Die Debatten über die NATO-Norderweiterung

Seite 3: Alternative: Schwedisch-Finnische Militärkooperation

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Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine haben die nordeuropäischen Staaten ihre wechselseitige "Solidarität" auf dem Gebiet der Militärpolitik verstärkt.

In einer gemeinsamen Erklärung der Verteidigungsminister Islands, Norwegens, Schwedens, Finnlands und Dänemarks vom 9. April 2015 beschwerte man sich über die russische Politik: "Russlands Handlungen sind die größte Herausforderung für die Sicherheit Europas. (...) Es gibt vermehrt militärische und geheimdienstliche Aktivitäten im Baltikum und unseren nördlichen Gebieten. Das russische Militär fordert uns entlang unserer Grenzen heraus und es gab mehrere Grenzverletzungen in den baltischen Ländern."

Gleichzeitig beschlossen die fünf Verteidigungsminister sich gegenseitig Militärstützpunkte zur Verfügung zu stellen, gemeinsame Militärmanöver durchzuführen, die Rüstungskooperation auszubauen und den Austausch von Aufklärungsdaten zu verbessern.

Das russische Außenministerium konterte und warf am 12. April 2015 seinerseits den fünf nordeuropäischen Staaten vor die außenpolitischen Beziehungen zu vergiften:

Anders als in vergangenen Jahren ist jetzt die Kooperation im Verteidigungsbereich gegen Russland ausgerichtet, was die positiven Erfahrungen bei dem konstruktiven Zusammenwirken, die in den zurückliegenden Jahrzehnten gesammelt wurden, untergraben könnte. In diesem Kontext ruft auch die zunehmende Tendenz der Annäherung Finnlands und Schwedens, die offiziell eine Politik der Nichtbeteiligung an Militärbündnissen betreiben, an den Militärblock Nato besondere Besorgnis hervor.

Insbesondere Finnland und Schweden intensivieren ihre militärpolitische Kooperation. Am 6. Mai 2014 legten die Verteidigungsminister Carl Haglund und Karin Enström in Helsinki einen gemeinsamen "action plan for deepened defence cooperation" vor.

Der schwedische Außenminister Carl Bildt erklärte dazu im September 2014:

Heute beginnt eine neue Ära der Verteidigungszusammenarbeit. Im Norden trainieren die Luftstreitkräfte von Norwegen, Schweden und Finnland zusammen in einem Maße, wie es das sonst nirgendwo in Europa gibt. Finnland und Schweden beschreiten neue Wege der Kooperation bei der Verteidigung. Ein Focus - besonders aus schwedischer Sicht - ist die baltische Region. Hier ist in den vergangenen Monaten die Zusammenarbeit vertieft worden. Und wir stellen uns auch auf Herausforderungen in der Arktis und im Hohen Norden ein - mit Norwegen als Führungsnation.

Im Februar 2015 veröffentlichten beide Länder einen gemeinsamen Absichtsbericht. Die Kommunikationsverbindungen sollen ausgebaut werden. Zwischen beiden Verteidigungsministerien soll ein Personalaustausch eingeführt werden, die Streitkräfteplanungen sollen aufeinander abgestimmt werden. Darüber hinaus sind eine gemeinsame Ausbildung und bilaterale Seemanöver zur U-Boot-Abwehr und Luftmanöver geplant. Militärbasen sollen gemeinsam genutzt werden.

In Richtung einer gemeinsamen Streitmacht weist die Forderung, "to transfer Operational Control (OPCON) of units". Nach Einschätzung des schwedischen Oberbefehlshabers könnte bis zum Jahr 2013 ein gemeinsames Marine-Kommando errichtet werden. Gemäß den verfügbaren Informationen enthält die Vereinbarung die Möglichkeit, nicht aber eine Pflicht zum gegenseitigen Beistand. Dazu müssten beide Staaten eine kohärente Sicherheits- und Verteidigungsstrategie entwickeln.

So ist weiterhin unklar, ob die geplante Kooperation irgendwann in einen militärischen Beistandspakt fließen soll. Beide Seiten halten sich diesbezüglich bedeckt, schließen es aber auch nicht explizit aus. Der Befehlshaber der schwedischen Streitkräfte, General Sverker Göransson erklärte dazu sibyllinisch, "dass man später neu überlegen und eventuell noch einen Schritt weiter gehen kann". Und der finnische Verteidigungsminister Carl Haglund befand: "Wir befinden uns, wenn man so will, in der Kennlernphase unserer Beziehung. Ob es dann irgendwann sozusagen zu einer Verlobung oder Heirat kommt, das ist jetzt noch nicht abzusehen, aber man soll auch keine übereilten Schlüsse ziehen."

Eine verstärkte militärische Zusammenarbeit zwischen Schweden und Finnland würde zwar rüstungspolitische Synergieeffekte erzielen, die auch zu Einsparungen führen könnten, aber eine wesentliche Erhöhung des gemeinsamen Militärpotentials beider Staaten lässt sich damit nicht erzielen. Somit bleibt wohl nur die NATO-Option. So kann man eine verstärkte finnisch-schwedische Militärkooperation als Alternative zu einem NATO-Beitritt ansehen oder bloß als Übergangsstadium bis hin zu einer NATO-Mitgliedschaft.

Egal ob Schweden und Finnland der NATO in ein paar Jahren beitreten werden oder nicht, beide Staaten werden sich diesbezüglich sicherlich genau abstimmen. Wenn nach Norwegen und Dänemark mit Schweden oder Finnland ein drittes skandinavisches Land der Allianz als 29. Mitgliedsstaat beiträte, würde das vierte Land Skandinaviens wohl kaum lange außen vor bleiben. Für die Schaffung einer regionalen Sicherheitsordnung im Ostseeraum als Alternativlösung ist es nach dem NATO-Beitritt der drei baltischen Staaten Estland, Lettland, Litauen längst zu spät.