"Die Extremisten übertönen"
- "Die Extremisten übertönen"
- Keine Gerechtigkeit, aber Terrorismusbekämpfung
- Uferlose Datensammlungen
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Seit 2005 schnürt die EU ein Paket von Maßnahmen zur Gleichsetzung und vorausschauenden Verfolgung von politischem Aktivismus und Terrorismus
Mit mehreren Initiativen will die Europäische Union Instrumente gegen "Radikalisierung" entwickeln. Zugrunde liegende Definitionen sind unscharf und werden synonym und wahllos verwendet. Zu den neuen Werkzeugen gesellen sich Datensammlungen und Forschungsprogramme, die unter anderem neue analytische Verfahren entwickeln wollen.
Grundlage der Initiativen sind die 2005 vom Europäischen Rat beschlossenen Schlussfolgerungen zur "Bekämpfung von Radikalisierung und Anwerbung für den Terrorismus". Das Papier wird durch einen geheim gehaltenen Aktionsplan ergänzt, der jährlich überarbeitet wird. Als Ziel wurde ausgegeben, dafür zu sorgen, dass "die Stimmen der Mehrheit die der Extremisten übertönen". Gleichzeitig wird gedroht, dass weitere Instrumente der EU aufgefahren werden könnten, um die "strukturellen Faktoren, die die Radikalisierung fördern" nötigenfalls auch "außerhalb der Union beseitigen" zu können.
"Berufspraktiker" gegen "Brutstätten für potenzielle Terroristen"
Seit 2006 werden "Terrorismusbekämpfung und Präventionskonzepte" der EU und ihrer Mitgliedstaaten durch ein Europäisches Netz der Experten für Radikalisierung (ENER) begleitet. Dem ENER gehören "Experten" verschiedener akademischer Fachrichtungen sowie nicht näher bezeichnete "an der Basis tätige Berufspraktiker" an. Ob es sich dabei auch um Polizisten handelt, bleibt unklar. Die ENER-Webseite empfängt Besucher jedenfalls mit einem Bild, auf dem sich zwei martialisch vermummte Polizisten an einer EU-Fahne abseilen.
Zu den Arbeitsinhalten des ENER gehören etwa der Umgang mit "Brutstätten für potenzielle Terroristen", "Aktivierung der Zivilgesellschaft im Kampf gegen den gewaltbereiten Extremismus" oder "eigenverantwortliches Vorgehen der Städte und Gemeinden gegen Radikalisierungstendenzen". Veröffentlichungen von ENER-Mitgliedern bzw. Vorträge auf Tagungen legen indes nahe, dass auch politischer Aktivismus unter dem Vorwand einer "Extremismusbekämpfung" aufs Korn genommen wird. Auf der ENER-Webseite findet sich eine Infobox zu "Anti-globalisation extremism", dessen Bandbreite vom "linksextremen Anarchismus bis Al-Qaida" reiche.
Eine der Mehrzweckwaffen im "Kampf gegen den Terrorismus" ist der "EU-Koordinator für Terrorismusbekämpfung" (ATK) Gilles de Kerchove, der mit seinem Team nach Selbstauskunft einen "erheblichen Teil" seiner Energie und Zeit darauf verwendet, "die Entwicklung neuer Ideen, Methoden und Projekte zur Verhinderung von Radikalisierung" zu befördern. De Kerchove soll unter anderem eine Kommunikationsstrategie entwerfen, die für Statements gegenüber Medien eine Reihe einheitlicher "Schlüsselbotschaften" zur Verfügung stellt. Großbritannien will dafür ein "informelles Netzwerk von Kommunikationsspezialisten reaktivieren".
Deutsche Initiative gegen "illegale Internetinhalte"
Deutschland ist unter anderem innerhalb der Initiative Check the Web an den EU-Maßnahmen beteiligt und betreibt die Überwachung des Internet. "Check the Web" dient der "Erforschung extremistischer islamischer Internetseiten", während ein von Deutschland geleitetes "Unterprojekt" Präventivmaßnahmen entwickeln will. "Partner" sind die Niederlande, die Tschechische Republik und Großbritannien. "Check the Web" hat mittlerweile den Status als eine von 21 Analysedateien bei Europol erlangt, womit neben erlangten Personen- und Sachdaten auch allerlei sonstige Informationen in Dossiers gesammelt werden können.
Parallel zu "Check the Web" sollen die "effektivsten Ansätze zur Lösung des Problems der Internetnutzung für terroristische Zwecke" erforscht werden, um sie zügig "praktisch anzuwenden". Gemeint ist die Unterstützung von Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten, "illegale Internetinhalte" zukünftig "in den Griff zu bekommen". Zwar sagt das Dokument noch nichts über technische Verfahren aus, allerdings sollen hierzu "Partnerschaften zwischen öffentlichem und privatem Sektor" gefördert werden.