von der Hand zu weisen ist es nicht, schließlich hatte Trump im März schon mal nebenbei gemeint, dass ja auch Japan, Südkorea oder Saudi-Arabien Atomwaffen erhalten könnten. Von der Position Obamas, der ankündigt hatte, langfristig eine atomwaffenfreie Welt ansteuern zu wollen und sogar Hiroshima in diesem Jahr mit dem "Koffer" besuchte, aber hier keine Schritte gemacht, sondern im Gegenteil eine Modernisierung des Atomwaffenarsenals vorangebracht hat, rückte Trump ab. Er meinte rhetorisch, man könne auch gegen den IS nach einem Angriff mit Atomwaffen zurückschlagen. Er wolle zwar keine Atomwaffen einsetzen, aber er würde dies auf keinen Fall ausschließen, auch nicht in Europa.
Überdies sagte er aber auch, das Atomwaffensystem der USA sei so alt, dass es fraglich wäre, ob man ihm noch vertrauen könne. Tatsächlich war unlängst öffentlich geworden, dass noch 8-Zoll-Floppys (20,32 cm) ausgerechnet noch in dem Strategic Automated Command and Control System benutzt werden, das zur Koordination der Operation der Atomstreitkräfte dient - und letztlich zum Einsatz von Atomwaffen (Koordinierung von US-Atomwaffen mit 8-Zoll-Floppy Discs).
Für die New York Times hat Trump auf das Paradox der atomaren Rüstung mit seinen angeblichen Nachfragen hingewiesen. Das nukleare Wettrüsten habe den Zweck, mit dem angestrebten Gleichgewicht des Schreckens deren Einsatz zu verhindern, gleichzeitig wird immer mehr Geld investiert und die Technik vervollkommnet, so dass sie besser und präziser einsetzbar wären. Nicht nur die USA, auch andere Länder arbeiten an kleineren Atomwaffen, die sich auch taktisch einsetzen ließen.
Allerdings entspricht Trumps Äußerung der militärischen Doktrin der USA. Darüber ging es auch kürzlich in Großbritannien, als eine Mehrheit im Parlament die parallel zu den USA laufende Modernisierung der Atomwaffen beschlossen hatte. Die Premierministerin Theresa May hatte deutlich gemacht, dass sie Atomwaffen für einen Rückschlag einsetzen würde, selbst wenn dies das Leben von hunderttausend Unschuldigen kosten sollte. Wenn man auf Abschreckung setzt, dann müsse man auch glaubhaft demonstrieren, dass man auf den Einsatz vorbereitet sei (Briten haben gespaltene Haltung zu Atomwaffen).
Hillary Clinton hatte das Thema schon auf andere Weise gegen Trump geltend gemacht und versucht, Zweifel daran zu säen, ob man Trump beim Umgang mit Atomwaffen trauen könne: "Stellen Sie ihn im Oval Office vor, wenn er mit einer wirklichen Krise konfrontiert ist", sagte sie auf dem Parteitag der Demokraten, wo sie ihre Nominierung annahm: "Ein Mann, den man mit einem Tweet in eine Falle locken kann, ist kein Mann, dem man Atomwaffen anvertrauen sollte."
Ob Clinton vertrauenswürdiger wäre, ist eine andere Frage. In einer aktuellen Umfrage trauen ihr im Hinblick auf Atomwaffen mehr US-Bürger als Trump, der dagegen in Wirtschaftsfragen vorne liegt.
Herausgestellt hat sich über die Diskussion jedoch, dass es durchaus so sein kann, dass ein Präsident alleine den Einsatz von Atomwaffen anordnen und auslösen kann. Der Präsident als oberster Kommandeur könnte sogar einen Erstschlag anordnen, ohne mit einem Veto rechnen zu müssen. Auch der Verteidigungsminister wäre außen vor. Die Einzelheiten über die Schritte, die zum Feuern von Atomwaffen ablaufen müssen, sind allerdings geheim. Franklin Miller, der als Atomwaffenspezialist über 30 Jahre im Weißen Haus und im Pentagon gearbeitet hat, sagte jedenfalls der NYT: "Es gibt kein Veto, wenn der Präsident einmal einen Schlag angeordnet hat. Der Präsident und nur der Präsident hat die Autorität, den Einsatz von Atomwaffen zu befehlen."
Pentagon drängt auf schnelle Modernisierung und schafft Fakten
Das Pentagon hat mit der "Modernisierung" des Nuklearwaffensystems begonnen. Gut möglich, dass man für den kommenden Präsidenten Fakten schaffen will. Schließlich kommen auf den Staatshaushalt große Kosten damit zu. Weder Trump noch Clinton dürften an der Aufrechterhaltung der "nuklearen Abschreckung" rütteln, die Frage aber wird auch sein, ob das Pentagon unter dem Druck des Sparens zugunsten der Modernisierung auf andere geplanten Maßnahmen oder Waffensysteme verzichten müsste.
Die entstehenden Kosten werden allerdings sehr unterschiedlich veranschlagt. Nach einem Bericht des Congressional Budget Office vom letzten Jahr würden die Modernisierung und die Bereithaltung bis Ende 2030 348 Milliarden US-Dollar kosten. Das Center for Strategic and Budgetary Assessments geht von 700 Milliarden für die nächsten 25 Jahre aus, andere schätzen die erforderlichen Ausgaben auf eine Billion US-Dollar für die nächsten 30 Jahre.
Letzte Woche forderte die US-Luftwaffe Rüstungskonzerne auf, Angebote zur Entwicklung und zum Bau von Interkontinentalraketen und Marschflugkörpern (Cruise-Missiles) einzureichen.
Ende Juli hatten noch 10 demokratische Senatoren, darunter Bernie Sanders, in einem Brief an US-Präsident Obama gefordert, die Entwicklung von neuen Marschflugkörpern des Typs Long-Range Standoff (LRSO) zu verhindern, die die in den 1980ern gebauten Air-Launched Cruise Missiles (ALCM) ab 2030 ersetzen sollen. Diese würden alleine mindestens 20 Milliarden US-Dollar kosten, seien unnötig zur nuklearen Abschreckung und würden nur die Gefahr eines Atomkriegs verstärken. Überdies forderten sie Obama zu einem Beschluss auf, nachdem er als erster US-Präsident Hiroshima besucht hatte, keine Atomwaffen für einen Erstschlag einzusetzen.
Nach der Luftwaffe waren die ALCMs nur für eine Lebensdauer von 10 Jahren vorgesehen, sie seien jetzt zwar noch einsatzfähig, aber die Wartungskosten würden immer höher steigen und es gäbe zunehmend Einsatzprobleme gegenüber sich entwickelnden Gefährdungen. Für eine "klare, sichtbare und abstufbare Abschreckung" seien luftgestützte LRSO-Marschflugkörper unabdingbar und würden jedem möglichen Feind geografische Rückzugsräume verweigern, heißt es zur Begründung. LRSO sei eine kostengünstige Waffe ("force multiplier") und ein "entscheidendes Mittel der nuklearen Abschreckungsstrategie der USA.
Die Luftwaffe treibt auch einen Ersatz für die "alternden" LGM-30 Minuteman III Interkontinentalraketen voran. Die dritte Generation der Ende der seit den 1960 Jahren entwickelten und seit den 1970er Jahre installierten Minuteman-Raketen, die mit unabhängig voneinander steuerbaren Atomsprengköpfen (MIRV) ausgerüstet sind und eine Reichweite von 13.000 km besitzen, bildet den Kern der Triade des amerikanischen Atomwaffensystems, wozu neben den SLBMs, die von U-Booten abgeschossen werden, und die Atombomben die strategischen Bomber gehören. 450 dieser landgestützten Raketen befinden sich abschussbereit in unterirdischen Silos. Sie wurden ab Ende der 1990er Jahre für etwa 7 Milliarden US-Dollar modernisiert und sollen länger als 2030 einsatzbereit sein. Schon vor 2030 will man aber die neuen Interkontinentalraketen installieren.