Deutsch-Mittelost

Seite 4: Deutsche Medienmacht

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Von besonderer politischer Brisanz ist aber vor allem die erdrückende Dominanz deutscher Konzerne auf dem Medienmakrt Osteuropas. Auch Polen hat "seine" BILD-Zeitung, die dort auf den Namen Fakt getauft wurde. Das Blatt ist polnischer Marktführer und gehört selbstverständlich dem Axel-Springer-Verlag. Seine Machart und die Inhalte gleichen dem großen deutschen Vorbild. Fakt ist aber nur das Flaggschiff des größten deutschen Zeitungskonzerns in Polen. Daneben wurde von dem deutschen Marktführer auch ein Derivat der Tageszeitung "Die Welt" auf den polnischen Markt platziert, das den Namen Dzeinnik trägt.

Der deutsche Verlag hat sich gewissermaßen auf das "Klonen" von Zeitschriftenformaten spezialisiert: Springer wirft in Polen Ableger fast seiner gesamten deutschen Titel auf den Markt: Neben dem Wochenmagazin Newsweek-Polska sind das etliche Frauenblätter, Jugendmagazine (darunter Popcorn), Automagazine und Computerzeitschriften. Der deutsche Großverlag konzentriert sich dabei auf überregionale Publikationen. Zudem

Eine ganz andere Strategie verfolgt die deutsche Verlagsgruppe Passau (PNP). Die bayrischen Mittelständler haben sich vor allem auf den Erwerb von Regionalzeitungen spezialisiert. So besitzt PNP inzwischen eine Monopolstellung auf den regionalen Zeitungsmärkten in Wroclaw, Poznan, Gdansk, Lodz, Katowice und Krakow und Olsztyn. Über eine starke Präsenz auf dem polnischen Pressemarkt verfügen auch der Bauer-Verlag, das mehrheitlich zu Bertelsmann gehörende Hamburger Verlagshaus Gruner+ Jahr und der Münchner Burda-Konzern.

Begünstigt wurde die schnelle Eroberung des polnischen und des gesamten osteuropäischen Marktes durch die Fähigkeit der kapitalstarken deutschen Konzerne, über längere Zeiträume auch mit Verlusten zu operieren - bis ein Großteil der Konkurrenz vom Markt verschwunden war. Daneben betreiben die Ableger deutscher Medienkonzerne meist eigene Druckereien und Werbeagenturen, die ebenfalls eine kostengünstige Produktion gewährleisten.

Aufgrund dieser Vorteile westlicher Medienkonzerne ist längst der gesamte osteuropäische Medienmarkt fest in ausländischer Hand. Das polnische Nachrichtenmagazin Wprost schreibt, dass dieser zu 85 Prozent vom westlichen Kapital kontrolliert wird. Drei Viertel davon würden auf deutsche Konzerne entfallen!

Polen, Tschechien und Ungarn gelten als die Länder, in denen westeuropäische Medienkonzerne die größte Marktdominanz aufbauen konnten. Diese Konzerne sollen einen Anteil von 80 Prozent am gesamten Pressemarkt dieser drei Länder haben. In Tschechien kontrollieren deutsche Verlage – insbesondere die umtriebige PNP – 82 Prozent der Regionalzeitungen. In Ungarn sind es 75 Prozent des gesamten Pressemarktes, und selbst in der kleinen Slowakei geben deutsche Medienkonzerne an die 30 Titel heraus. Der WAZ-Konzern hat sich hingegen auf Südosteuropa spezialisiert: In Kroatien, Serbien, Rumänien und Bulgarien bringt dieser deutsche Medienriese gut drei dutzend Zeitschriften und 20 Zeitungen heraus.

Ein von der European Federation of Journalists bereits 2003 herausgegebener Bericht kam zu einem vernichtenden Urteil bezüglich der Konzentrationsprozesse auf dem osteuropäischen Medienmarkt, der einem Prozess der "Kolonialisierung" durch "ausländische Mediengruppen" seit 1989 ausgesetzt gewesen sei:

Das alte Staatsmonopol bei den Medien, speziell bei der Presse, wurde ersetzt durch kommerzielle Monopole.

Das Engagement deutscher und westlicher Medienkonzerne in Osteuropa hat auch einen brisanten politischen Beigeschmack. Seit Jahren deuten Hinweise auf eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung in Mittelosteuropa im Sinne deutscher Interessen. Wie Wprost berichtete, sollen die in Tschechien erscheinenden und im deutschen Besitz befindlichen Zeitungen Mlada Fronta Dnes und Lidove Noviny das den Sudetendeutschen während ihrer Umsiedlung widerfahrene Leid verdächtig oft betonen und die Benes-Dekrete als "Unrecht" bezeichnen.

Besonders hervorgetan bei der Meinungsmache hat sich übrigens Springers Wochenblatt "Neewsweek-Polska" im März 2004. Damals steuerten die deutsch-polnischen Spannungen um das in Berlin geplante "Zentrum gegen Vertreibungen" und die Entschädigungsforderungen der "preußischen Treuhand" auf einen Höhepunkt zu. Am 28. März publizierte Newsweek einen antisemitischen Artikel, der eine Welle von Klagen jüdischer Alteigentümer auf Rückgabe ihres ehemaligen Eigentums in Polen halluzinierte. Der Export antisemitischer Ressentiments, deren Ausleben dem gewöhnlichen Springerredakteur durch seinen Arbeitsvertrag in Deutschland verwehrt wird, sollte offensichtlich den internationalen Ruf Polens in einer Zeit verstärkter geschichtspolitischer Spannungen mit Deutschland beschädigen.