Die Illusion der Einheit
Bohrende Nachfragen gab es von Außenminister Steinmeier nicht in Washington, die erste Entführung einer Deutschen im Irak überschattete das Treffen mit Rice
Mit Spannung war der Antrittsbesuch des neuen deutschen Außenministers Walter Steinmeiers in Washington erwartet wurden. Eigentlich sollte bis ins Detail beobachtet werden, ob die Bundesregierung wieder stärker die Politik im Konsens mit den USA abstimmen will, wie es Bundeskanzlerin Merkel versprochen hat, oder ob der Außenminister eher dem von Gerhard Schröder eingeschlagenen Weg treu bleibt. Da hätte es leicht passieren können, dass bei dem Besuch jeder Blick, jedes Wort und jede Geste ausgedeutet wird. Doch dazu sollte es aber nicht kommen. Denn aus dem Antrittsbesuch wurde aus aktuellem Anlass ein Arbeitsbesuch, mit gekürztem Besuchsprogramm. Dafür sorgte die Debatte um die angeblichen Geheimflüge der CIA und die erste Entführung einer deutschen Staatsbürgerin im Irak.
In den letzten Tagen wurde die Gerüchteküche mit weiteren Spekulationen kräftig angeheizt. Laut einem Bericht der Berliner Zeitung starteten und landeten seit 2002 fünfmal mutmaßliche CIA-Jets in Berlin, Nürnberg und Egelsbach in Hessen. So sei am Vormittag des 9. April 2002 eine Gulfstream der CIA aus Teterboro bei New York kommend in Berlin-Tempelhof eingetroffen; am 28. April 2003 sei eine Hawker 800XP aus Edinburgh in Hamburg gelandet. Im Dezember 2004 und im vergangenen Februar verkehrten mutmaßliche CIA-Flugzeuge zwischen dem dänischen Billund und Egelsbach beziehungsweise Nürnberg, berichtete die Zeitung. Schon Tage zuvor hatte die Zeitung berichtet, dass die CIA-Flüge bis ins Jahr 2005 andauerten. Bekannt ist, dass ein in Italien entführter Imam von der CIA nach Ramstein gebracht und dort in ein anderes Flugzeug umgeladen wurde, das ihn nach Ägypten brachte (Haftbefehl für CIA-Agenten).
Im gleichen Artikel wurden allerdings die Gerüchte über Geheimgefängnisse in Europa, auch schon als Guantanamo auf europäischem Boden bezeichnet, relativiert (Black Sites or Red Herring?). EU-Sonderermittler Dick Marty zweifelt die Existenz solcher Lager an. Genau die Gerüchte um solche Lager aber haben zunächst für eine neue Welle US-kritischer Berichte in deutschen Medien gesorgt, wie sie aus der Hochzeit des Irakkrieges bekannt war. Die angeblichen Hinweise auf Gefängnisse ließen sich bisher zumindest nicht verifizieren und nun werden wieder die CIA-Flüge in Mittelpunkt gestellt, die aber sowohl in Deutschland (Die Rache des alten Europa) als auch in anderen europäischen Staaten längst bekannt waren. So dokumentiert der österreichische Nationalratsabgeordnete Peter Pilz auf seiner Internetseite 15 CIA-Flüge im Zeitraum zwischen 17. 8. 2001 und 3./4. 10. 2005 seiner Webseite.
Man kann davon ausgehen, dass die massierte Berichterstattung der letzten Tage nicht ganz zufällig mit dem Steinmeier-Besuch in den USA zusammen fällt. Schließlich ist eine Distanz zu den USA schon lange eine Mehrheitsposition in der deutschen Bevölkerung. Selbst Unionspolitiker, die gemeinhin eher zu den Atlantikern zählten, stellen kritische Fragen an die USA und realisierten, dass für eine Annäherung an Washington nicht der richtige Zeitpunkt ist. Es ist eine Sache, sich als Oppositionspartei über den vermeintlichen Antiamerikanismus der Schröder-Regierung zu echauffieren, eine andere Sache aber ist es, sich als Regierungspartei wegen zu großer Nähe zu den USA die Sympathien zu verscherzen. Selbst die eher proatlantische Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Rot-Grün immer wegen ihrer Distanz zu den USA kritisierte, merkte am Dienstag an, dass die Unionsparteien in der Frage des Verhältnisses zur USA in kürzester Zeit umdenken mussten.
Entführung führt wieder zum Schulterschluss
Kurz bevor Steinmeier seine Reise antrat, wurde mit der erstmaligen Entführung einer Deutschen und ihres Fahrers im Irak sein Besuchsprogramm noch einmal kräftig durcheinander geworfen. Selbst die Krise um die CIA-Flüge trat dadurch in den Hintergrund.
Die Entführer fordern einen totalen Abbruch der Beziehungen Deutschland und drohen mit der Tötung ihrer Geiseln. Steinmeier hat noch in den USA ein Eingehen auf die Forderungen der Entführer kategorisch abgelehnt. Dazu hat er sicher vorher der Zustimmung seiner Gesprächspartner in den USA sowie deren Unterstützung versichert, wozu eben auch die US-Geheimdienste benötigt werden. So haben es die Entführer doch noch geschafft, angesichts des Terrors für kurze Zeit die Illusion einer Einheit zwischen den USA und Europa herzustellen. Doch die wird nicht lange halten. Schließlich hat US-Außenministerin Rice die Berichte über die CIA-Flüge und die Gefangenenlager in Europa nicht weiter kommentiert und nur Aufklärung versprochen. Auf bohrende Nachfragen von Journalisten wand sich im Anschluss auch Sean McCormack, der Sprecher des Außenministeriums, um Antworten herum. So bleibt der Flut von Spekulationen und Gerichten zunächst weiterhin Tür und Tor geöffnet.
Wenig Beachtung fand bisher in Deutschland ein anderer Bericht der Washington-Post, wonach die CIA in Europa, dem Nahen Osten und den USA so genannte Counterterrorist Intelligence Centers zur Terroristenabwehr unterhält (Die CIA betreibt in über 20 Ländern geheime Operationszentren). Auch in Europa soll es eine enge Zusammenarbeit zwischen europäischen Geheimdienstmitarbeitern und CIA-Agenten geben. Die Alliance Base, das einzige multinationale Zentrum der CIA, befindet sich in Paris. Hier sollen auch Vertreter von Geheimdiensten aus Großbritannien, Kanada, Australien und Deutschland arbeiten.