Der unendliche Ausnahmezustand
- Der unendliche Ausnahmezustand
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Erwünschte und unerwünschte Ängste im Corona-Lockdown: Ignorierte Kollateralschäden und Gründe der Akzeptanz für die "epidemische Lage von nationaler Tragweite" (Teil 1)
Spätestens bis zum 31. März 2021 muss der Deutsche Bundestag wieder zusammentreten, um darüber zu beraten und zu entscheiden, ob immer noch eine "epidemische Lage von nationaler Tragweite" besteht. Dann läuft die Ermächtigungsgrundlage für die bisherigen Schutzmaßnahmen aus, die der erst im November 2020 hinzugefügte § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG) in 17 Punkten aufführt. Das Gesetz gibt nur eine schmale Hilfestellung zur Bestimmung der "Lage". Sie liegt nach § 5 IfSG dann vor, "wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten BRD besteht".
Folgt man dem § 28a IfSG weiter in seine eng gedruckten Absätze, so knüpft er diese "Gefahr" an den Schwellenwert von Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, den sogenannten Inzidenzwert, der es zum Morgen- und Abendgebet jeder Radiosendung gebracht hat. Liegt dieser Wert über 50, so können "umfassende Schutzmaßnahmen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen" verfügt werden. Sinkt er, bleibt aber über 35, so können immer noch "breitangelegte Schutzmaßnahmen, die eine schnelle Abschwächung des Infektionsgeschehens erwarten lassen", ergriffen werden.
Für die Bevölkerung macht das keinen Unterschied: Der Lockdown wird einfach verlängert. Da die 17 Maßnahmen des § 28a IfSG ohnehin kumulativ eingesetzt werden können (Abs. 6), ist er die einfachste Lösung eines Problems, das man immer noch nicht recht begriffen hat. Sollte der Schwellenwert dann unter 35 sinken, so "können die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen aufrecht erhalten werden, soweit und solange es für die wirksame Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit 2019 (Covid-19) notwendig ist", verheißt Absatz 6 § 28a IfSG.
Die Drohung des Lockdown bleibt also bestehen, und schon haben CDU/CSU und SPD am 9. Februar einen Gesetzentwurf im Bundestag vorgelegt, mit dem der Fortbestand der "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" sogar unabhängig von dem dann geltenden Inzidenzwert bis zum 31. März 2022 beschlossen werden soll. Am 4. März verabschiedete die "schwarz-rote" Koalitionsmehrheit im Bundestag das Gesetz gegen die Stimmen der Linksfraktion, der Grünen, der AfD und der FDP.
Wer im Deutschen Parlament hat sich klar gemacht, dass die kumulative Anordnung aller 17 Schutzmaßnahmen und der zusätzlichen in den §§ 29 bis 31 IfSG die gesetzliche Ermächtigung für die totale Blockierung allen gesellschaftlichen Lebens, den totalen Ausnahmezustand ist? Eine Perspektive, die nicht nur Juristen erschrecken lässt.
Der Weg des Einverständnisses
Die Gesellschaft steht seit dem ersten Lockdown vom 22. März, der wie ein Rasenmäher über die Wiese unserer Grundrechte geht, unter permanentem Druck. Dennoch unterstützt sie die scharfen Einschnitte in ihr tägliches Leben, die an die ökonomische Existenz und psychische Gesundheit vieler Menschen gehen, mit nahezu unverminderter Zustimmung. Wie ist ein derartiges Einverständnis zu erreichen?
Am Anfang war das Virus noch die unbekannte Gefahr mit tödlichem Ausgang und drastischen Bildern aus Bergamo in Italien. Als sich die Situation im Sommer entspannte und die Angst vor dem Virus sich legte, wurde schon im August und im September mit der "zweiten Welle" gedroht. Am 16. Dezember legte der zweite Lockdown das gesellschaftliche Leben zum Jahresende lahm. Er sollte ursprünglich bis 10. Januar 2021 dauern.
Doch schon Anfang 2021 kam eine weitere Drohung mit der "dritten Welle" durch zwei in Großbritannien und Südafrika aufgetretene Mutationen, die um vieles ansteckender seien als das ursprüngliche Virus. Der Lockdown wurde zuerst bis zum 31. Januar, dann bis zum 14. Februar und dann bis zum 7. März verlängert. Inzwischen ist eine dritte Variante aus Brasilien aufgetaucht, und eine "Zero Covid"-Bewegung, die einen totalen Lockdown bis unter den Schwellenwert 10 fordert, gewinnt nicht nur in den Parteien Zulauf, sondern ist schon bis in das Vorzimmer von Bundeskanzlerin Merkel vorgedrungen.
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