Die 10 gängigsten Propaganda-Thesen zum Ukraine-Krieg – kurz erklärt

Seite 2: #5: Finnland und der Winterkrieg

Das ist nicht die schlechteste der falschen Analogien, aber sie ist komplizierter zu verstehen, als ihre Befürworter vielleicht denken.

Die Finnen unterzeichneten im März 1940 vernünftigerweise einen Friedensvertrag mit der UdSSR, um die Unabhängigkeit und Souveränität ihres Landes zu retten.

Aber sie hatten vor dem Kriegsausbruch ein ähnliches sowjetisches Angebot abgelehnt, das ihnen in der Grenzregion Karelien im Tausch neben Verlusten auch Gewinne von Gebieten beschert hätte.

Es war nicht die tapfere finnische Verteidigung, die den sowjetischen Angriff stoppte, sondern Stalins Angst, dass eine britisch-französische Militärintervention das Land in das Schlachtfeld eines größeren europäischen Krieges verwandeln könnte. Diese Perspektive wäre auch für die Finnen nicht günstig gewesen.

Finnland hätte für den Rest des Zweiten Weltkriegs ein neutrales Land sein können, entschied sich aber in katastrophaler Weise dafür, sich im sogenannten "Fortsetzungskrieg" mit Nazi-Deutschland zu verbünden.

Die finnische Führung rehabilitierte sich, indem sie 1944 ihre Streitkräfte gegen die Deutschen in Stellung brachte und sich dann weigerte, eine Einmischung des Westens in ihre Politik gegenüber den Sowjets zu akzeptieren.

Diese Haltung überzeugte Stalin und führte dazu, dass es Finnland ermöglicht wurde, ein halbwegs unabhängiges Mitglied des Sowjetblocks zu werden.

Eine "Finnlandisierung" – das bedeutet innere Autonomie im Austausch gegen eingeschränkte außenpolitische Souveränität – wäre ein weitaus besseres Modell für eine unabhängige Ukraine gewesen als der innenpolitisch spaltende Weg, der zu ihrer Teilung geführt hat.

#6: Diskurs um Völkermord und Holocaust

Beide Seiten haben das Wort "Genozid" in den Mund genommen, aber die Gräueltaten, die während des russisch-ukrainischen Krieges begangen wurden, sind in keiner Weise mit den Massenmorden der Nazis an Millionen Juden während des Zweiten Weltkriegs zu vergleichen.

Tatsächlich war dieser Krieg in bemerkenswerter Weise frei von großen, systematischen Gräueltaten gegen Zivilisten. Die überwiegende Mehrheit der Opfer des Krieges waren Soldaten. Damit soll nicht das unermessliche Leid von Millionen ukrainischer Zivilisten negiert werden, aber wie uns Gaza, Irak, Syrien, Libyen und Afghanistan zeigen, hätte es viel schlimmer kommen können.

Der Kampf um das Wort "Genozid" in der Propaganda hat zur Folge, dass zwei wesentliche Tatsachen über den tatsächlichen Holocaust verschleiert werden: Der Holocaust begann mit der Ermordung von einer Million sowjetischer Juden durch die SS in den Jahren 1941 bis 1942 und endete mit der Befreiung der Nazi-Vernichtungslager durch die Rote Armee in den Jahren 1944 und 1945.

#7: Eindämmungspolitik und Kalter Krieg

Angesichts der Niederlage der Ukraine drängen westliche Hardliner zunehmend auf eine langfristige Strategie zur Eindämmung Russlands, die mit einer umfassenden Militarisierung ihrer eigenen Gesellschaften einhergeht und vielleicht auch mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Aber diese neu aufgerollte Strategie des Kalten Krieges hat wenig mit den Ansichten des Erfinders des Eindämmungskonzepts, George F. Kennan, zu tun, der diese Politik in erster Linie als politisches Mittel betrachtete.

Die USA würden den Kalten Krieg nicht durch Konfrontation und militärischen Wettbewerb mit der UdSSR gewinnen, sondern durch die demonstrierte Überlegenheit ihrer politischen Ordnung.

Kennan war bekanntlich einer der prominenten US-Politiker, der sich lautstark gegen die postsowjetische Osterweiterung der Nato ausgesprochen hat. Auch zitierte er gerne den Aphorismus von Präsident John Quincy Adams, dem zufolge "Amerika nicht auf der Suche nach Monstern ins Ausland gehen sollte, die es zu zerstören gilt".

#8: Die Domino-Theorie, ein überhöhtes Konzept?

Diese Theorie stammt von Präsident Eisenhower und wurde zum Teil für den Zweck entwickelt, die britische Regierung dazu zu bringen, sich an Frankreichs verlorenem Kolonialkrieg in Indochina in den 1950er-Jahren zu beteiligen.

Aber Winston Churchill glaubte nicht an diese Theorie, dass nach einem Sieg der Roten in Vietnam auch die restlichen Staaten Südostasiens an die Kommunisten fallen würden.

Die taten auch nicht seine Tory- und Labour-Nachfolger im Amt des Premierministers, als das Domino-Konzept in den 1960er-Jahren wiederbelebt wurde, um eine massive US-Intervention im Vietnamkrieg zu rechtfertigen.

Die derzeitige Wiederauferstehung dieser Theorie besteht darin, dass, wenn Putin in der Ukraine gewinnt, die baltischen Staaten sein nächstes Ziel sein werden.

Es gibt keine Beweise dafür, dass Putin solche Absichten hat. Zweifellos könnte Russland das Baltikum besetzen, wenn es wollte, aber nicht, ohne das Risiko eines Atomkriegs mit der Nato einzugehen.

Putins Einmarsch in die Ukraine war riskant und abenteuerlich, aber seine zurückhaltende Kriegsführung hat gezeigt, dass er alles andere als rücksichtslos ist – im Gegensatz zu einigen seiner westlichen Amtskollegen, die jede Gelegenheit zur Eskalation des Konflikts genutzt haben.

#9: Das koreanische Patt-Szenario

Der Koreakrieg kam nach einigen dramatischen Monaten der Invasion und Gegeninvasion im Sommer und Herbst 1950 recht schnell ins Stocken, aber ein Waffenstillstand wurde erst im Juli 1953 unterzeichnet.

Einige westliche Hardliner sehnen sich nach einer Wiederholung dieses Szenarios und hoffen, dass die Feindseligkeiten wieder aufgenommen werden können, sobald die Ukraine wieder zu Kräften gekommen ist und die Nato-Länder ihre Rüstungsindustrie hochgefahren haben.

Doch im Ukraine-Krieg ist es nicht zu einem Patt gekommen, wie einige behaupten, sondern es ist ein Zermürbungskrieg, den Russland langsam, aber sicher für sich entscheidet.

Weiterhin wird Putin niemals einem Waffenstillstandsabkommen zustimmen, das nicht die Sicherheit Russlands gewährleistet und diese Situation gegenüber den Unterstützern der Ukraine absichert.

Je länger der Krieg andauert, desto wahrscheinlicher wird es, dass ein russischer Sieg zu einem Diktatfrieden Russlands führen wird.

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