Der vergessene Krieg im Mittleren Osten

Die Wurzeln des Dschihad I

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Während die Tommies von Blair und die GIs von Bush nach Osten reisen, wäre es gut, wenn die Menschen, die sie geschickt haben, sich ein wenig Zeit für einen kurzen Ausflug in die Geschichte nehmen würden. Die Briten haben sich schon früher auf einem solchen Weg zum Krieg befunden. Das Ergebnis war eine derartige Katastrophe, dass Whitehall noch immer nicht die Tausenden von Toten anerkennen will, die mit der einfachsten und gewöhnlichsten Kriegsauszeichnung endeten. Es gibt keine Denkmäler, um an diese Toten zu erinnern. Die Story wurde aus der britischen Geschichte getilgt.

Der vergessene Krieg fand zwischen 1951 und 1954 in den eintönigen Wüstenhügeln statt, die sich auf beiden Seiten des Suez-Kanals hinziehen. Er endete mit dem schmählichen Rückzug der Briten aus einem Land (wie Irland, Palästina oder Vietnam), in dem die "kleinen Leute" sich weigerten, eine fremde Herrschaft zu dulden. Das Land war Ägypten.

Die Lektion ist einfach, und sie ist jedem Soldaten Napoleons während des langen Rückzugs von Moskau im Jahr 1812 bis hin zum letzten amerikanischen Marine bekannt, der um seinen Platz im letzten Hubschrauber kämpfte, der 1975 aus Saigon flüchtete. Sie besteht darin, dass eine offensichtlich ganz einfacher militärischer Eroberungsfeldzug in Wirklichkeit eine Illusion ist, um die Unaufmerksamen in die Falle zu locken: ein politisches Wunder.

Der wirkliche Krieg beginnt mit der Besetzung. Als ein Teilnehmer des vergessenen britischen Wüstenkriegs, weiß ich, dass der auf die Eroberung folgende Konflikt aus Terror, Mord und Chaos besteht, dass er ohne Glanz und mit zunehmender Grausamkeit auf Seiten der Besetzer und auf der der Besetzten geführt wird.

Es gibt ein gemeinsames Element, das die verbrannte Erde in Russland (1812 und 1942), die durch die Artillerie von der See zerstörten Häuser von Dublin (1916), den Geruch von Napalm am Morgen wie in Vietnam (1972) und die Berge ägyptischer Leichen in Ismailia (1852) verbindet. Das ist die Verpflichtung eines ganzen Volkes, falls notwendig Jahre lang Widerstand zu leisten. Die Verpflichtung zum Widerstand und der islamische Glaube waren die Hauptfaktoren, die wir in Ägypten unterschätzt hatten und die von den ölsüchtigen westlichen Demokratien zweifellos wieder unterschätzt werden, wenn sie dem Irak ihre Vorstellungen von einer Regierung aufzwingen.

Im Sommer 1951 fuhren wir, die Soldaten der 16. Fallschirmspringerbrigade, auf den Flugzeugträgern Bulwark und Warrior von demselben Kai in Portsmouth weg, von dem auch die Ark Royal vor kurzem in Richtung Golf ablegte. Ein einsamer schottischer Dudelsackpfeifer verabschiedete uns mit der Klage: "Yer no awa' tae bide awa" (Ihr fahrt nicht für immer fort). 400 von uns sollten nicht mehr zurückkehren.

Wir gingen davon aus, dass unser endgültiges Ziel der Golf und dort das iranische Ölfeld von Abadan sein würde, das ein radikaler Politiker, der Ministerpräsident Mossadeq, sich gerade von einem britischen Unternehmen angeeignet hatte. Wir, die "Paras", würden das Ölfeld mit Gewalt mit einem massenhaften Absprung zurück erobern. Ein vorsichtiger Uncle Sam intervenierte. Die CIA übernahm den Job, unterstützte mit viel Geld Straßenkämpfe, aufgrund derer die Regierung von Mossadeq stürzte und durch einen dem Westen freundlich gegenüber stehenden Schah ersetzt wurde. Als dieser Schah dann vertrieben wurde, nahm man die Angestellten der amerikanischen Botschaft als Geiseln. Durch einen katastrophalen Beifreiungsversuch von Spezialkräften stürzte ein amerikanischer Präsident.

Wir, die Paras, waren für einen Kampf bereit, wo auch immer wir ihm begegnen würden. Auf dem Meer tanzten wir auf dem Flugzeugdeck und sangen raue Lieder über "die Kameltreiber". Jeder wusste schließlich, dass es einer von uns mit sechs von ihnen aufnehmen konnte. Wir gingen in Zypern an Land. Eine andere Gelegenheit für einen Krieg lag direkt vor uns.

Die Briten hatten Ägypten seit 1882 besetzt und bewachten den Suez-Kanal, die Nabelschnur, durch die Europas Öl floss. Wir waren nicht willkommen. Große Aufstände und immer mehr Opfer wurden zum Alltag während der nächsten 70 Jahre. Wir allerdings hingen an dem Glauben fest:

"Whatever happens we have got
The Maxim Gun, and they have not!"

1951 hob die ägyptische Regierung ein Abkommen auf, das es 10.000 britischen Soldaten erlaubte, in der Kanalzone zu bleiben (in Wirklichkeit waren dort 60.000 stationiert). Es folgten antibritische Aufstände. Drei Tage später nahmen die Paras strategisch wichtige Punkte wie Brücken oder eine Eisenbahn gewaltsam ein. Es gab nicht viele Tode. Danach begannen die Generäle gegen den Rat der Diplomaten mit Aktivitäten, die sich zu einem privaten Krieg auswuchsen.

Overkill

Die Ägypter befahlen allen zivilen Arbeitern, etwa 10.000, jede Unterstützung der britischen Stützpunkte zu unterlassen. Jetzt mussten die Tommys alles von der Arbeit am Kai bis zu den Wasseraufbereitungsanlagen selbst ausführen. Man überlebt ohne sauberes Wasser nicht lange in der Wüste. Die Aufbereitungsanlagen wurden von Scharfschützen beschossen. In der "Operation Flatten", die von den Paras angeführt wurde, zerstörten unsere Tanker ein Dorf in der Nähe von Suez. Eine schlimme Erinnerung an die Nazi-Untaten in Polen 1943. Sir Thomas Rapp, unser Einsatzleiter in Kairo und ein Kriegsheld, beschrieb Flatten als eine "diplomatische Katastrophe".

Wir waren, wohin wir auch seitdem gingen, bewegliche Ziele für Anschläge, die normalerweise von hinten geschahen, oder Opfer von Entführungen. Ein britischer Offizier wurde langsam mit Bajonetten getötet, sein Gesicht brutal in den Wüstensand gepresst. Andere wie ein Zwei-Sterne-General der Luftwaffe verschwanden, ohne noch einmal gesehen zu werden. Unser Feind - muslimische fundamentalistische Guerrilleros der Islamischen Bruderschaft - schlich sich in der Dunkelheit in den Raum zwischen unseren mit Stacheldraht geschützten Lagern, feuerte ein paar Kugeln in jede Richtung und zog sich dann wieder zurück, während die Briten darauf so reagierten, dass sie aufeinander schossen.

General Erskine, unser Kommandeur, verachtete sowohl die "Gippos" als auch die britischen Diplomaten, die einen nichtmilitärischen Weg vertraten. Er musste ein persönliches Gespenst vertreiben. In der Normandie war er 1944 für ein übervorsichtiges Verhalten im Kampf kritisiert und von seinem Kommando abgesetzt worden. Sechs Jahre später stand er in Ägypten Guerilleros in zerfetzten Hosen und kaum ausgebildeten sowie schlecht bewaffneten Hilfspolizisten gegenüber. Erskine schaltete in den Overdrive hoch und begann mit einem Overkill.

Der deprimierendste Außenposten war in El Kebir, ein Nichts irgendwo platziert. Es handelte sich um ein Nachschublager mit einem Umfang von 30 Kilometern, in dem es Nachts klirrend kalt und tagsüber unerträglich heiß war, zudem war es permanent Sandstürmen ausgesetzt. Nach jedem Sturm kam die nächste Plage: Sandfliegen. Sie fraßen unsere Lebensmittel und krabbelten über unsere schwitzenden Körper. Für einige Wehrpflichtige, das waren wir fast alle, bestand der einzige Weg aus dieser Hölle darin, am Ende eines Seils zu baumeln, der vom Wasserturm des Lagers herabhing.

Zu diesen Schrecken gesellten sich nun auch noch die "Jugendkommandos". Sie überfielen einen Militärzug und sprengten eine Patrouille der Scottish Highlander in die Luft, die zur Rettung kam. Wir umzingelten die Kommandos in einer Oase, riefen Panzer und bombardierten den Ort. An dem Tag starben 12 Ägypter, 15 wurden verwundet. Später setzten wir schwere Artillerie gegen ein nahegelegenes Dorf ein, in dem sich Scharfschützen versteckten.

Weitaus Schlimmeres folgte ein paar Tage später in Ismailia, einer grünen Marktstadt am Kanal. Den ägyptischen Polizisten, die sich in ihre Baracken zurückgezogen hatten, wurde befohlen, ihre Waffen niederzulegen. Auf Befehl ihrer eigenen Regierung weigerten sie sich. Wir ließen Panzer auffahren und bombardierten das Gebäude mit Anti-Panzer-Geschossen, Mörsergranaten und den Maschinengewehren auf den Panzern. Dann griffen die Lancashire Fusiliers mit Bajonetten an und warfen Granaten. Später "füllten tote und verwundete Ägypter die Räume der Baracke", so ein Augenzeuge, umgeben von "einem pathetischen Haufen an blutgetränkten Decken".

Die "Wogs" hatten sich tapfer fünf Stunden lang verteidigt, lediglich ausgerüstet mit Gewehren und ein paar leichten Maschinengewehren. Vierzig von ihnen starben, 70 wurden verwundet. "Ob wir die ägyptische Polizei lieben oder nicht", so David Webster, der Reporter des Daily Mirror zu dieser in einem von Whitehall nicht gerne gesehenen Artikel, "so haben sowohl die Berufs- als auch die Aushilfspolizisten in einem Ausmaß Widerstand geleistet und gekämpft, wie unsere Behörden dies nicht einen Augenblick lang erwartet haben."

Wir verloren drei Mann, 13 wurden verwundet. Wir verloren vor allem jede moralische Autorität im Mittleren Osten. Sir Cecil Campbell, der Präsident der Britischen Wirtschaftskammer in Ägypten, sagte: "Der Gebrauch der Gewalt in Ismailia ... hat alle Ägypter gegen uns vereinigt. In Ismailia haben wir Ägypten politisch und endgültig verloren."

Schwarzer Samstag

Sir Alexander Keown-Boyd, der ehemalige Geheimdienstchef in Ägypten, bezeichnete die Operationen von Erskine als politische Katastrophen. Der britische Botschafter kam zum Schluss, dass der höchste General seines Landes in der Region "einer extremen Politik in eigener Verantwortung nachging". Aber in London applaudierte ein gerade wiedergewählter Ministerpräsident Winston Churchill das Militär.

Am Tag nach Ismailia übernahm der Mob die Herrschaft in Kairo, angeführt von rebellischen und verbitterten Polizeioffizieren, die Waffen verlangten, um ihre Kameraden zu rächen. Die Menge brannte 750 ausländische Geschäftsgebäude, darunter solche Kolonialprunkstücke wie das Shepard's Hotel nieder. Der Großteil des verwestlichten Kairo ging in Flammen auf. Zu den 26 Toten gehörte der kanadische Handelsbeauftragte, der im Turf Club verbrannte. Der tag ging in die lokale Geschichte als "Schwarzer Samstag" ein. Wir, die Paras, bereiteten uns für einen Absprung auf Kairos größten Flugplatz vor. Schließlich setzten sich klügere Berater durch, die sich gegen einen vollen Krieg mit Ägypten aussprachen.

Für die Briten gab es keine Zukunft mehr in Ägypten. Der Overkill hatte das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung. Innerhalb von zwei Jahren nach der militärischen Aktion in der Kanalzone hatten wir die unvermeidliche Folge akzeptiert und einem Abzug zugestimmt. Trotz des verrückten Versuchs, 1956 wieder in Ägypten in israelisch-französischer Zusammenarbeit einzumarschieren, hielten sich die Briten aus guten Gründen zurück.

Der einzige wichtige Unterschied zwischen damals und heute ist, dass die Amerikaner damals aus ihren eigenen Gründen gegen die britische Repression in Ägypten waren. Jetzt sind die USA die imperiale Macht, die mit der größten Knarre und Nuklearwaffen ausgestattet und zu ihrer Anwendung bereit sind, ohne zu bedenken, worauf das hinauslaufen könnte. Ich gehe davon aus, dass der kommende Krieg mindestens ein halbes Jahrhundert dauern wird. Das ist im Mittleren Osten nichts Besonderes. Sie waren schon davor da. Und im Unterschied zu den Angelsachsen vergessen sie nicht.