Der "amerikanische James Bond" liquidierte nicht nur ausländische Staatschefs
Seite 3: Versetzung nach Rom
Der stellvertretende CIA-Direktor Richard Helms zog Harvey nach diesem Eklat notgedrungen aus dem Gefecht, indem er ihn als Stationschef nach Rom versetzte. Beim Abschiedsgelage sparte Harvey nicht an Flüchen und Todeswünschen gegen die Kennedys, die er als verwöhnte Millionärssöhnchen verachtete, welche mit der Sicherheit der Nation spielten.
Harveys Versetzung nach Rom war ungewöhnlich, weil der Amerikaner kein Wort italienisch sprach, auch die Mentalität der Italiener behagte ihm nicht sonderlich. Zu Harveys Aufgaben in Rom gehörte die Koordinierung von streng geheimen paramilitärischen italienischen Geheimagenten im Auftrag der NATO, seit 1990 bekannt als Stay-Behind-Kräfte. Außerdem förderte er die US-freundlichen Christdemokraten mit Geld - und Terror. So plante er zum Entsetzen seiner Mitarbeiter die Ermordung von Gewerkschaftern durch Profikiller, die er bei der im Drogengeschäft aktiven korsischen Mafia rekrutieren wollte. Als ein Mitarbeiter sich in Rom kritisch hierzu äußerte, schüchterte ihn Harvey ein, indem er in Cowboy-Manier seine Waffe auf ihn richtete.
1963 besuchte Kennedy bei einer Europareise auch Rom und segnete ausgerechnet die Pläne des Christdemokraten Aldo Moro ab, mit den Sozialdemokraten eine Koalition zu wagen. Damit unterlief Kennedy erneut die von Ex-CIA-Direktor Dulles geprägte Politik, die "Roten" zu dämonisieren und auszugrenzen.
Taxes und Texas
Gründe für das US-Establishment, sich des ungeliebten Präsidenten Kennedy zu entledigen, gab es mehr als genug. Die ultrarechten Öl-Milliardäre in Texas, die u.a. die Nazi-Partei und den Ku-Klux-Klan förderten, waren unglücklich über Kennedys Bestreben, eine Steuerlücke für versiegende Ölquellen zu schließen. JFKs Eintreten für die Rechte der Schwarzen sowie der Feldzug Robert Kennedys gegen die als italienisch geprägte Mafia schufen ihm im Süden weitere Feinde.
Vor allem der Pate der Südstaatenmafia, Carlos Marcello, musste mangels US-Staatsangehörigkeit seine Deportation befürchten. Der rassistische texanische Banker John McCloy, der in Nürnberg als "Hoher Kommissar" freundliche Nazis rehabilitiert hatte, kehrte aus Protest gegen die Kennedys der Politik den Rücken und arbeitete fortan bei Rockefellers Chase Manhattan Bank.
Der Verleger der Dallas Morning News Ted M. Dealey, nach dessen Familie die Dealey Plaza benannt ist, hatte bei einem Dinner für eine Delegation Texaner im Weißen Haus gefordert, den Russen klar zu machen, dass man sie erobern könne und nannte die Kennedys weichliche Schwestern. Der mächtigste zivile Kennedy-Feind war jedoch der Milliardär Nelson Rockefeller, der alles daran setzte, selbst im Weißen Haus Platz zu nehmen. Die Rockefellers unterhielten seit Jahrzehnten einen privaten Geheimdienst und waren beim Aufbau von OSS und CIA behilflich. Ihrem Freund und Anwalt Allen Dulles finanzierten sie Geheimprogramme wie MKUltra, von denen nicht einmal die amtierenden Präsidenten erfuhren.
Auch der von Eisenhower so getaufte "Militärisch-Industrielle Komplex" war mit Kennedys Deeskalation des Kalten Kriegs unglücklich. Mit der US-Stahlindustrie, die einst von den Dulles-Brüdern koordiniert wurde, befand sich JFK im offenen Krieg über Gewerkschaften und ein Preiskartell. Ein geleaktes Zitat, in dem Kennedy alle Geschäftsmänner "Hurensöhne" nannte, verstimmte die oberen 500. Herausgeber Henry Luce, ein enger Freund der Dulles-Brüder, warnte 1963 Kennedy in einem Editorial vor "den Iden des April", womit er ihn mit Julius Cäsar verglich, der von den eigenen Leuten beseitigt wurde.
Nicht weniger eisig war das Verhältnis zu den damals ultrarechten Strategen im Pentagon, die einen atomaren Vernichtungsschlag gegen die Sowjetunion und China verlangten, bevor diese Zweitschlagskapazität aufbauten. Im Gegenteil jedoch beendete Kennedy die mit so großem Einsatz vorangetriebene Militarisierung des Weltraums und beanspruchte die Kontrolle über die Atomwaffen des Militärs. Air Force General Curtis LeMay nannte die Kennedys später zu zertretende Kakerlaken, der einst ranghöchste Militär General Lyman Louis Lemnitzer ließ sich aus Frust freiwillig zum NATO-Chef nach Europa degradieren.
Vielen Exilkubanern und CIA-Mächtigen galt JFK als Verräter, weil er die Luftunterstützung in der Schweinebucht versagt hatte und nun die CIA kastrieren wollte. Verärgert war der gemeinsam mit Dulles gefeuerte stellvertretende CIA-Direktor General Charles Cabell, dessen Bruder Earl Cabell als Bürgermeister von Dallas der Polizei vorstand - und damit den Tatort kontrollierte.
Teil 2: Planung eines Königsmords.