Deutsche Wirtschaft rutscht in die Rezession

Bankenverband: Hohe Inflation führt zu "erheblichem Kaufkraftverlust"; Notenbanken in den USA und der Schweiz erhöhen Leitzinsen um 0,75 Prozentpunkte. Dollar gegenüber Euro auf Rekordhoch.

"Die Wirtschaft in Deutschland wie in Europa ist in schwieriges Fahrwasser geraten", heißt es nun auch von Henriette Peucker, Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers des Bankenverbandes.

Sie prognostiziert, dass die hohen Inflationsraten zu einem erheblichen Kaufkraftverlust bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern führen können. "Zudem drücken die Spätfolgen der Pandemie und Lieferengpässe die Wirtschaft." Auch stark gestiegene Energiepreise hätten zu einem enormen Kostenschub für die Unternehmen geführt.

Wie an der wirtschaftlichen Lage schon vor Wochen abzusehen war, gehen nun auch die Chefvolkswirte der privaten Banken in Deutschland davon aus, dass die gesamtwirtschaftliche Leistung in den vier Quartalen bis zum Sommer 2023 sinken wird.

Da man von einer Rezession spricht, wenn die Wirtschaft in zwei aufeinander folgenden Quartalen schrumpft, ist die damit ausgemacht. Inzwischen gehen praktisch alle Wirtschaftsforschungsinstitute davon aus, dass eine Rezession unumgänglich ist.

Wir haben dann - wie erwartet - die schon zu Jahresbeginn erwartete gefährliche Stagflation. Von der spricht man, wenn bei hoher Inflation die Wirtschaft stagniert oder schrumpft.

Wie die Institute kommen die Chefvolkswirte der Privat-Banken ebenfalls zu einer eher optimistischen Prognose, was den Rückgang des BIP betrifft. Im Jahresdurchschnitt 2023 wird von ihnen lediglich in "Höhe von 1,3 Prozent" erwartet. Die weiterhin außerordentlich hohen Preise im gesamten Euroraum bereiten den Bankern aber Sorgen:

"Die Inflationsrate droht kurzfristig noch weiter zu steigen. Das ist nicht nur für die Wirtschaft eine enorme Belastung. Die Angst vor der hohen Inflation ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen."

Entscheidend für eine mögliche Wiederbelebung der Konjunktur sei, wie sich Preise in der Zukunft entwickeln werden, so der Bankenverband.

EZB: Geldschwemme bleibt?

Dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Entwicklung seit einem Jahr verschlafen oder mit Blick auf die hohe Staatsverschuldung von Staaten in der Eurozone verschlafen wollte, wird von den Bankern nicht wirklich wahrgenommen. Nach ihrer Ansicht habe die EZB mit ihren Zinsschritten eindrucksvoll bewiesen, dass für sie die Inflationsbekämpfung höchste Priorität hat.

Das ist aber leider eine falsche Einschätzung. Das zeigt sich auch daran, dass die Anleihekäufe der EZB weitergehen, die Bilanzsumme nicht verringert wird. Es wurde mit dem "Transmission Protection Instrument" (TPI) sogar ein neues Kaufprogramm für Anleihen aufgelegt.

Also bleibt die Geldschwemme im Euroraum. Deshalb ist es fraglich, ob die Prognose des Bankenverbands eintrifft. Der geht davon aus, dass die Inflation 2023 auf sechs Prozent sinkt, während die EZB von einer noch niedrigeren Rate von 5,5 Prozent ausgeht.

Aber auch der Bankenverband stellt fest, dass die Inflation auch dann noch deutlich über dem Inflationsziel der EZB von zwei Prozent liegen wird.

Fed: Leitzins deutlich erhöht

Anders hat die US-Notenbank (Fed) reagiert. Die hat früher ihre Geldpolitik geändert, allerdings auch zu spät erst im März auf eine hohe und steigende Inflation reagiert. Doch für die Fed hat die Inflationsbekämpfung seither wahrlich höchste Priorität. Die US-Notenbank hat die Geldschleusen geschlossen. Sie verringert ihre Bilanzsumme und saugt Geld vom Markt. Sie erhöhte am Mittwoch nun zum dritten Mal in Folge den Leitzins sogar um 0,75 Prozentpunkte.

Der liegt nun in der Spanne von 3 bis 3.25 Prozent, wie die Fed mitgeteilt hat. Zwar ist die Inflationsrate in den letzten Monaten in den USA wieder auf 8,3 Prozent gesunken, doch im August nur langsamer als erhofft.

Obwohl auch die US-Wirtschaft in die Rezession abzurutschen droht, wurden weitere Zinserhöhungen im laufenden Jahr angekündigt, die natürlich die Konjunktur belasten, weshalb auch schon von einem "Zinsschock" gesprochen wird. Vorsorglich hat die Fed ihre Prognose nach unten korrigiert.

Höhenflug des US-Dollar; niedrige Inflationsrate in der Schweiz

Da die Schere zwischen den Zinsen in den USA und dem Euroraum immer weiter aufgeht, kommt die EZB noch stärker unter Druck. Der Leitzins im Euroraum liegt derzeit bei 1,25 Prozent. Doch die EZB kommt über den Weg der Fed nun noch stärker unter Druck, da auch der Höhenflug des US-Dollar wegen der neuen Zinsanhebung anhält.

Der verzeichnete gegenüber dem Euro am Donnerstag ein 20-Jahres-Hoch. Der Euro hat gegenüber dem Dollar am bis auf 0,981 Dollar abgewertet. Das war der niedrigste Stand seit Oktober 2002.

Das führt ebenfalls zu einem neuen Inflationsschub. Denn ein schwacher Euro verteuert Energie weiter, da Gas und Öl in Dollar gehandelt werden.

Das ist ein Grund, warum die Inflationsrate in der Schweiz mit 3,5 Prozent gegenüber 9,1 Prozent im Euroraum vergleichsweise niedrig ist. Der starke Franken verbilligt auch Energieimporte. Statt abzuwarten, bis das Kind in den Brunnen fällt, hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) schnell darauf reagiert, dass die Inflation deutlich über der Zielmarke von zwei Prozent liegt.

Die Zeit der Negativzinsen ist auch in der Schweiz nach acht Jahren vorbei. In einem sofortigen großen Zinsschritt hat die SNB die Leitzinsen sofort um 0,75 Prozentpunkte auf 0,5 Prozent erhöht.

"Damit wirken wir dem erneut gestiegenen Inflationsdruck entgegen und erschweren ein Übergreifen auf bisher von der Teuerung weniger betroffene Waren und Dienstleistungen", sagte der SNB-Präsident Thomas Jordan am Donnerstagmorgen.

Es soll verhindert werden, dass die Inflation in die Breite geht, wie man es sowohl in den USA als auch im Euroraum schon zu beobachten ist. Es sei nicht auszuschließen, dass weitere Zinserhöhungen nötig sein werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten, fügte Jordan an.