Dialog unter Feinden

Sollte es Obama mit seinem Angebot für einen Dialog zwischen Washington und Teheran ernst meinen, stünden die Chancen für einen Erfolg sehr gut

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Der Traum eines nach westlichen Vorstellungen geprägten Nahen Ostens ist mit der Ära Bush untergegangen. Beim Versuch, den Nahen Osten mit militärischen Mitteln zu demokratisieren, hinterließ der Westen verbrannte Erde. Vor allem das Verhältnis zwischen den USA und Iran ist in den letzten fünf Jahren vergiftet. Die Pragmatiker in Washington haben bereits seit längerem erkannt, dass eine Schadensbegrenzung des politischen Desasters nur möglich ist, wenn man mit der regionalen Hegemonialmacht Iran kooperiert. Der künftige Präsident Barack Obama hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, die diplomatische Eiszeit mit Iran zu beenden und den Dialog zu suchen, obgleich die Ernennung außenpolitischer Hardliner in Schlüsselpositionen Zweifel an einem echten Willen zur Kooperation wecken. Wenn die USA Iran die Hand entgegenstrecken sollten, wird diese Hand von den iranischen Machthabern mit Freude ergriffen werden. Die Wirtschaftssanktionen des Westens haben das Land geschwächt und der Wille zur Kooperation ist in Teheran vorhanden.

Teheran ist dialogbereit

Durch die politische Führungselite Irans geht ein Riss, wenn es um die Einschätzung geht, ob mit der Präsidentschaft Obamas ein grundlegender Wechsel in den amerikanisch-iranischen Beziehungen möglich ist. Die pragmatischen „Tauben“ sehen in der neuen politischen Gemengelage eine historische Chance, alte Feindseligkeiten zu begraben und nehmen Obamas Angebot für einen Dialog ernst. Die fundamentalistischen „Falken“ sehen in Obamas Wahlkampfaussagen nur eine abgewandelte Strategie, die harte Linie weiterzuführen. Für sie ist Obama eine Marionette der zionistischen Lobbyisten und die Wahl eine Farce. Das Mächteverhältnis zwischen diesen beiden Gruppen hat sich laut Beobachtern durch die Ernennung von Hillary Clinton zur Außenministerin zugunsten der „Falken“ verschoben – Teherans Politeliten sind nicht der Meinung, dass mit einer Außenministerin, die als ausgesprochen proisraelisch gilt, veritable Verhandlungen möglich sein werden. Trotz der deutlichen Skepsis herrscht aber auch bei den „Falken“ Dialogbereitschaft vor. Selbst konservative iranische Kommentatoren halten den Dialogweg für eine gute Idee – nur schätzen sie die Chancen, dass aus dem Dialog substanzielle Ergebnisse entstehen könnten, als eher gering ein.

Präsidentschaftswahlen im Juni

Die besten Chancen auf fruchtbare Gespräche wird es aber erst nach den iranischen Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 geben. Ahmadinedschad gilt als populistischer Hardliner und es darf Zweifel daran geben, dass er in Wahlkampfzeiten an einem konstruktiven Dialog interessiert sein könnte, da er seine Stimmen vor allem im fundamentalistischen und nationalistischen Lager verortet. Bei dieser Klientel kommen Antiamerikanismus und Antisemitismus besser an als Dialogbereitschaft. Ahmadinedschads Gegner steht noch nicht fest. Die beiden einflussreichen Gruppen der moderaten Konservativen unter dem ehemaligen Präsidenten Rafsandjani und der Reformer unter dem ehemaligen Präsidenten Khatami wollen einen gemeinsamen Gegenkandidaten der „nationalen Einheit“ aufstellen. Es gibt Gerüchte aus dem Umfeld von Rafsandjani, dass dieser einer Kandidatur Khatamis nicht im Wege stehen würde. Mohammad Khatami gilt als Reformer, der in seiner Amtszeit von 1997 bis 2005 mehrfach auf den Westen zugegangen ist und sich offen für konstruktive Gespräche zeigt. Wenn Obama es mit seinem Wunsch nach Dialog ernst meinen sollte, wäre Khatami zweifelsohne der ideale Konterpart.

Die USA sollten allerdings nicht bis zu den Wahlen warten, um ihre Dialogbereitschaft zu signalisieren. Ahmadinedschad ist schwach – seine Politik gilt im Lande als gescheitert. Wirtschaftlich steckt Iran in einer schweren Krise. Die Inflation liegt bei 30%, die Arbeitslosenzahlen schnellen in die Höhe, wovon vor allem Jungakademiker betroffen sind. Jedes Jahr strömen 750.000 neue Schul- und Universitätsabsolventen auf den Arbeitsmarkt und immer weniger von ihnen bekommen einen Job. Schuld an dieser Misere sind vor allem die harten Wirtschaftssanktionen des Westens, mit denen Teheran für seine – aus westlicher Sicht – mangelnde Kooperation bei der Frage der Urananreicherung bestraft wird. Der Absturz des Ölpreises verschärft die wirtschaftliche Lage des Landes signifikant. Teheran hat seinen Haushalt auf der Basis eines Durchschnittspreises von 90 US$ pro Barrel erstellt. Wenn sich der Ölpreis bis zu den Wahlen im nächsten Jahr nicht massiv erholt, steht Ahmadinedschad vor dem Problem, entweder Ausgaben zu kürzen oder Schulden aufzunehmen – beides ist in Wahlkampfzeiten nicht eben popularitätssteigernd.

Ahmadinedschad setzt beim Thema „Wirtschaft“ ganz auf Nationalismus. Wenn es ihm gelingt, den Westen für die wirtschaftliche Schieflage verantwortlich zu machen und den Schwarzen Peter an die Reformer weiterzugeben, so hat er noch eine Chance, wiedergewählt zu werden. Wenn allerdings ein Wegfall der Sanktionen glaubhaft möglich erscheint, ohne dass Teherans Machthaber ihr Gesicht verlieren, wird der Schwarze Peter bei Ahmadinedschad verbleiben.

Der goldene Weg nach Teheran

Um diese Option während des Wahlkampfes in die politische Diskussion einzuführen, müssten die USA den ersten Schritt wagen und ihre Dialogbereitschaft unter Beweis stellen. Als Ansprechpartner käme dabei der „Oberste Rechtsgelehrte“ Ajatollah Khamenei in Frage, der auch in politischen Dingen die Richtlinienkompetenz innehat und im iranischen System über dem Präsidenten steht, dem die Tagespolitik obliegt. Vertraute Khameneis haben bereits Dialogbereitschaft signalisiert. Der Umweg über Khamenei wäre für den Dialog ein goldener Weg. Wenn der „Oberste Rechtsgelehrte“, der vor allem in konservativen Kreisen über jeden Zweifel erhaben ist, das Angebot zum Dialog begrüßt, muss auch Ahmadinedschad im Wahlkampf offen auf Dialog setzen. Wenn die USA sich allerdings zuerst an Ahmadinedschad selbst wenden, kann dieser den Dialog nur ablehnen, da er ansonsten vom fundamentalistischen Lager attackiert werden würde.

Obama hat die Möglichkeit, einen friedlichen Regierungswechsel in Teheran zu unterstützen. Wenn er den Reformern eine glaubhafte Option auf einen Dialog mit an die Hand gibt, der den Sanktionen ein Ende bereiten könnte, wäre dies eine Botschaft, die auch bei den iranischen Wählern ankommen würde. Damit wäre Ahmadinedschads Schicksal besiegelt. Sollte Obama allerdings eine betont harte Linie fahren, würde dies Ahmadinedschad stärken. Die Aussicht auf einen Dialog wäre damit allerdings schwer beschädigt.

Dauerbrenner Atomprogramm

Für den Westen steht das Thema Anreicherungsstopp ganz oben auf der Liste der Themen, die in einem Dialog geklärt werden müssten. Das Thema Urananreicherung ist ein politischer Dauerbrenner. Schon 1991 schrillten in Israel die Alarmglocken – seitdem behaupten israelische Geheimdienste Jahr für Jahr, Iran sei nur wenige Jahre von der Entwicklung einer eigenen Atombombe entfernt. Jahrelang stieß Israel, das nie ernstzunehmende Beweise für seine alarmistischen Warnungen vorlegen konnte, im Westen auf taube Ohren. Erst in der Ära Bush fanden die Israelis Gehör im Weißen Haus und im Pentagon. Das Atomprogramm als potentieller „Casus Belli“ passte hervorragend in die Doktrin der neokonservativen Falken. Der Mythos, Iran stünde kurz davor, Atommacht zu werden, wurde so zu einem politischen und publizistischen Selbstläufer. Die Gefahr, dass sogar der Westen selbst diesen Mythos glaubte, wurde so groß, dass die US-Geheimdienste im Dezember 2007 in ihrem gemeinsamen Lagebericht explizit klarstellen mussten, dass sie keine Beweise dafür hätten, dass Iran überhaupt an einem Kernwaffenprogramm arbeitet. Diese Einschätzung konnte bis dato auch nicht widerlegt werden.

Israel - die große Unbekannte

Für Iran ist die Atomenergie ein nationales Thema – nie würden die Machthaber die Anreicherung auf Druck des Westens stoppen. Wenn die Weltgemeinschaft und Iran eine pragmatische Lösung dieses Konfliktes erzielen wollen, ist ein Anreicherungsstopp auch gar nicht notwendig. Wenn man Iran „Sicherheitsgarantien“ geben würde, wäre das Land zweifelsohne dazu bereit, sein Atomprogramm unter internationale Aufsicht zu stellen. Irans Sicherheit ist primär durch Israel und die USA selbst bedroht. Wenn die USA auf dem Dialogweg eine Lösung für die Atomfrage erreichen wollen, so liegt es in ihrer Macht. Problematisch könnte sich allerdings die Frage erweisen, wie man Israel zu einem friedlichen Dialog überreden könnte.

Der ehemalige Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Zbigniew Brzezinski, der im Wahlkampf Obamas Berater für außen- und sicherheitspolitische Fragen war, beschreibt die Situation folgendermaßen:

Ich weiß nicht, ob Iran der Meinung ist, die militärische Option liege wirklich auf dem Tisch, aber ich bin der Überzeugung, diese Option ist für die USA nicht vorhanden. Auch für Israel ist diese Option nicht vorhanden, da Israel gar nicht über die Mittel verfügt, die iranischen Nuklearanlagen zu zerstören. Sie könnten sie höchstens beschädigen und damit den Prozess verlangsamen, während sie im Umkehrschluss den iranischen Extremismus stärken und den iranischen Fundamentalismus mit dem Nationalismus verschmelzen würden – ich denke nicht, dass irgendwer daran Interesse haben könnte. Zu guter Letzt – Israel kann gar keinen effektiven Angriff ausführen, wenn es nicht unsere Erlaubnis dafür hat. Wenn sie auf die Landkarte schauen, wissen sie, warum das so ist.

Ich rate der israelischen Regierung, sich nicht auf eine Kampagne einzulassen, die fordert, dass die USA Iran angreifen sollten, da meiner Meinung nach die USA Iran nicht angreifen werden, und sollten sie es dennoch tun, wären die Folgen katastrophal.

Kein Truppenabzug aus dem Irak ohne das Plazet Teherans

Neben dem vieldiskutierten Atomprogramm stehen noch andere Themen auf einer amerikanisch-iranischen Agenda. Beide Staaten eint das Ziel, die Macht radikaler Sunniten und islamistischer Terroristen im Nahen Osten einzudämmen. Vor allem, wenn es um die Zukunft des Irak geht, haben Teheran und Washington mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen. Wenn Obama den Truppenabzug bis zum Jahr 2011 realisieren will, so geht dies nicht, wenn die USA ein Machtvakuum hinterließen. Iran kann helfen, dieses Machtvakuum im beiderseitigen Interesse zu füllen. Ohne Kooperation zwischen den USA und Iran wird es keinen Truppenabzug der Amerikaner geben.

Die Antwort auf die Frage, ob die diplomatische Eiszeit durch ein Tauwetter abgelöst werden kann, liegt damit voll und ganz im Einflussbereich der Amerikaner. Die Zeiten für einen Wandel waren lange nicht so gut wie heute – nur müssen beide Seiten ernsthaft kooperieren wollen. Iran war in der Vergangenheit bereits kooperativ und machte den USA über diplomatische Unterhändler aus der Schweiz bereits im Jahre 2003 ein Angebot zu umfassenden Verhandlungen über die gegenseitigen Beziehungen. Dieses Angebot sah sogar eine offizielle Anerkennung Israels durch Iran vor. Die Regierung Bush nahm diese Chance nicht wahr, sondern marschierte lieber in den Irak ein und ging auf Konfrontationskurs. Obama kann die Ära Bush zwar nicht ungeschehen machen, aber er kann – wenn er dies will – eine neue Runde in den amerikanisch-iranischen Beziehungen einläuten.