Der gläserne Patient
In Großbritannien wird es bald eine zentrale Datenbank für alle medizinischen Daten geben - mit Hintertüren für Polizei und Behörden
Schon vor Jahren wurde gewarnt ("Das ist gesellschaftlicher Verfall"), dass Großbritannien auf dem besten Weg ist, zu einem Überwachungsstaat zu werden. Dem scheint man jetzt noch näher zu kommen. Ab Mai wird es eine zentrale Datenbank für alle medizinischen Informationen über Patienten des nationalen Gesundheitssystems NHS geben. Die medizinischen Daten der ganzen Nation werden dann an einem Ort bei dem Health and Social Care Information Centre (HSCIC) digital gespeichert sein. Und wie der Guardian erfahren hat, werden die Polizei und andere Behörden darauf ohne einen richterlichen Beschluss zugreifen können.
Eine ähnliche Entwicklung droht auch in Deutschland, wenn nach der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte auch die elektronische Gesundheitsakte kommen sollte. In Großbritannien ist man nicht nur bei Überwachungskameras, der zentralen DNA-Datenbank oder den Überwachungskompetenzen der Geheimdienste und Behörden Pionier, sondern nun auch im medizinischen Bereich. Die Devise ist dieselbe: Mehr Informationen, so wird versprochen, garantieren auch eine bessere Behandlung.
Früher musste die Polizei bei der Strafverfolgung erst einmal den Arzt oder das Krankenhaus eines Verdächtigen finden und dann einen richterlichen Beschluss erwirken, um in die Akten Einsicht nehmen zu können. Jetzt gibt es, wie dem Guardian der konservative Abgeordnete David Davis, der einige Jahre lang in der Opposition als sogenannter Schatteninnenminister fungierte, berichtet hat, in der zentralen Datenbank Hintertüren, die den einfachen Zugriff auf die Informationen ermöglichen. Selbst wenn Menschen, die Möglichkeit besteht, die Genehmigung verweigerten (opt-out), dass ihre Daten in die zentrale Datenbank aufgenommen werden, soll der Zugriff beim Verdacht auf schwere Verbrechen möglich sein, was heißt, die Daten gehen dennoch in die Datenbank ein.
Gespeichert ist einfach alles. Der Gesundheitszustand, die Krankheiten, die verschriebenen Medikamente und Behandlungen, Drogen-, Nikotin- oder Alkoholkonsum, alles, was an Daten bei Ärzten und in Krankenhäusern anfällt, auch die Adresse, die Versicherungsnummer etc.. Dazu kommt, dass nicht nur die Polizei und andere Behörden unter bestimmten Bedingungen auf die Daten zugreifen können, sie stehen auch den Wissenschaftlern, Pharmakonzernen und Versicherungen offen. Dafür muss bezahlt werden, die Daten sind teilweise, aber nicht ganz anonymisiert. Davis ist überzeugt, dass jeder aufgrund derDaten identifiziert werden kann.