Deutschland. Telefonisch.

Goethe in echt, etwas sehbehindert. Die Gipsmaske ist das einzige Lebendbild des Dichters, das es gibt.

Warum ein persischer Copyshopbetreiber in Frankfurt Apple hasst

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Es gibt da irgendwo eine längst vergessene Geschichte von Arno Schmidt: Der alte Goethe ist wieder zum Leben erwacht und wandert durch die BRD von 1956. Oder so.

Es war eine deutsche Phantasie. Eine literarische, ohne Technik. Das Telefon kam darin nicht vor, soweit ich mich erinnere, aber was Arno Schmidt damals zu der Geschichte eingefallen ist, das habe ich zur Zeit auch nicht mehr direkt parat, nicht greifbar.

Jedenfalls, die Phantasie musste man dafür nicht sonderlich bemühen, um Goethe zum Leben zu erwecken, schließlich gibt es eine — eine einzige — Fotografie vom alten Goethe — so alt war er damals übrigens noch gar nicht, vielleicht Mitte Fuffzich — und ein richtiges Foto war es eigentlich auch noch nicht, er musste dafür in Öl getränkte Wattepfropfen auf den Augen tragen und die Luft anhalten. Aber immerhin. Goethe zu Lebzeiten — so sah er damals aus, ganz real. Wirklich.

Aber ich kann mir vorstellen, was ich mit der Story gemacht hätte. Ganz klar, Goethe ist in der BRD, es ist 1956, und jetzt ruft er Schiller am Telefon an. Und Goethe freut sich kindisch über diese moderne Erfindung, die es ihm erspart, sich mit dem Dichterkollegen in seinem stinkenden Arbeitszimmer zu treffen. Denn Schiller liebte ja bekanntlich den Geruch vergammelter Apfelgrutzen, die er sich in einer Schublade seines Schreibtischs aufhob. Als Inspiration. Und Goethe konnte den Gestank bekanntlich nicht ausstehen. Wie praktisch wäre da doch ein Telefon gewesen, nicht wahr?— Und jetzt — das Ganze als Hörspiel für den Südwestfunk.

Aber ich selber weiß jetzt auch, wie es sich anfühlt, nach Jahrzehnten einmal wieder in Frankfurt am Main aus dem Flieger zu steigen. Das habe ich nämlich eben erst vor kurzem getan. Mein deutscher Pass lässt mich den Zoll passieren, als wäre ich ein Zäpfchen, problemlos, ganz ohne alle imaginierte Interferenz von Interpol und Co. Der reinste Wahnsinn. Deutsche Stimmen umschwirren mich, Stimmen, die ich allesamt verstehen kann, ein freundlicher Mitbürger erkundigt sich sogar, ob er mir helfen könne. Nein, sage ich, dies scheint genau die Stelle, die richtige Stelle zu sein, an der ich stehen sollte. Es handelt sich dabei um einen irgendwie markierten Treffpunkt.

Und es — das Unglaubliche — geschieht wirklich. Die Freundin, die ich seit 1990 nicht mehr gesehen habe, ist jetzt, 26 Jahre später, in aller Herrgottsfrühe, in Mainz, mit der S-Bahn gestartet, um hier, in Frankfurt, kurz nach sieben Uhr morgens, sich mit mir, am Flughafen, zu treffen, und um mir — ihr altes iPhone 4 in die Hand zu drücken. Was für ein wunderbares und wundersames Erlebnis. Einen immer schon und seit Jahren geliebten Menschen wiederzutreffen, anfassbar, lebendig — und dann ein endloses Gespräch über ein Handy zu führen.

Selbstverständlich verstehe ich nur "Bahnhof und Koffer klauen", was heute sicher auch kein Mensch mehr so sagen würde. Merke dir den Zugangs-Code, sagt sie. Und dann? Ja, ich besitze selber ein 15 Jahre altes Handy, das ich nie — so gut wie nie — verwende. Ich kann eben mal SMS-e (Plural) damit verschicken, sofern genug Tageslicht verfügbar ist, um mir beim Entziffern der Buchstaben behülflich zu sein.

Wenn ich angerufen werde, verstehe ich mit Mühe, was gesagt wird oder wer da spricht. Tatsächlich gelingt es mir jetzt auch über sechs Wochen hinweg in Europa so gut wie nie, mit dem neuen Smartphone klar zu kommen. Erst drei Tage vor meinem Rückflug erfahre ich das Geheimnis, wie ich meine Bankomat-Karte dazu verwenden kann, das Handy mit einem frischen Guthaben aufzufüllen.

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