Der große Fischzug

Seite 4: "Value for money": Angemessene Gegenleistungen?

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Die finanzielle Gegenleistung der EU fließt einerseits in den Erwerb der Zugangsrechte zu den ausschließlichen Wirtschaftszonen der Partnerländer und andererseits in Zuwendungen, die auf eine Entwicklung des Fischereisektors vor Ort abzielen. Die Zahlungen sind dabei von Land zu Land durchaus unterschiedlich - je nach Vertragsvolumen und Verhandlungsposition des jeweiligen Partners. In Afrika geht ein Großteil an Marokko und Mauretanien.

Der Hauptanteil des im Rahmen von partnerschaftlichen Fischereiabkommen gefangenen Fisches wird in Europa angelandet, obwohl in den Verträgen meist Klauseln enthalten sind, die verstärkte Anlandungen auf den Märkten der Partnerländer vorsehen. Viele Regierungen vor Ort vernachlässigen jedoch den Ausbau einheimischer Fischereiunternehmen, die sich der Verarbeitung und Vermarktung des Fangs widmen und dadurch seinen Wert um ca. 40% steigern könnten. Hier sollen "sektorenbezogene" Zuwendungen positive Anreize schaffen. Doch oft ist der Endverbleib von Teilen der an die Partner überwiesenen EU-Mittel nicht vollständig nachvollziehbar - umso weniger, je korrupter es in einem Lande zugeht.

Auch andere Interessenten versuchen, im Rahmen von Verträgen ihren Zugang zu afrikanischen Gewässern auszubauen. Das wachsende Engagement Chinas blieb in Europa nicht unbemerkt. Für die Zukunft zeichnet ein sich vor Ort verschärfender Wettbewerb ab, um die gleiche und beschränkte Ressource: der Fischreichtum vor den Küsten von Drittstaaten.

Rekonstruierte Fangdaten für 2000 - 2010 legen nahe, dass der offiziell angegebene jährliche Fang vor Westafrika mit 29% (EU) und 8% (China) nur einen Bruchteil des tatsächlichen Werts betragen - mit ernsthaften Auswirkungen auf den Zustand der befischten kommerziellen Bestände und der Gesundheit der betroffenen Ökosysteme als Ganzes. Nach offiziellen Zahlen bezahlt die EU ein Viertel des Werts des vor Westafrika gefangenen Fisches an die Vertragspartner. Bezieht man die rekonstruierten Fangdaten ein, sind es nur noch 8%.

Und ein weiterer Aspekt ist in der Bilanz zu beachten: Der europäische Steuerzahler kommt zu schätzungsweise 75% des jährlichen Gesamtwerts der FPAs von 180 Millionen Euro auf. Das kommt einer Subventionierung von EU-Fischereikapazitäten in ausländischen Gewässern gleich. So soll die Versorgung Europas sichergestellt werden. Der europäische Konsument zahlt dabei zweimal: wenn der Fisch gefangen wird, und dann noch einmal, an der Ladentheke. Die verbleibenden 25% stellen den Beitrag der Industrie am Erwerb der Zugangsrechte dar, die konservativ geschätzten 1.5% des Werts der angelandeten Fänge entsprechen. Das erscheint bisweilen selbst Branchenvertretern recht wenig. Michel Goujon, Direktor der französischen Thunfisch-Produzentenvereinigung Orthongel, sprach sich 2013 für maßvollere 5 - 7% aus.

Das wirft Fragen nach gerechten Zugangsgebühren, verschleierten Flottensubventionen und der Ernsthaftigkeit der verkündeten Entwicklungsziele der EU auf, die eigentlich vorteilhafte Verträge für alle Partner propagieren und nicht die einseitige Kanalisierung von Gewinnen zum Wohle privater Interessen. Kritiker führen an, dass mit partnerschaftlichen Fischereiabkommen die Armen bestohlen würden, um die Reichen zu ernähren.

Der Europäische Rechnungshof sieht das nüchterner und fordert ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, denn für ihn sind die partnerschaftlichen Fischereiabkommen vor allem eins: pures Geschäft.