Die Festung EU will auch militärisch globaler Akteur werden

Das britische Projekt, Lager für Flüchtlinge außerhalb der EU einzurichten, wurde auf dem EU-Gipfel in Griechenland halbherzig abgelehnt, sicherheitspolitisch wurden auch präventive militärische Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus und Massenvernichtungswaffen gebilligt

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Der britische Vorschlag, Asylbewerber vor den Grenzen der Festung Europa in Lager unterzubringen, ist von der EU auf dem Gipfel in Porto Carras bei Thessaloniki erst einmal nicht direkt angenommen worden. Allerdings will Großbritannien nach dem amerikanischen Vorbild in einer Koalition der Willigen in der EU das Projekt weiter verfolgen. Präventive militärische Eingriffe und größere militärische Selbständigkeit sollen dem Gewicht des erweiterten Europa mehr Geltung verschaffen.

Für sein Projekt zur Lösung der Asylfrage durch Abschiebung und Abschreckung (Mit Kanonenkugeln oder Internierung in "Regionalen Schutzzonen" außerhalb der EU) hatte Tony Blair Dänemark, Österreich und Holland hinter sich gebracht. Möglicherweise soll ein Lager, das gerade mit EU-Geldern in Kroatien errichtet wird, als Testprojekt dienen. Mit dem Thema wollen die Regierungen bei ihren fremdenfeindlichen Wählern punkten. Gelöst würde mit den "Schutzzonen" vor den Grenzen der EU oder in den Herkunftsländern freilich nichts, nur nach außen verschoben und für die Bewohner der Festung Europa möglichst aus dem Blick gebracht.

Ruud Lubbers, der Hochkommissar der UN für Flüchtlinge, kritisierte denn auch, dass die reichen Länder so wenig finanzielle Hilfe für die Herkunftsländer der Flüchtlinge leisten, dass diese wenig Anreiz haben, dort zu bleiben. Auch für die Wiederaufnahme der Flüchtlinge bestünde daher wenig Interesse. Ein wirksamere Flüchtlings- und Asylpolitik würde darin bestehen, den Flüchtlingen in ihren Ländern besser zu helfen, sie bei der Rückkehr nach der Abschiebung oder bei der Einwanderung in ein anderes Land zu unterstützen. Für Menschen, die kaum Chancen haben, als Flüchtlinge anerkannt zu werden, schlägt Lubbers gemeinsame "Empfangszentren" innerhalb der EU vor.

Die EU will offenbar ein wenig in diese Richtung gehen und mehr Geld für die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern und für die "Rückführung" von Flüchtlingen aufwenden. Aber es soll auch stärkeren Druck auf die Herkunftsländer ausgeübt werden, damit diese illegale Einwanderung stärker bekämpfen und sich verpflichten, abgewiesene Flüchtlinge wieder aufzunehmen. Asylanträge sollen bereits in den Herkunftsländern bei den Botschaften gestellt werden können, um die Menschen so außen vor zu halten.

Großbritannien konnte vor allem wegen der Ablehnung seitens Schwedens und Deutschlands die Finanzierung des Konzepts der "Schutzzonen" nicht durchsetzen. Deutschland könnte dies schon aufgrund der Verfassung nicht machen. Tony Blair aber will sich damit nicht zufrieden geben und versucht nun, mit einer "Koalition der Willigen" das Konzept weiter zu verfolgen. Gedacht ist offenbar an einen Testversuch mit einem solchen Durchgangslager am Horn von Afrika, um die Flüchtlinge aus Somalia abzufangen. Ein Sprecher der britischen Regierung erklärte dazu: "Einzelne Länder werden Pilotprojekte zusammen mit der EU-Kommission und dem UN-Flüchtlingshilfswerk fortführen. Die Kommission wird darüber nächstes Jahr berichten. Wichtig ist, dass die Arbeit weiter geht."

Sicherheitspolitisch schließt sich die EU der Strategie der USA an, will aber offenbar größere Eigenständigkeit bei der Bekämpfung des Terrorismus und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen erlangen (Letztlich auch mit militärischer Gewalt). Die Regierungschefs haben einem Text zugestimmt, in dem, falls notwendig, auch präventiv militärisch gegen gefährliche Staaten vorgegangen werden soll. Man könne nicht bei der Bekämpfung der Terroristen, die "unbegrenzte Gewalt" einsetzen, bei der Abschreckungspolitik aus der Zeit des Kalten Kriegs bleiben: "Mit den neuen Bedrohungen wird die Verteidigungslinie oft weit entfernt verlaufen", eben auch im Hindukusch oder im Irak.

Die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen ist die allergrößte Gefahr für den Frieden und die Sicherheit zwischen den Nationen. Die neuen Gefahren sind dynamisch. Die terroristischen Netzwerke werden immer gefährlicher, wenn man nicht gegen sie vorgeht. Wir hätten uns mit al-Qaida viel früher beschäftigen müssen. Das impliziert, dass wir bereit sein müssen zu handeln, bevor eine Krise entsteht.

Festgehalten wird an der "unersetzbaren" transatlantischen Beziehung zwischen der EU und den USA. Sie könne eine "mächtige Kraft des Guten in der Welt" sein. Aber auch diejenigen Regierungen, die auf größere Eigenständigkeit und Distanz zu den USA setzen, können in der Erklärung finden, was sie benötigen. Kein einzelnes Land sei in der Lage, so heißt es wohl in Bezug auf die USA, mit den komplexen Problemen der Gegenwart alleine fertig zu werden. Eine Stärkung internationaler Organisationen wie der WTO oder der UN sei erforderlich. Die EU sei, so der außenpolitische Beauftragte Javier Solana, ob sie es wolle oder nicht, mit 25 Ländern und mehr als 450 Millionen Einwohnern, die ein Viertel des Bruttosozialprodukts der Welt schaffen, auch ein "globaler Akteur". Und der müsse auch Verantwortung für die globale Sicherheit übernehmen:

Eine Union mit 25 Mitgliedern und einem Verteidigungsgesamthaushalt von 160 Milliarden Euro sollte in der Lage sein, mehrere Operationen gleichzeitig auszuführen. Wir müssen eine strategische Kultur entwickeln, die frühe, schnelle und, falls erforderlich, robuste Interventionen fördert.