Deutsche Einheit: Warum die ostdeutsche Wirtschaft immer noch hinterherhinkt

Seite 2: Wie Wessis die ostdeutsche Wirtschaft ruinierten

Ein Jahr nach der Wiedervereinigung war Ostdeutschland hinter die Wohlstandsverteilung der Nachkriegsjahre zurückgefallen. Daran hatte die Treuhand-Anstalt einen großen Anteil, aber auch die Währungsunion.

Was die Ostdeutschen damals nicht ahnen konnten: Mit ihrem lauten Ruf nach der D-Mark besiegelten sie den Untergang ihrer eigenen Betriebe. Denn die D-Mark kappte die Verbindungen zu den Kunden in anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks. Das war kein Zufall, wie der Historiker Karl Heinz Roth in seinem Buch "Anschließen, angleichen, abwickeln" zeigt.

1952 wurde in der Bundesrepublik der Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands beim Gesamtdeutschen Ministerium gegründet. Er entwarf Pläne und Szenarien, was im Falle einer Wiedervereinigung mit Ostdeutschland geschehen sollte. Entsprechende Konzepte lagen in Bonn in der Schublade, als die politische Wende in der DDR kam.

Der Forschungsbeirat konnte dabei auf Erfahrungen aus der Hitlerzeit zurückgreifen. Im März 1938 war Österreich annektiert worden. Und ab September 1939 begann die Zerstückelung Polens und die Annexion seiner westlichen Provinzen. Der erste Präsident des Forschungsbeirats, Friedrich Ernst, hatte laut Roth "in der ersten Blitzkriegsphase das Reichskommissariat für die Behandlung feindlichen Vermögens geleitet". Auch der spätere Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard soll sich "in den Jahren 1938 bis 1941 als wirtschaftspolitischer Annexionsexperte" hervorgetan haben.

Zu den etablierten Maßnahmen gehörte immer eine Währungsunion. Dabei wurde die Währung des Gebiets, das übernommen werden sollte, kurz vor ihrer Liquidation noch einmal künstlich aufgewertet, "um das annektierte Territorium schlagartig von seinen ökonomischen Außenbeziehungen abzutrennen und seine Kapital- und Warenmärkte für einen radikalen Durchdringungsprozess seitens der Unternehmen der Annexionsmacht zu öffnen".

Zudem wurden "gesamtwirtschaftliche Agenturen" eingerichtet, über die eine möglichst rasche Aneignung, Privatisierung und Übertragung von Sachvermögen gewährleistet werden sollte. In den damals westpolnischen Provinzen wurde etwa im Herbst 1939 dazu die Haupttreuhandstelle Ost eingerichtet.

Auf diese Erfahrungen konnte der Forschungsbeirat aufbauen, und seine Konzepte flossen 1989/90 in die bundesdeutsche Politik ein. Am Ende stand der unumkehrbare Anschluss Ostdeutschlands und eine ruinierte Wirtschaft in den "neuen" Bundesländern.

Von dieser Schocktherapie hat sich Ostdeutschland, gemessen an den wirtschaftlichen Kennziffern, nach 33 Jahren weitgehend erholt. Die Milliarden aus dem Solidaritätszuschlag waren gut angelegtes Geld.

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