Die Bundeswehr und die Waffen
Seite 2: Abgeschottete Bundeswehr
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Basierend auf diesen Empfehlungen machte sich eine Arbeitsgruppe bestehend aus Mitarbeitern des Ministeriums und Experten der Europa-Universität Viadrina an die Arbeit, ein neues Regelwerk zu erstellen. Was dabei herauskam, zeigte sich, als die "Bild"-Zeitung aus dem Papier zitierte: Soldaten und Beamten sollten demnach "jeden informellen Kontakt" zu Journalisten und Parlamentariern vermeiden.
Das solle nicht nur für Presseanfragen gelten, sondern auch für jedes persönliche Treffen gelten - selbst dann, wenn es sich um Bundestagsabgeordnete handelt. Als sozusagen kritische Zonen für den Soldaten machte der Entwurf insbesondere Veranstaltungen und Empfänge aus. Wie der Militärblogger Thomas Wiegold bemerkte, war aus dem "Regelwerk vor allem für den Umgang mit der Industrie (...) eins für den - als störend empfundenen? - Umgang mit Abgeordneten und Journalisten" geworden.
Maulkorb-Erlass?
BMVg-Sprecher Jens Flosdorff spielte die Bedeutung des Entwurfs am 12. Oktober in der Bundespressekonferenz herunter. Es handele sich um einen Referentenentwurf, der lediglich klare Rollenverteilungen sicherstellen solle: "So soll sich beispielsweise jemand, der als Marinesoldat angesprochen wird, nicht zum A400M äußern oder umgekehrt. (...) Auch sollen keine Kontakte zur Rüstungsindustrie unterhalten werden, die intransparent sind. Das ist die große Stoßrichtung."
Kritiker beruhigte das nicht. Sie sahen darin den "Versuch, ein abgeschottetes System im Stile des vordemokratischen Obrigkeitsstaats zu etablieren" (Wiegold). Die "Bild"-Zeitung schrieb gar, "Ursula von der Leyens Beamten droht ein Maulkorb". Auch Grüne und Linkspartei kritisierten die Pläne: Das Ministerium werde damit zur "Wagenburg", das Konzept vom Staatsbürger in Uniform stehe damit infrage.
Die grüne Abgeordnete Agnieszka Brugger nannte es verheerend, wenn sie sich bei ihrer Arbeit nur noch auf den offiziellen Dienstweg verlassen könnte. Die Ministerin wolle mit der Regelung verhindern, dass Rüstungsskandale ans Tageslicht kommen, vermutete sie.
Nur der CDU-Bundestagsabgeordnete Ingo Gädechens stellte sich hinter das Ministerium. Seine Begründung hatte allerdings nichts mit dem G36-Gewehr zu tun: Es handele sich natürlich um verschärfe Verhaltensregeln. Diese seien nötig, weil immer wieder Informationen etwa über Vorfälle in den Einsatzgebieten der Bundeswehr "durchgestochen" würden, also an die Presse weitergegeben werden, sagte er.
Neuer Entwurf
Offenbar hat das Verteidigungsministerium auf die Kritik reagiert. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, enthält eine neue Version des Entwurfs die umstrittenen Passagen nicht mehr, die den informellen Kontakt zu Journalisten und Abgeordneten untersagten. Stattdessen heiße es, "Kontakte zu Medienvertretern" müssten "im Einzelfall ausdrücklich autorisiert" werden.
Außerdem sind Verstöße gegen den Kodex nun nicht mehr wie in der ersten Version "umgehend anzuzeigen", was als Aufforderung zur Denunziation gewertet worden war. Möglich sei aber, sich an den Compliance-Management-Beauftragten wenden, wenn Verstöße bemerkt werden. Dieser soll zu Beginn des nächsten Jahres vorgestellt werden, ebenso wie der neue Verhaltenskodex.
Kritik bleibt
Begeisterung darüber ist bislang aber nirgends zu erkennen. Für Wolfgang Hellmich (SPD), den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, reicht die Geschäftsordnung des Verteidigungsministeriums völlig aus. Die geplante Neuregelung kritisierte er als "völlig überflüssig", auch in ihrer verbesserten Fassung.
Trotzdem darf man auf die neuen Verhaltensregeln gespannt sein, schließlich sind Kungeleien zwischen Ministerium und Rüstungsindustrie, die zu Kostensteigerungen bei Rüstungsprojekten auf Kosten der Steuerzahler führten, immer wieder beklagt und kritisiert worden - Stichwort "militärisch-industrieller Komplex". Außerdem gibt es die sogenannten wehrtechnischen Lobbyorganisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik oder den Förderkreis Deutsches Heer, in denen oft Offiziere Mitglieder sind und die als Scharnierstelle zwischen Politik und Rüstungsindustrie dienen. Es wird spannend, wie sich das neue Compliance Management hier auswirkt.
Lobbyist als Kurzarbeiter
Doch wie auch immer der Verhaltenskodex ausfällt - auch unter von der Leyen klappt es mit der Trennung von Regierung und Industrie nicht so richtig: So wechselte einer ihrer Berater, Gundbert Scherf, nach zwei Jahren im Ministerium zum Jahreswechsel umstandslos zurück zu seinem früheren Arbeitgeber, der Unternehmensberatung McKinsey. Der 34-Jährige war im Verteidigungsministerium "Beauftragter für die strategische Steuerung nationaler und internationaler Rüstungsaktivitäten der Bundeswehr", seine Chefin war Verteidigungsstaatssekretärin Katrin Suder, die ebenfalls von McKinsey kam. Sein Auftrag war es, das Rüstungsmanagement umzukrempeln. Durch bessere Kontrollen sollen künftig die Kosten der oft milliardenteuren Rüstungsprojekte in Grenzen gehalten werden.
Doch nun wird er Partner bei McKinsey. Dieser fliegende Wechsel geht manchen zu schnell, schließlich hat Scherf jetzt Kenntnisse über die Rüstungsprojekte der Bundeswehr. Dass er nun der Privatwirtschaft sein Wissen anbietet, wirft natürlich Fragen auf, auch wenn Scherf selbst verlautbart, er werde sich selbst nicht mit Rüstungsprojekten beschäftigen.
"Ursula von der Leyen betont immer wieder, wie sehr sie sich für mehr Transparenz und Compliance einsetzt. Wenn ein enger Berater der Verteidigungsministerin jetzt übergangslos zu McKinsey wechselt, werden die sowieso schon sehr laschen Regeln schamlos missbraucht", kritisierte die grüne Abgeordnete Agnieszka Brugger.