Die Bundesanwaltschaft lässt schnüffeln
Schnüffelstaat Deutschland: Bei den Razzien bei Globalisierungskritikern wurden auch Geruchsproben angefertigt - für eine "Gesamtwürdigung" meint man bei der Bundesanwaltschaft
Bei den mit der Begründung des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129a. durchgeführten Durchsuchungen mit 900 Polizisten bei G8-kritischen Personen und Institutionen wurde niemand verhaftet (Erinnerung an Genua). Die eher symbolische Aktion sollte mit der geballten Macht des Staates und der überdehnten Auslegung von Gesetzen das Umfeld angeblich gewaltbereiter G8-Kritiker abschrecken oder auch nur, wie es auch hieß, "Aufschluss über die Strukturen und personellen Zusammensetzung" der Anti-G8-Bewegung geben.
In Niedersachsen suchte die Polizei einige angeblich gewaltbereite Personen auf, nachdem schon vorsorglich mit Vorbeugehaft gedroht wurde (Für Schäuble ist die Gefährdungslage ernst). Zur Prävention wurden die offenbar teils aufgrund sehr vager Informationen (Vorsicht bei der Internetrecherche?) ins Visier geratenen Personen, einige schon höheren Alters, bei den Razzien auch erkennungsdienstlich behandelt. Einigen nahm man DNA-Proben ab – aber auch Geruchsproben, weil die im Unterschied zum genetischen Fingerabdruck nach dem Gesetz ebenso leicht wie Fingerabdrücke zu erhalten sind.
Dazu müssen, wie Spiegel Online ausführt die derart erkennungsdienstlich Behandelten nach alter Stasi-Methode einige Metallröhrchen für eine gewisse Zeit in ihren Händen halten. Hautschuppen bleiben daran hängen, bei deren Zersetzung dann die persönlichen Düfte entstehen. Anhand dieser sollen dann Hunde den Geruch einen Verdächtigen erkennen, der beispielsweise einen Brief angeschickt oder sonst irgendwo seinen individuellen und unvergleichlichen Duft hinterlassen hat. Die Stasi hatte Zigtausende solcher Geruchsproben gemacht und sorgsam gesammelt.
Mit den Geruchsproben macht sich nun die Bundesanwaltschaft zum Gespött, die Rede vom Schnüffelstaat geht um, der verzweifelt auf ausgediente Methoden rekurriert, deren Zweck zudem nicht wirklich einsichtig ist, auch wenn das Pentagon ebenfalls die Entwicklung von besseren Methoden zur Identifizierung von Gerüchen im Kampf gegen den Terrorismus finanziert. Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, findet die Methode jedenfalls "ziemlich bizarr" – und wahrscheinlich nicht nur er.
Der Anwalt von Dr. S., einem 68-jährigen Physiker aus Hamburg, dem eine Geruchsprobe abgenommen wurde, sieht das als "schweren Eingriff in die Grundrechte" seines Mandanten. Bislang scheinen die Geruchsproben keinen Verdächtigen erschnüffelt zu haben, der etwa an einem Brandanschlag beteiligt gewesen sein soll. Die Frage wäre natürlich auch, ob ein Gericht eine solche Erkennung überhaupt als Beweis zulassen würde, dass etwa eine Person einen Bekennerbrief in Händen gehalten hat (auf dem sich dann aber auch Fingerabdrücke finden sollten).
Ob die Geruchsproben – oder sollte man sagen: Gerüchte? - überhaupt einen Wert besitzen, wenn sie denn rechtmäßig sein sollten, weiß man offenbar nicht einmal bei der eifrigen Bundesanwaltschaft. Ein Sprecher erklärte: "Einen Beweiswert im klassischen Sinn haben sie nicht. Wir sind aber der Meinung, dass sie einen Indizwert hat und in eine Gesamtwürdigung eingestellt werden kann." Im Kampf gegen den Terror und die Globalisierungskritiker, die unter dem Verdacht stehen, einer terroristische Vereinigung anzugehören, sind eben alle Mittel recht, wenn man nur demonstrieren kann, dass man nichts unversucht lässt, um die beschworenen Gefahren abzuwehren.