Die Arktis taut auf
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Die Energie- und Klimawochenschau: Eisschwund, Waldbrände, Dürren, Heuschrecken und Fluten - Klimakrise in allen Ecken, aber RWE baggert weiter Dörfer ab
Es kommt nicht überraschend, ist jedoch deshalb nicht minder ernst: Das Eis auf dem Arktischen Ozean hat sich im Juli so weit wie nie zuvor in diesem Monat zurückgezogen, seitdem die Eisbedeckung täglich von Satelliten beobachtet wird. Das wird nun bereits seit rund 40 Jahren gemacht, aber davor war das Eis eher noch dicker und die Eisgrenze noch weiter im Süden. Letzteres zeigen die archivierten Schiffsbeobachtungen seit dem 16. Jahrhundert.
Schon Mitte Juli berichtete das National Snow and Ice Data Center (NSIDC) der USA in Boulder, Colorado, dass die Nordost-Passage - der Seeweg zwischen Pazifik und Atlantik entlang der russischen Küste - annähernd eisfrei zu sein scheint. Und jetzt meldet das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven einen historischen Tiefstand der Meereisausdehnung.
Wir hatten ja hier auf Telepolis bereits kürzlich über die viel zu warme erste Jahreshälfte in Sibirien, die vielen dortigen Waldbrände und den eindeutigen Zusammenhang mit dem vom Menschen verursachten Klimawandel geschrieben.
Hier bei der Weltmeteorologieorganisation lässt sich verfolgen, dass derzeit in erschreckend vielen Regionen Russlands die Wälder brennen. Das AWI sieht einen unimittelbaren Zusammenhang zwischen dem Rekord-Rückzug des Eises und dem viel zu warmen Wetter im Norden Sibiriens.
Passend dazu auch eine weitere Rekordmeldung: Auf Spitzbergen, Norwegens Außenposten im hohen Norden am Rande des einst ewig genannten Eises, wurde am Wochenende eine Lufttemperatur von 21,7 Grad Celsius gemessen. Für einen Bremer oder Münchner ist das nicht viel, aber rund 1.300 Kilometer vom Nordpol entfernt ist das bemerkenswert und Ausdruck der raschen Erwärmung der hohen Breiten. Die monatliche Durchschnittstemperatur überschreitet dort bisher auch im Sommer, wenn die Sonne 24 Stunden am Tag scheint, kaum acht Grad Celsius.
RWE gnadenlos
In Deutschland hat man derweil in mancher Landesregierung und mancher Konzernetage den Schuss noch immer nicht gehört. Insbesondere RWE, der Braunkohlekonzern aus dem Rheinland, macht zwar gerne Werbung mit seinen Offshore-Windparks, treibt aber zugleich seinen Braunkohleabbau mit sturer Hartnäckigkeit voran.
Am Tagebau Garzweiler 2 westlich von Köln betreibt der Konzern seit Montag vergangener Woche mit massivem Polizeiaufgebot und gegen den Widerstand eines Teils der örtlichen Bevölkerung sowie zahlreichen Klimaschützer die Zerstörung einer Landesstraße, der L277. Die Straße diente bisher dem Dorf Keyenberg als Ortsumgehung.
Keyenberg liegt am Rande des Tagebaus. Einige Häuser stehen bereits leer, viele der verbliebenen Bewohner wollen nicht gehen und wehren sich gegen Enteignung und Zwangsumsiedlung. Nun schickt ihnen RWE schon mal den sonst auf der Ortsumgehung verkehrenden LKW-Verkehr durch die Stadt, und die anwesende Polizei sieht sich nicht in der Lage, das gültige Durchfahrtverbot für schwere Fahrzeuge durchzusetzen.
Mit Sitzblockaden, Anketten und der Besetzung eines an den Abbrucharbeiten beteiligten Baggers wurde die Straßenzerstörung verzögert. Das "Netzwerk Ende Gelände" besetzte außerdem zeitweilig einen Kohlebagger im nahen Tagebau. Das Kohleausstiegsgesetz sei vollkommen inakzeptabel, heißt es beim Bündnis "Alle Dörfer bleiben". Bis 2038 weiter Kohle abbauen und verfeuern zu wollen, sei nicht mit den Pariser Klimazielen vereinbar.
Sieben Dörfer, die meisten im Rheinland, sollen noch dem Tagebau weichen. Würde die unter ihnen liegende Kohle verbrannt, würden selbst die vollkommen unzulänglichen Klimaziele der Bundesregierung verfehlt. Es sei denn, diese hat vielleicht vor, bis 2030 den Betrieb von Verbrennungsmotoren im Straßenverkehr zu verbieten.
Die Dörfer zu verteidigen bedeute daher auch, die letzten Chancen auf eine klimagerechte Zukunft zu verteidigen, heißt es folglich bei den sich wehrenden Anwohnern. Diese wollen ihre Proteste und Mahnwachen gemeinsam mit Unterstützer diese Woche fortsetzen.
Bangladesch unter Wasser
Derweil spielt das Wetter nicht nur in der Arktis verrückt. Bangladesh erlebt gerade, wie die britische Zeitung Guardian schreibt, die längsten und schwersten Monsun bedingten Überschwemmungen seit Jahrzehnten. Und das in einer Zeit, in der das Land zum einen noch an den Folgen eines besonders starken Tropensturms zu knabbern hat und zugleich gegen die sich ausbreitende Corona-Pandemie ankämpfen muss. Ein Drittel des Landes stehe nach Regierungsangaben unter Wasser.
Auch die benachbarten indischen Bundesstaaten Bihar, Assam sind betroffen. Dort, wie auch in Nepal, sind diverse Flüsse über die Ufer getreten. Der Guardian schrieb am Wochenende von 550 Todesopfern in den drei Ländern und bis zum Monatsende anhaltenden schweren Regenfällen.
Ähnliche Probleme plagen das benachbarte China. Dort wird es in den nächsten Tagen laut Vorhersage vor allem am Oberlauf des Mekong, des Brahmaputra und des Yangtse zu weiteren schweren Niederschlägen kommen. Schlechte Nachrichten für die flussabwärts lebenden Menschen in Bangladesch und Ostchina.
Entlang des Yangtses seien im Juli bereits mehr als zwei Millionen Menschen evakuiert worden, so die Nachrichtenagentur Bloomberg. Das Schlimmste stehe aber noch bevor. Schon jetzt seien 142 Menschen tot oder würden vermisst. Der bisherige ökonomische Schaden betrage 116 Milliarden Yuan (14,1 Milliarden Euro) und 2,4 Millionen Hektar Anbaufläche sollen betroffen sein.
Besonders betroffen ist die Provinz Hubei am unteren Yangtse, die mit ihrer Hauptstadt Wuhan besonders unter der Corona-Pandemie zu leiden hatte. Al-Jazeera berichtet in einem kurzen Video von zahlreichen gebrochenen Dämmen und überschwemmten Dörfern. Ein chinesischer Meteorologe macht in einem Interview mit dem Sender den Klimawandel verantwortlich, der eine ohnehin regelmäßig schwierige Situation verschlimmern würde.