Der neue Hindukusch? Was Deutschland vor Taiwan treibt

Seite 2: China "hat einen Punkt"

Beim ersten Vernehmen mag sich das nach hegemonialer Überheblichkeit anhören. Allerdings verfolgt man den selbstbewussten Kurs des neuen taiwanesischen Präsidenten auch in Regierungskreisen mit Sorge.

Entsprechend äußerte sich gegenüber der Financial Times (FT) kürzlich der taiwanesische Politologe Chao Chun-shan, der unter anderen auch Lais unmittelbarer Vorgängerin Tsai Ing-Wen als Berater zur Seite stand. Der neue Präsident sei mit dem Versprechen angetreten, Tsais China-Politik zu folgen und den status quo in der Straße von Taiwan zu bewahren. Dieses Versprechen habe er mit seiner Amtsantrittsrede allerdings gebrochen, meint Chao in der FT:

China hat Recht, wenn es sagt, dass Lai vom Weg seiner Vorgängerin Tsai Ing-wen abweicht - einer Anführerin, die China zwar nicht anerkannte, der es aber gelang, einen delikaten Frieden zu wahren. Und einige fragen sich, ob es klug ist, in einer Zeit hoher Spannungen ein solches Risiko einzugehen. Lais Haltung ist ein Schritt zurück zu mehr Konfrontation und macht vieles von Tsais Linie zunichte […] Xi will keinen Showdown, bevor das Ergebnis der US-Wahl klar ist.

Chao Chun-shan

China "hat (also) einen Punkt", wenn es um die Beurteilung des neuen Präsidenten geht, fasst die FT in ihrer Überschrift zusammen. Was bedeutet das für die schier bedingungslose Unterstützung, die man dem Inselstaat in westlichen Längengraden zusichert?

Manöver und Gegenmanöver

Hat China auch mit seiner "Warnung vor der Einmischung und Provokation durch externe Kräfte" einen "Punkt"? Denn das von Außenministerin Baerbock befürwortete "wichtigste Vorhaben der Deutschen Marine der Verteidigungsdiplomatie der Bundeswehr", das "Indo-Pacific Deployment 2024", wurde von langer Hand vorbereitet. Die Entsendung der Fregatten "Frankfurt am Main" und "Baden-Württemberg" begann im Mai und wird bis Ende Dezember andauern.

Medienberichten zufolge teilte die Außenministerin mit, dass auch die Straße von Taiwan in den Fokus der Übung rücken könne, um "das Recht der friedlichen Durchfahrt" zu verteidigen. Damit suggerierte Baerbock eine unmittelbare Bedrohung durch China. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen (BSW) hatte beim Auswärtigen Amt angefragt, inwiefern eine solche Bedrohung bestehe und teilte die Antwort des AA auf der Plattform X: Dem Ministerium ist kein entsprechender Fall bekannt.

Wie es in einer Pressemitteilung der Bundeswehr zum Einsatz der beiden Fregatten heißt, wird der "Höhepunkt" ihrer Entsendung die Teilnahme an der Übung RIMPAC (Rim of the Pacific, Randgebiet des Pazifiks) 2024 sein. Die zweimal im Jahr stattfindende Übung unter Führung der USA versammelt rund 29 Nationen, 40 Überwasserschiffe, 3 U-Boote, 14 nationale Landstreitkräfte, über 150 Flugzeuge und mehr als 25.000 Militärs. Die Übung dient US-Navy Angaben zufolge dazu, "unsere kollektiven Kräfte zu stärken und einen freien und offenen Indopazifik zu fördern."

Patrouille durch "umstrittene Gewässer"

Wie die Tagesschau berichtete, reagierten die Vereinigten Staaten schon im April auf ein chinesisches Militärmanöver mit der Patrouille des Kriegsschiffs USS Milius durch "umstrittene Gewässer".

Im März wurde die dauerhafte Stationierung der US-amerikanischen US Special Operations Forces (SOF, "Green Berets") zur Ausbildung von Soldaten in Taiwan bekannt. Die Elite-Spezialeinheit des Militärs wird ihrerseits in einem breiten Spektrum von Disziplinen ausgebildet – darunter auch in unkonventioneller Kriegsführung und Aufstandsbekämpfung und ist unter anderem in Afghanistan zum Einsatz gekommen.

Hinter der militärischen Konfrontation der beiden Großmächte steht bekanntermaßen auch ein geoökonomischer Wettbewerb um das globale Technologie-Zentrum Taiwan, das mindestens 60, im modernen Produktsegment sogar 90 Prozent der weltweiten Halbleiter-Versorgung stemmt.

In den letzten Jahren hat sich eine Machtverschiebung in jener geoökonomischen Sphäre angekündigt, die vor wenigen Tagen ihren Abschluss gefunden zu haben scheint.

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